Nadine Prohaska:

“Es wäre schön, vom Fußball leben zu können”

Sport
22.11.2017 07:35

Am 23. November trifft Österreichs Nationalteam in der WM-Qualifikation auf Israel. Wir haben uns vor der Partie mit St.-Pölten-Spielerin Nadine Prohaska am Wiener WU Campus getroffen und mit ihr über die großartige EURO, die Probleme in der Bundesliga und die kommenden Ziele in der WM-Qualifikation gesprochen. Oben im Video sehen Sie die 27-jährige Wienerin im sportkrone.at-Wordrap.

sportkrone.at: Wann hast du deine Liebe zum Fußball entdeckt?
Nadine Prohaska: Eigentlich in der Volksschule. Da hab ich immer im Hof mit den Burschen in der Pause mitgespielt. Ein Freund von mir war in einem Verein und hat mich gefragt, ob ich mitkommen mag. Ich glaube, da war ich acht Jahre alt. Bei Post SV in Hernals habe ich dann in der U9 begonnen. Als einziges Mädchen. Mit 14 habe ich dann zu Landhaus gewechselt, später zum Rekordmeister Neulengbach.

sportkrone.at: Von 2009 bis 2011 hast du bei Bayern gespielt - warum bist du wieder nach Österreich zurückgekehrt?
Prohaska: Damals war ich 19 Jahre alt und habe gemerkt, ich hab Talent und bin ehrgeizig. Ich wollte es unbedingt probieren und habe mich selbst um alles gekümmert. Hauptsächlich habe ich in der zweiten Mannschaft gespielt. Ich konnte mich nicht so durchsetzen, wie ich mir das erhofft hatte. Eigentlich bin ich zurückgegangen wegen meines Jus-Studiums, das ich zu der Zeit in Linz gemacht habe. Es war schwer mit den Prüfungen zu koordinieren.

sportkrone.at: Ist ein Auslandstransfer für dich nach wie vor ein Thema?
Prohaska: Auf jeden Fall. Es ist ja kein Geheimnis, dass mich Spanien interessiert. Barcelona finde ich sehr cool.

sportkrone.at: Mit welchen Vorurteilen warst du zu Beginn konfrontiert?
Prohaska: In meiner Mannschaft hatte ich kaum Probleme. Am Anfang war es ein bisschen komisch, aber als die Burschen gesehen haben, dass ich was drauf hab, haben sie mich voll akzeptiert. Meine Eltern haben mich von Anfang an unterstützt, sind immer mit mir zum Training gefahren. Mama und Papa schauen heute noch bei den Spielen zu.

sportkrone.at: Was hat sich seit der EURO für dich verändert?
Prohaska: Die Aufmerksamkeit ist sehr gestiegen. Im letzten Spiel des SKN St. Pölten gab's erstmals eine Liveübertragung. Auch das Nationalteam steht mehr im Fokus. Die Berichterstattung hat sich weiterentwickelt. Wir sind mittlerweile auf vielen Events eingeladen.

sportkrone.at: Wirst du auf der Straße wiedererkannt?
Prohaska: Ganz so schlimm ist es nicht. Aber hin und wieder schreibe ich schon Autogramme oder mache Selfies mit Fans.

sportkrone.at: Mit welchen Gefühlen blickst du auf diesen Sommer zurück? Gab es irgendeinen Moment, den du besonders in Erinnerung behalten wirst?
Prohaska: Die EM wird man nie vergessen. Nicht nur die Erfolge, auch die Zeit mit der Mannschaft und mit dem Betreuerteam. Das gemeinsam zu erleben, war etwas ganz Besonderes. Es ist schwierig zu beschreiben, wenn man nicht dabei war. Ein ganz eigenes Gefühl. Das Elfmeterschießen gegen Spanien wird mir besonders in Erinnerung bleiben. Wir haben diesen Hype in Österreich ja gar nicht so mitbekommen.

sportkrone.at: Unvergesslich waren auch die Feiermomente mit der Partybox nach jedem Spiel.
Prohaska: Die hatten wir bei St. Pölten schon, deswegen haben wir sie nach Holland mitgenommen. Eigentlich war sie dafür gedacht, Musik in der Kabine zu hören. Aber wir sind irgendwie so ein verrückter Haufen, diese Polonaise in der Mixed Zone hat sich dann einfach so ergeben (lacht).

sportkrone.at: Wie habt ihr es geschafft, diesen tollen Teamspirit aufzubauen?
Prohaska: Wir verstehen uns total gut, sind wirklich befreundet und haben auch außerhalb vom Nationalteam Kontakt. Es gibt keine Gruppenbildung. Man merkt auch, wenn wir alle was gemeinsam unternehmen, freuen wir uns richtig darauf.

sportkrone.at: Bei der EM warst du Joker, jetzt bist du Stammspielerin - wie siehst du deine Rolle im Nationalteam?
Prohaska: Ich habe schon viel Erfahrung und mehrere Länderspiele absolviert. Ich bin bei der EM zu mehr Einsatzzeiten gekommen, als ich mir gedacht habe. Die Rolle als Joker hat mir gut gepasst und ich hab relativ schnell ins Spiel gefunden. Ich versuche immer mein Bestes zu geben und möchte natürlich in der Startelf stehen. Im Team bin ich eher die Lustige. Ich mache gerne Späße, manchmal auf Kosten der anderen, manchmal auf meine Kosten. Ich kann gut über mich selbst lachen und bin ein Spaßvogel.

sportkrone.at: Glaubst du, dass die Begeisterung für Frauenfußball in Österreich anhalten wird bzw. wie siehst du die Situation jetzt?
Prohaska: Was das Nationalteam betrifft, ist das Interesse nach wie vor hoch. In der Bundesliga leider nicht. Mit der ORF-Übertragung war mal der erste Schritt getan. Ich hoffe, dass die Zuschauerzahlen steigen. Leider gibt es noch immer keinen Sponsor für die Liga. 50 Zuschauer im Schnitt sind sehr, sehr schade. Wir haben in St. Pölten ja super Bedingungen mit eigenen Physiotherapeuten. Unsere Auswärtsfahrten werden finanziert, das ist ja bei anderen Teams nicht der Fall. Da gibt es auf jeden Fall noch Aufholbedarf. Aber in den Medien geht etwas voran und ich glaube auch, dass wir viele kleine Mädchen begeistern konnten. Ich hoffe, dass das nicht abflacht. In Österreich ist man schnell ganz oben, aber schnell auch wieder unten. Aber ich bin optimistisch. Es wäre schön, wenn wir da etwas entwickeln können.

sportkrone.at: Wie könnte man noch mehr Mädchen zum Fußball motivieren?
Prohaska: Wenn die großen Männervereine wie Rapid, Austria oder Salzburg auch endlich ein Frauenteam hätten, würde das sicher etwas bewirken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dafür kein Budget haben. Es ist alles sehr im Osten zentriert. Für die Mädchen im Westen ist es sicher noch schwieriger. Wir haben zwar jetzt mit Vorderland wieder eine Vorarlberger Mannschaft in der Bundesliga. Aber für die jungen Mädels aus Tirol ist die Entscheidung sicher nicht leicht, nach St. Pölten zu gehen. Es wäre vielleicht gut, auch im Westen ein Zentrum aufzubauen. Dann würde die Liga auch ausgeglichener sein.

sportkrone.at: Ihr habt mit dem Halbfinal-Einzug eine große Euphorie entfacht - teilweise gab es aber immer noch blöde Kommentare in den sozialen Netzwerken zu lesen - wie gehst du damit um?
Prohaska: Ich lese so etwas nicht. Ich möchte mich auch nicht damit beschäftigen. Wenn es jemanden nicht interessiert, muss er es sich ja auch nicht anschauen. Es bringt nichts, sich darüber aufzuregen.

sportkrone.at: Ärgert dich der Vergleich zwischen Männer- und Frauenfußball?
Prohaska: Ich verstehe es nicht ganz. Im Skifahren oder Tennis macht es auch niemand. Natürlich ist Frauenfußball anders, vielleicht auch langsamer. Aber das ist ja logisch, aufgrund der körperlichen Voraussetzungen. Taktisch oder technisch stehen wir den Männern um nichts nach. Fußball ist halt doch noch eine Männerdomäne. Viele haben mir bei den Glückwünschen gesagt: "Da können sich die Männer was von euch abschauen." Das muss eigentlich nicht sein. Wir machen unser Ding und die machen ihr Ding. Es sollte mehr ein Miteinander sein, statt gegeneinander. Der Fußball sollte im Vordergrund stehen und nicht die Frage, ob Männer oder Frauen spielen.

sportkrone.at: In Österreich und auch weltweit herrscht gerade eine riesige Sexismus-Debatte. In vielen Studien wurde bewiesen, dass Frauen in den Medien und vor allem Sportlerinnen anders dargestellt und häufig nach ihrem Aussehen beurteilt werden - wie siehst du das?
Prohaska: Das wäre mir bei uns im Nationalteam nicht aufgefallen. Während der EM stand in der Berichterstattung das Sportliche im Vordergrund. Viele Sportlerinnen setzen sich auf Facebook oder Instagram mit bestimmten Fotos in Szene. Das ist ja auch eine Marketingstrategie und ich finde, das muss jede für sich selbst entscheiden. Ich möchte da niemanden verurteilen. Ich hab z.B. keine eigene öffentliche Facebookseite. Da bin ich total faul, was das betrifft (lacht). Ich mache auch nicht so gern Fotos von mir selbst.

sportkrone.at: Du spielst bei St. Pölten, ihr seid Tabellenführer und seit dem 1. Juni 2014 auf nationaler Ebene ungeschlagen. Da gibt es schon ein großes Ungleichgewicht in der Liga.
Prohaska: Ja, auf jeden Fall. Die Konkurrenz ist nicht sehr groß. Wir würden uns auch mehr darüber freuen, wenn die Liga ausgeglichener wäre. Es wäre spannender und es würden auch mehr Zuschauer kommen.

sportkrone.at: Das Ziel kann nur die Titelverteidigung sein, oder?
Prohaska: Genau, wir möchten das nächste Double schaffen. In der Champions League war heuer leider gegen Manchester City Endstation. Es wäre schön, wenn wir in der nächsten Saison weiterkommen.

sportkrone.at: Arbeitest du lieber mit männlichen oder weiblichen Trainern zusammen?
Prohaska: Das ist mir komplett egal. Im Verein hat man einen anderen Bezug zum Trainer oder zur Trainerin, weil man ja tagtäglich miteinander zu tun hat. Im Nationalteam sieht man sich doch nur alle paar Monate. Seit Dominik Thalhammer beim Nationalteam ist, hat sich sehr viel weiterentwickelt. Er ist sehr perfektionistisch und achtet auf viele Details. Aber auf diesem Niveau ist das international total wichtig.

sportkrone.at: Profitum gehört im österreichischen Frauenfußball noch zur Theorie - wie gut kannst du davon leben?
Prohaska: Wir haben sehr professionelle Bedingungen in St. Pölten, aber wir verdienen nichts. Es gehen manche noch zur Schule, die anderen studieren oder arbeiten nebenbei. Einzelne Projekte und Werbekampagnen gibt es schon, wo man sich was dazuverdienen kann. Aber ich hab immer gewusst, dass ich ein zweites Standbein brauche. Natürlich ist es unfair und es wäre schön, vom Fußball leben zu können. Wir machen den gleichen Sport wie die Männer, trainieren genauso viel. Ich hoffe, dass es sich in Zukunft ändert. Aber es bringt nichts, sich darüber aufzuregen.

sportkrone.at: Das dänische Nationalteam hat aufgrund der Gehaltsunterschiede sogar gestreikt - wäre das für euch denkbar?
Prohaska: Ich glaube, das würde bei uns nicht gehen. Ich kann es mir nicht vorstellen. Dafür spielen wir viel zu gerne Fußball.

sportkrone.at: Du studierst Wirtschaftsrecht an der WU - was sind deine Pläne für die Karriere danach?
Prohaska: Mich interessieren sehr viele Sachen. Genau weiß ich es noch nicht. Eine Trainerausbildung möchte ich nicht machen. Es wäre schön, den Fußball mit den rechtlichen Interessen zu verbinden. Sportrecht wäre vielleicht eine Möglichkeit.

sportkrone.at: Du wirst bestimmt oft gefragt, ob du mit Herbert Prohaska verwandt bist. Nervt dich das schon?
Prohaska: Es kommt natürlich oft vor, aber es nervt mich nicht. Ich spiele Fußball, heiße Prohaska und hab auch noch dieselbe Rückennummer. Da kann man schon mal nachfragen. Aber wie gesagt, es gibt da keine Verbindung. Wir haben uns erst einmal in einer TV-Sendung getroffen.

sportkrone.at: Im Rahmen der WM-Qualifikation triffst du mit dem Nationalteam demnächst auf Israel. In der EM-Qualifikation hast du damals auswärts das Goldtor erzielt. Wie schätzt du die Gegnerinnen ein?
Prohaska: Ja, in der EM-Qualifikation haben wir uns sehr schwer getan. Die stehen sehr tief. Wenn wir bei der WM dabei sein wollen, müssen wir gegen Israel gewinnen. Das ist unser Ziel. Ich hoffe auf viele Zuschauer.

sportkrone.at: Nach dem 4:0-Sieg gegen Serbien habt ihr viel Selbstkritik geübt. Warum?Prohaska: So sind wir einfach. Wir wollen uns ständig weiterentwickeln und sind offen für neue Ideen. Defensiv sind wir sehr gut aufgestellt. Wir kriegen wenig Gegentore, aber im Spiel mit Ball gibt es noch Aufholbedarf. Gegen Mannschaften, wo wir das Spiel machen müssen, tun wir uns schwer.

sportkrone: In der WM-Qualifikation kommt es ebenfalls zum Wiedersehen mit Spanien. Prohaska: Das ist das erste Schlüsselspiel in der Qualifikation. Seit der EURO wissen wir, dass wir vor niemandem Angst haben müssen und jeden schlagen können.

sportkrone.at: Was sind deine Interessen abseits des Fußballs?
Prohaska: Ich reise sehr gern, wenn Zeit dafür bleibt. Letztes Jahr war ich drei Wochen in den USA unterwegs. Sonst mache ich auch gern Städtetrips in Europa. Es gibt noch viele Länder, die ich bereisen möchte.

sportkrone.at: Hast du Rituale vor einem Spiel?
Prohaska: Nein, da wäre ich zu vergesslich dafür (lacht).

Stefanie Riegler
Stefanie Riegler
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(Bild: KMM)



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