Putsch in Simbabwe?

Militär setzt greisen Präsident unter Hausarrest

Ausland
15.11.2017 11:51

In Simbabwe ist der Kampf um die Nachfolge des greisen Langzeitpräsidenten Robert Mugabe eskaliert: Das Militär hat nach eigenen Angaben die Kontrolle über den Staat übernommen. Panzer blockierten Mittwochfrüh den Zugang zum Parlament in der Hauptstadt Harare. Es gehe darum, eine "sich verschlimmernde politische, soziale und wirtschaftliche Krise" zu überwinden, erklärte Generalmajor Sibusiso Moyo in einer Ansprache im staatlichen Fernsehen ZBC. Der 93-jährige Mugabe steht unter Hausarrest.

Es handle sich jedoch nicht um einen Militärputsch, betonte Moyo. Es gehe darum, Verbrecher zur Strecke zu bringen. Präsident Mugabe und seine Familie seien in Sicherheit. Sobald sich die Situation wieder beruhigt habe, solle zur normalen Regierung zurückgekehrt werden, sagte der Generalmajor, der alle Sicherheitskräfte aufforderte, mit dem Militär zu kooperieren. Auf Provokationen würde angemessen reagiert werden, warnte er. Alle Soldaten sollten sich umgehend zum Dienst zurückmelden.

Mugabe steht nach eigenen Angaben unter Hausarrest. Der 93-Jährige habe am Mittwoch in einem Telefonat mit dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma erklärt, dass er "in seinem Haus festgehalten" werde, teilte Zumas Büro mit. Mugabe habe in dem Gespräch zugleich versichert, dass er wohlauf sei.

Finanzminister verhaftet?
Simbabwes Finanzminister Ignatius Chombo wurde Augenzeugen zufolge im Zuge der Machtübernahme des Militärs festgenommen. Soldaten hätten ihn Mittwochfrüh abgeführt, sagten mehrere seiner Nachbarn. Das elektrische Tor an seinem Hauses in Harare schien mit Gewalt aufgebrochen worden zu sein. Chombo gilt im Rennen um die Nachfolge von Mugabe als Unterstützer von First Lady Grace Mugabe, die Führung der Streitkräfte hingegen lehnt die als prunksüchtig geltende 52-Jährige als Nachfolgerin ab. Aber auch in der Regierungspartei sowie in der Regierung selbst hat "Gucci-Grace" viele Gegner.

Mehrere Explosionen in Hauptstadt
In den Straßen von Harare gab es nach Berichten von Augenzeugen eine ungewöhnlich hohe Militärpräsenz, auch gepanzerte Fahrzeuge waren zu sehen. Nach Medienberichten kam es Mittwochfrüh zu drei lauten Explosionen. Menschenrechtsaktivisten und Mitarbeitern zufolge besetzte das Militär den staatlichen Fernsehsender ZBC.

Später sind nach Angaben eines Augenzeugen in der Nähe des Wohnsitzes von Mugabe Schüsse gefallen. "Aus Richtung seines Hauses haben wir rund 30 oder 40 Schüsse gehört, die kurz nach 2 Uhr früh innerhalb von drei oder vier Minuten abgegeben wurden", sagte ein Anrainer in der Nacht auf Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP.

Militär besetzt Waffendepot der Polizei
Das Militär hat nach eigenen Angaben auch ein Waffendepot der paramilitärischen Polizei in der Hauptstadt besetzt. Die Polizisten dort seien entwaffnet worden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Armeekreisen. Soldaten kontrollieren alle Zufahrten zum Gelände, heißt es.

Machtkampf zwischen Präsident und Armeechef
Langzeitpräsident Mugabe liefert sich derzeit einen Machtkampf mit Armeechef Constantino Chiwenga. Die Regierungspartei Zanu-PF hatte Chiwenga am Dienstag "verräterisches Verhalten" vorgeworfen, nachdem dieser Mugabe wegen der Entlassung von Vizepräsident Emmerson Mnangagwa kritisiert hatte. Chiwengas Haltung ziele darauf ab, "den Landesfrieden zu stören" und "einen Aufstand anzustacheln", erklärte ein Parteisprecher.

Chiwenga hatte am Montag gesagt, "wenn es um unsere Revolution geht, wird das Militär nicht zögern, einzugreifen". Die Regierungspartei ZANU-PF sprach daraufhin am Dienstag von Verrat und Anstachelung zur gewaltsamen Auflehnung gegen die verfassungsrechtliche Ordnung. Bereits am Dienstag waren gepanzerte Fahrzeuge auf den Hauptstraßen außerhalb der Hauptstadt beobachtet worden. Die Armee war in den vergangenen Jahrzehnten immer eine wichtige Stütze Mugabes, der das Land seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1980 bereits seit 37 Jahre mit harter Hand regiert. Trotz seines hohen Alters weigerte er sich bisher, einen Nachfolger zu benennen.

US-Botschaft mahnt zur Vorsicht
Die US-Botschaft reagierte bereits auf die brisante Situation und teilte auf Twitter mit, das Botschaftsgebäude in Harare aus Sicherheitsgründen vorübergehend zu schließen. Das Personal sei zudem aufgefordert worden, zu Hause zu bleiben, erklärte die diplomatische Vertretung.

"US-Bürgern in Simbabwe wird geraten, bis auf Weiteres zu Hause Schutz zu suchen", hieß es weiter. Die niederländische Botschaft wurde wegen der unklaren Situation vorläufig geschlossen, die britische Regierung rief zur Wachsamkeit auf.

Angesichts der Vorgänge in Simbabwe fordert das heimische Außenministerium österreichische Staatsbürger auf, die Lage vor Ort, unter anderem durch die örtlichen Medien, genau zu beobachten und sich von größeren Menschenansammlungen fernzuhalten. Die Vorgänge sollten auch nicht über die sozialen Medien kommentiert werden, hieß es am Mittwoch auf der Homepage des Ministeriums.

Eines der ärmsten Länder der Welt
Simbabwe mit seinen rund 16 Millionen Einwohnern gehört einem UN-Index zufolge zu den ärmsten Staaten der Welt. Mugabe hat die einstige Kornkammer des südlichen Afrika heruntergewirtschaftet, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 90 Prozent. Das Land hat sich bislang noch nicht von einer schweren Wirtschaftskrise erholt, in Folge derer es 2008 zu einer Hyperinflation und dem Verfall der Landeswährung kam. Derzeit liegt die Inflationsrate liegt bei rund 50 Prozent im Monat.

Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt der Weltbank zufolge bei 60 Jahren (zum Vergleich: in Österreich liegt sie bei mehr als 81 Jahren). Schätzungen zufolge haben rund 80 Prozent der Simbabwer keinen regulären Arbeitsplatz. Not und Repression - Mugabe hat Pressefreiheit und Opposition nach Kräften unterdrückt - haben geschätzte drei Millionen Bürger ins Ausland getrieben.

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