Experte analysiert:

Schütze “nach außen mächtig, dahinter unsicher”

Österreich
10.11.2017 15:29

"Er ist eine Person, die sich nach außen als mächtig darstellt, aber dahinter ist er unsicher." Das erklärte der Fallanalytiker des Bundeskriminalamtes, Werner Schlojer, am Freitagnachmittag in Stiwoll über die Persönlichkeit sowie den Charakter des mutmaßlichen Doppelmörders Friedrich F. Bezüglich des Auslösers für die schreckliche Bluttat geht Schlojer von einer "tiefen Kränkung" aus: "Der mutmaßliche Täter fühlt sich als Opfer."

Den tödlichen Schüssen auf zwei Nachbarn war ein jahrelanger Streit um einen Weg über sein Grundstück vorausgegangen. Schlojer und sein Team gehen nicht von einer "tiefen Tatplanung aus". Der Entschluss des Todesschützen sei "situativ" am Tattag entstanden.

Tathandlung mit Tötung und Verletzung der Nachbarn beendet
Zwar hätten die Opfer den Zeitpunkt sozusagen vorgegeben, weil die Aussprache von Samstag auf Sonntag verschoben worden war, aber er hat alles andere ausgewählt. "Die Langwaffe war da, die Opferauswahl gezielt, und er hat den Ausführungsort gewählt, in seinem Lebensmittelpunkt, seinem Zuhause", nicht vor einem Gericht, wo er auch Auseinandersetzungen geführt hatte.

In der Beurteilung gingen Schlojer und sein Team davon aus, dass mit der Tötung und Verletzung dreier Nachbarn die Tathandlung beendet war. "Dann hat er die Flucht aufgenommen, da sind wir im Bereich der Nach-Tat-Phase", sagte der Analytiker. Die Flucht erfolgte mit eigenem Auto, neun Kilometer weit: "Auf einer Routinestrecke, wo er sich auskennt. Er musste aber damit rechnen, dass sein Fahrzeug bekannt ist, daher der Entschluss, es an einer ihm bekannten Örtlichkeit, einem Waldweg, abzustellen."

"Er ist ein Einzelgänger, im Wald fühlt er sich wohl"
Danach habe er aber einen Entschluss gefasst, der für ihn ein Problem darstelle. Die weitere Flucht erfolgte zu Fuß, der Bewegungskreis war eingeschränkt und man nehme an, dass er keine Vorbereitungen getroffen habe, mit entsprechender Kleidung, Nahrung und ohne Kommunikationsmittel. "Er hat sich in eine schwierigere Lage begeben, aber er hat einen Vorteil: Er wählte ein Gebiet für die Flucht, wo er sich auskennt und sicher fühlt. Er ist ein Einzelgänger, im Wald fühlt er sich wohl, da geht er auch seiner Passion, dem Filmemachen, nach."

Aus seiner Persönlichkeit sei eine narzisstische Akzentuierung und eine Paranoia herauszulesen: "Er ist eine Person, die sich nach außen als mächtig darstellt, aber dahinter ist er unsicher." Er habe sich mit seinem Problemumfeld (etwa Behörden und Gerichte, Anm.) verbal, schriftlich oder aktionistisch auseinandergesetzt. Das stellte offenbar eine Emotionsregulierung dar", urteilte der BK-Mann. "Der mutmaßliche Täter handelt strukturiert, auch im Alltag, pflegt als durchschnittlich intelligenter Einzelgänger keine tiefen Freundschaften und hat ganz wenige emotionale Bezugspersonen."

Fluchthelfer schließe er, Schlojer, aus. Und der Todesschütze ziehe sich eher zurück, aber man könne auch nicht ausschließen, "dass er sozusagen die letzte Kugel für sich aufhebt", sagte der Analytiker.

Ganz allgemein sagte Schlojer, dass das menschliche Verhalten nicht vorhersehbar sei. "Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten, was ist aus dem bisherigen Verhalten ablesbar? Es wäre aber gefährlich, bei einem auf der Flucht befindlichen, bewaffneten Täter zu sagen, es gibt keine Gefahr." Im Moment sei keine konkrete Gefährdung für sein Problemumfeld erkennbar, auch nicht für die Allgemeinheit: "Wenn er Letzteres wollte, hätte er das schon längst tun können."

"Würde nicht ausschließen, dass er sich stellt"
Auf Nachfrage ging der Analytiker nicht davon aus, dass der 66-Jährige Suizid verüben würde. "Ich würde nicht ausschließen, dass er sich stellt, und sich sozusagen erklärt. Die Frage ist, wem er diese Erklärung geben will." Schlojer glaubt auch nicht, dass der Mann bereits tot sei. Polizeisprecher Jürgen Haas sagte dazu auch, dass die Gegend mehrfach abgesucht worden sei: "Und unsere Spürhunde sind verdammt gut ausgebildet."

Falls der Mann gefasst wird oder sich stellt, dann wird der Analytiker das Gespräch mit ihm suchen: "Es geht da auch um Vergleiche, wo lagen wir richtig, wo falsch. Da haben wir starkes Interesse."

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