"Nukleare Option"

Spanien gegen Katalonien: Zeichen stehen auf Sturm

Ausland
28.10.2017 09:08

Madrid - Barcelona. Im Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens von Spanien stehen die Zeichen jetzt endgültig auf Sturm. Während das Parlament in Barcelona den Abspaltungsprozess einleitete, beschloss der Senat in Madrid die Entmachtung der katalanischen Regionalregierung. "Das ist ein außergewöhnlicher Schritt", erklärte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy dazu. "Aber wir haben keine andere Wahl. Die Separatisten verhöhnen die Demokratie."

Mit dem "außergewöhnlichen Schritt" meint Rajoy die Aktivierung des Artikels 155 aus der spanischen Verfassung, die vom Senat in Madrid mit großer Mehrheit (214 zu 47 Stimmen) abgesegnet worden ist. Der Artikel 155 erlaubt es der Zentralregierung, eine Regionalregierung (Spanien besteht aus 17 autonomen Regionen) zu entlassen und deren Geschäfte zu übernehmen, wenn diese sich nicht an die Verfassung hält bzw. gegen die Interessen Spaniens agieren sollte.

"Nukleare Option", "katalanischer Maidan", "Rebellion", "Krieg"
Dieser wegen seiner Brisanz "nukleare Option" getaufte Artikel kommt damit in Spanien erstmals zur Anwendung. Rajoy setzte den katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont und dessen Minister bereits am Samstagvormittag offiziell ab. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sogar gedroht, Puigdemont wegen "Rebellion" zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Auf "Rebellion" stehen bis zu 30 Jahre Gefängnis.

Ob das angesichts des mit knapper Mehrheit im katalanischen Parlament gefällten Beschlusses zur Loslösung von Spanien passieren wird, ist noch unklar. Nach der Auflösung der Regionalregierung wurde eine Neuwahl für den 21. Dezember angesetzt.

Der Schlagabtausch um die Unabhängigkeit Kataloniens lässt die Emotionen nach wochenlanger Eskalation jedenfalls auf ungeahnte Temperaturen hochkochen. Separatistische Abgeordnete im Regionalparlament erklärten am Freitagabend wütend: "Das ist eine Kriegserklärung!" und "Wir steuern auf einen Krieg zu!"

"Es wird wohl leider Unruhen geben"
Es gilt als sicher, dass Madrid zumindest bei der angekündigten Übernahme der Kontrolle über regionale Ministerien und Behörden auf eisernen Widerstand seitens der meisten der rund 110.000 Beamten der Regionalregierung stoßen wird. Es könnte aber auch sein, dass es nicht beim relativ friedlichen Widerstand bleibt. Sprecher von Puigdemonts Partei sagen: "Es wird wohl leider Unruhen geben."

Eine Darstellung des Real Instituto Elcano lässt erschaudern. Die von Regierungen und Unternehmen unabhängige renommierte spanische Denkfabrik warnt vor einem "katalanischen Maidan" - in Anspielung auf den blutigen Ukraine-Konflikt mit Hunderten Toten vor wenigen Jahren. "Die Möglichkeit von weiteren Mobilisierungen kann nicht ausgeschlossen werden", heißt es da.

"Sie werden nicht stillhalten"
Der stellvertretende Direktor der in Barcelona erscheinenden liberalen Zeitung "La Vanguardia" kommentiert: "Die Unabhängigkeitsbefürworter sind jetzt nach den vielen Demos der Straßen etwas müde. Aber wenn sie den Eindruck gewinnen sollten, dass so etwas wie eine Besatzungsmacht in Katalonien einmarschiert, werden sie nicht stillhalten."

Während Madrider Journalisten und Politiker voller Empörung von einem "Putsch" sprachen, Rajoy "alle Katalanen" zur Ruhe aufrief und die Sozialisten - die stärkste Oppositionskraft im Madrider Parlament - die Zentralregierung zur "Vorsicht" in Katalonien mahnte, skandierten rund 15.000 Demonstranten vor dem Parlament in Barcelona "Freiheit, Freiheit, Freiheit!". Unzählige "Esteladas", die Flaggen der Separatisten-Bewegung, wurden geschwenkt. Böller explodierten ohrenbetäubend.

Kronen Zeitung/krone.at

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