"Kein Opferlamm"

Kern vs. Kurz: Heftigste Attacken bei Kanzlerduell

Österreich
08.10.2017 21:53

Eine Woche vor der Nationalratswahl sind im Privatsender Puls4 die beiden Spitzenkandidaten von SPÖ und ÖVP, Christian Kern und Sebastian Kurz, zum ersten Polit-Duell aufeinandergetroffen. Nach den jüngsten Entwicklungen rund um die Silberstein-Affäre, die beide Koalitionspartner nicht ohne Kratzer gelassen hatte, wurde die Konfrontation der beiden Kanzlerkandidaten mit Spannung erwartet. Und die beiden schenkten einander - bis auf die obligatorischen Mitbringsel zu Beginn der Sendung - wirklich nichts. Es flogen wahrlich die Fetzen.

Bereits am Sonntagvormittag hatten Kern und Kurz TV-Auftritte zu absolvieren. In der ORF-"Pressestunde" wurden sie aber getrennt voneinander befragt.

Zu Beginn des Puls4-Duells wurden wie schon in den vorigen Paarungen Geschenke verteilt. Kurz überreichte Kern ein Buch von Ex-US-Präsident John F. Kennedy, der in den USA für Aufbruch stand. Der Kanzler wiederum brachte seinem derzeit in den Umfragen vorne liegenden Konkurrenten ein Candle-Light-Dinner-Gutschein mit, um nach dem intensiven Wahlkampf mit seiner Freundin "ein wenig zu entspannen". "Die Rechnung zahle ich", gab sich der Kanzler generös.

Kurz: "Sie stellen das so dar, als ob alle ein bisserl schuld wären"
Als erster inhaltlicher Tagesordnungspunkt kam die Silberstein-Affäre aufs Tapet. Während Kern klarstellte, dass seine Partei all die Skandale untersuche und auch schon die richtigen Konsequenzen gezogen hat (Rücktritt von Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler und Suspendierung eines Mitarbeiters im Wahlkampfteam, Anm. d. Red.) und man sich den eigentlichen Themen widmen sollte, pochte Kurz vehement darauf, dass der Sachverhalt "ganz einfach" sei: Die SPÖ habe den Politstrategen Silberstein engagiert, bezahlt und habe sehr wohl gewusst, was sie dafür bekäme. "Es ist problematisch, das so darzustellen, als seien alle ein bisserl schuld", so der ÖVP-Spitzenkandidat.

Kern: "Ziehen Sie nicht permanent Nebelwände auf"
Der SPÖ-Kontrahent reagierte sichtlich verärgert und forderte Kurz mehrmals auf, nicht permanent "Nebelwände" aufzuziehen, zumal seine Partei ebenfalls "Dirty Campaigning" betrieben habe, ein Klage gegen einen Pressesprecher des Außenministers wegen Betriebsspionage laufe und das Team rund um Kurz seit 15 Monaten an der "Zerstörung der Regierung" gearbeitet habe. "Tun Sie nicht so, als ob Sie das Opferlamm seien. Zeigen Sie nicht mit dem Finger auf andere." In einem waren sich die beiden in der Causa einig: "Dirty Campaigning" sollte ebenfalls als Straftatbestand gelten.

Migration: Lösungen vs. Schlagzeilen
Der Themenwechsel zur Migration kam gerade zur richtigen Zeit, denn gleich die erste Runde war sehr emotional. Beide Politiker zeigten sich von ihrer sehr angriffigen Seite. Aber auch die zweite Runde ging in dieser Tonart weiter: Der SPÖ-Spitzenkandidat warf seinem Gegenüber bei der Flüchtlingspolitik vor, nur "an Schlagzeilen interessiert" zu sein. Er wiederum stehe für Lösungen, so Kern. "Vieles im Europäischen Rat ist beschlossen worden, weil ich vorher Druck gemacht habe", lautete die Replik des ÖVP-Außenministers und führte die Schließung der Balkanroute als Beispiel an. Dies stellte Kern vehement in Abrede: Die Balkanroute sei überhaupt nicht geschlossen. Ohne den Türkei-Deal wäre nämlich die Balkanroute "ein Nudelsieb". "Wenn man immer nur im Mainstream schwimmt, kann man eine europäische Linie nicht ändert", meinte Kurz dazu.

Auch beim Thema Integration gab es Angriffe des Kanzlers in Richtung Kurz, der auch Integrationsminister ist. Kern zeigte sich überrascht, dass Kurz so kritisch gegenüber der Integrationspolitik ist, obwohl dieser dafür selbst zuständig sei. "Nicht einfach, wenn ganz gleich, was man vorschlägt, irgendein Minister in der SPÖ sagt: 'Das soll nicht sein, darf nicht sein'", antwortete Kurz darauf.

Wie viele Islam-Kindergärten wurden geschlossen?'
Beim Streit um die Schließung von problematischen Islam-Kindergärten gingen die Meinungen auseinander. Während Kurz die viel kritisierte Studie, die in seinem Ministerium umgeschrieben worden sein soll, verteidigte und behauptete, nach wie vor sei kein Kindergarten geschlossen worden, widersprach Kern: "50 wurden letztes Jahr von der Stadt Wien geschlossen."

Beim Thema Steuerentlastungen fiel das Wort "falsch" mehrmals. So kommentierte Kern die Rechnungen seines ÖVP-Kontrahenten, als dieser aufzählte, wer durch das schwarze Modell entlastet würde: kleine und mittlere Einkommen und Alleinerzieherinnen. Auch hier sah Kern lediglich "Tarnen und Täuschen" bei der Gegenfinanzierung. Zudem warnte er davor, dass die ÖVP am Pensionsantrittsalter Änderungen vornehmen möchte. Kurz ließ das nicht gelten und wies auf das Wahlprogramm hin, wo eindeutig stünde, dass das "Pensionsantrittsalter so bleiben soll, wie es ist".

Kern über Großspender: "Ich will nicht, das Politik käuflich ist"
Über die Frage, wer welche Einkommensstufen entlasten will, kamen die beiden auch auf das Thema Großspender im Wahlkampf zu reden. Diese Debatte mündete darin, dass Kern auf eine Unterlassungsklage hinwies, die die SPÖ gewonnen hatte. Darin ging es um die Behauptung von Kurz, Ex-Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner habe den Wahlkampf der Sozialdemokraten mit 100.000 Euro unterstützt. Kern stellte zum wiederholten Male klar, dass die SPÖ keine Spenden von Konzernen nehme, da er nicht wolle, dass "Politik käuflich" ist. Kurz deutete in diesem Zusammenhang an, dass es ein zweites Verfahren gegeben hätte, das sehr wohl die ÖVP gewonnen habe. Dabei sei es um die Behauptung gegangen, die SPÖ würde über "dubiose Vereinskonstruktionen" sehr wohl Großspenden lukrieren.

OGM-Umfrage: Kurz mit souveränerem Auftritt
Laut einer Live-Umfrage des OGM-Instituts sahen 47 Prozent Kurz als überzeugender, 38 Prozent fanden, dass Kern einen besseren Auftritt hatte. OGM-Chef Wolfgang Bachmayer attestierte in der Puls4-Analyse dem Kanzler einen aggressiven und genervten Auftritt, Kurz hingegen sei ruhig geblieben. Wiens ÖVP-Klubobmann Manfred Juraczka sah einen klaren Sieg seines Parteichefs, wie er auf Twitter mitteilte.

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