Anstieg um 64%

D: Schon mehr als 1800 gewaltbereite Islamisten

Ausland
05.10.2017 11:34

Die Zahl gewaltbereiter Islamisten in Deutschland nimmt nach Angaben des Bundesverfassungsschutzes weiter zu. Mittlerweile würden mehr als 1800 Menschen zum islamistisch-terroristischen Personenpotenzial gezählt, sagte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen am Donnerstag bei einer öffentlichen Anhörung des Geheimdienstausschusses des Bundestags in Berlin. In Sorge ist man in Deutschland auch angesichts der wachsenden Radikalisierung von Grundschülern.

Wie schnell die Zahl der als gewaltbereit eingestuften Islamisten zunimmt, macht ein einfacher Vergleich deutlich: Noch im August des Vorjahres hatte der Verfassungsschutz "nur" rund 1100 Menschen zum islamistisch-terroristischen Personenpotenzial gezählt. Binnen eines Jahres wurde somit ein Anstieg um 700 Personen bzw. um 64 Prozent verzeichnet.

Die aktuelle Zahl der Salafisten liege demnach bei etwa 10.300. Der Salafismus ist seit Jahren die am stärksten wachsende islamistische Bewegung in Deutschland. Er ist eine fundamentalistische Strömung des Islam und für junge Muslime häufig eine Zwischenstation auf dem Weg in den Dschihad.

Geheimdienstausschuss tagte erstmals öffentlich
Die öffentliche Anhörung der Chefs der Geheimdienste Bundesverfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst ist eine Premiere. Sie ist Teil der Reform der parlamentarischen Kontrolle der Dienste und soll künftig einmal im Jahr stattfinden. Der Geheimdienstausschuss des Bundestags, das sogenannte Parlamentarische Kontrollgremium, tagt sonst stets geheim.

Lehrer melden immer öfter Radikalisierungstendenzen bei Schülern
Die steigende Zahl gewaltbereiter Islamisten ist umso alarmierender, wenn man sie mit einer anderen, aktuell problematischen Entwicklung in Zusammenhang bringt: der Radikalisierung von Grundschülern. So war erst am Mittwoch darüber berichtet worden, dass sich bei der Radikalisierungs-Hotline des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vermehrt Lehrer und Schulpsychologen melden würden, denen Grundschulkinder mit islamistischen Tendenzen auffallen.

Diese "Kinder des Salafismus" seien ein neues Phänomen, das im Lauf der vergangenen Monate häufiger aufgetaucht sei, sagte Florian Endres von der Beratungsstelle Radikalisierung in Nürnberg gegenüber der "Welt". "Die meisten Kinder haben ihre Sozialisation aus einem salafistischen Umfeld - sprich: Die Eltern selbst sind bereits radikalisiert." Auch wenn es bislang noch Einzelfälle seien, beobachte man dieses Phänomen derzeit genau.

Den betroffenen Kindern zu helfen, sei laut Endres ein "schwieriges Unterfangen". Sobald das Wohl der Kinder in Gefahr sei, müssten andere Behörden wie etwa Jugendämter eingeschaltet werden. Solche Fälle gebe es demnach nicht nur in Migrantenfamilien, sondern auch in manchen deutschen - etwa wenn Mutter und Vater zum Islam konvertiert seien.

Durchschnittsalter der Radikalisierten deutlich gesunken
In Sorge ist man in Deutschland auch deshalb, weil das Durchschnittsalter der betroffenen jungen Leute in den vergangenen Jahren gesunken ist. Zum Start der Hotline 2012 seien die Betroffenen im Schnitt um die 20 Jahre alt gewesen, heute seien sie knapp 18 Jahre alt, so Endres, der überzeugt ist: Der Salafismus werde immer mehr zu einem Phänomen der Jugendsubkultur.

Auch Radikalisierung von Mädchen nimmt zu
Häufig radikalisierten sich mittlerweile zudem Mädchen. "Die Quote der Frauen und Mädchen hat sich im Lauf der Zeit nach oben entwickelt", so Endres. Von anfangs zehn bis 15 Prozent liege der Frauenanteil seit etwa drei Jahren konstant bei rund 30 Prozent. Ein Grund sei, dass die salafistische Szene Frauen nun gezielter anspreche. "Die Propaganda wurde speziell auf sie zugeschnitten", sagte Endres. Die dschihadistischen Kämpfer würden als Helden verklärt und "romantisiert" dargestellt. "In der Vorstellung vieler Mädchen aus diesem Milieu ist es das Allergrößte, einen Mudschaheddin zu heiraten", sagte Endres.

Wie wenig "romantisch" die Realität als Frau eines islamistischen Kämpfers dann ist, muss derzeit die deutsche Teenagerin Linda W. im Irak am eigenen Leib erfahren. Die 16-jährige aus Sachsen war in Deutschland zum Islam konvertiert und dann als Anhängerin des Islamischen Staats über die Türkei in den Irak gereist, wo sie in Mossul Mitglied der dortigen Scharia-Polizei der Terrormiliz Islamischer Staat gewesen sein soll. Im vergangenen Sommer wurde sie von irakischen Truppen bei der Befreiung der Stadt festgenommen. Dem Mädchen droht jetzt die Todesstrafe.

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