Filzmaier analysiert

Warum der Wahlkampf so schmutzig ist

Österreich
30.09.2017 16:57

Kennen Sie ein Lieblingswort der Parteistrategen im Wahlkampf? Es lautet Schmutzkübel. Es geht um falsche Videos, Datenklau und Unterstellungen verbotener Finanzpraktiken. Nur man selbst, so die Parteien, würde sich nicht an der Schlammschlacht beteiligen. Ja, und die Erde ist eine Scheibe. Doch warum gibt es Negativkampagnen?

Für Wirtschaftsunternehmen gilt sogar unter harten Konkurrenten als goldene Regel, auf den guten Ruf der gesamten Branche zu achten. Rein theoretisch sollten Parteien also auf wechselweise Beschimpfungen verzichten, weil es das Image der Politik ruiniert und allen schadet. Laut Studien haben Parteien und Politiker die schlechtesten Vertrauenswerte.

Die Wahlkampfmanager hören dennoch mit den negativen Tönen nicht auf, weil sie hoffen, dass es dem jeweils anderen mehr schadet. Ist das richtig? Indirekt ja. Wenn die SPÖ Sebastian Kurz in Videos verächtlich darstellt, die ÖVP bei Christian Kern ungesetzliche Wahlgelder vermutet und die FPÖ auf Plakaten beide schlechtmacht, so werden dadurch nicht für die eigene Partei Wählerstimmen gewonnen. Doch wenn als Demobilisierungseffekt Anhänger der Gegenseite am Wahltag lieber zu Hause bleiben, ist das irgendwie auch ein Gewinn.

Für Grüne, NEOS, Peter Pilz und deren Aktivisten ist Negativität auf Facebook, Twitter & Co. ebenfalls hilfreich. Selbst wenn es unmittelbar keine Stimmen bringt, so ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass dadurch mehr Aufmerksamkeit und ein höherer Erinnerungswert erreicht wird. Für Kleinparteien, die gerade gegen Ende der Fernsehkonfrontationen im Dreikampf von SPÖ, ÖVP und FPÖ unterzugehen drohen, ist das Gold wert. Also fallen manchmal die Hemmungen.

Allerdings sind die Spitzenkandidaten oft über allzu wilde Ausritte ihrer Parteigänger gar nicht glücklich. Man selbst will staatstragend auftreten und damit nicht in Verbindung gebracht werden. Sonst hätte man ja als Schlammballwerfer selbst schmutzige Hände. Hinzu kommt, dass besonders üble Anflegelungen oft auf der "falschen" Seite wirken. Unentschlossene Wähler solidarisieren sich mit dem Beschimpften.

Böses Geschimpfe wirkt eher abschreckend
Dazu ein Beispiel: Wenn Sie nicht wissen, wem Sie Ihre Stimme geben, und ein Kandidat würde seinem Gegenüber unter der Gürtellinie die ordinärsten Kraftausdrücke an den Kopf werfen, fänden Sie das gut? Eben. Gemäßigte Wechselwähler und sogar Stammwähler sind da eher abgeschreckt. Daher geschieht das besonders böse Geschimpfe oft von scheinbar unbeteiligten Dritten oder halb anonym im Internet.

Doch allen Wahlkämpfern sei gesagt: Entgegen vielen Legenden werden Wahlen nicht durch Schmutzkübel entschieden.

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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