Spindoktoren

Masterminds der Parteien entscheiden den Wahlkampf

Österreich
27.09.2017 10:19

Slogans brennen sich ein, ihre Worte flammen in den Mündern der Kandidaten auf - die Masterminds der Parteien. Sie sind Vordenker von Sebastian Kurz, Christian Kern, Heinz-Christian Strache & Co. und werden diesen Wahlkampf entscheiden!

Verschränkte Arme, konzentrierter Blick, meist irgendwo im Hintergrund auf den Fotos: ÖVP-Generalsekretär Stefan Steiner ist der Mann, der Sebastian Kurz im Wahlkampf antreibt - zusammen mit Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann. Bei der SPÖ hat nach der Affäre um Tal Silberstein Thomas Drozda die Führungsrolle in Sachen Taktik und Slogans übernommen und steht Kanzler Christian Kern zur Seite.

Der bekannteste Spindoktor in Österreich ist aber ein anderer: FPÖ-Vordenker Herbert Kickl. "Was man über mich wissen muss?", antwortet Kickl auf die allererste Frage bei unserem Besuch in seinem Büro in der Wiener Reichsratstraße, wo wir uns ein Bild davon machen wollen, wie der Wahlkampf für ein Mastermind läuft. "Ich bin einen sehr untypischen Weg für einen FPÖ-Politiker gegangen", erzählt der Kärntner. Er kam als "Externer" nach seinem Geschichte- und Philosophiestudium zur Partei.

Klare Entscheidung: Strache statt Haider
Seit Ende 1994 hat Kickl alles mitgemacht: "Viele Jahre habe ich in Klagenfurt für Jörg Haider den Wahlkampf geleitet." Doch dann kam es zur Spaltung: "Mir war gleich klar, dass ich mich für Strache entscheiden würde." Weil ihm Haider zu wankelmütig gewesen sei.

Vier Tage nach der Nationalratswahl feiert Kickl seinen 49. Geburtstag: "Ich bin topfit. Das ist nötig für einen Wahlkampf, den man mit einem Marathon sehr gut vergleichen kann." Apropos Sport: In der Jugend waren es Fußball und Judo, jetzt sind es Klettern, Bergsteigen und Extremsport: "Mehrmals hab ich den Ironman gemacht. Irgendwann ist es mir zu kommerziell geworden. Jetzt wage ich mich auf Extremtriathlons."

Der Morgenmensch Kickl, der einen Sohn hat, läuft vor allem in den frühen Stunden des Tages "heiß": "Da geht richtig viel weiter. Bei den späten Terminen, wie etwa den TV-Konfrontationen, muss ich schon gegen die Müdigkeit ankämpfen." Mit der Wahlkampf-Droge Nummer eins: "Kaffee, viel zu viel Kaffee. Ich zähle gar nicht mehr mit, wie viele ich pro Tag trinke. Und die Ernährung ist im Wahlkampf auch alles andere als gesund. Eine Extremleistung der anderen Art. Danach muss man den Körper wieder richtig aufmöbeln." Um 6 Uhr früh ist stets Tagwache, die Tage gehen meist bis nach Mitternacht. Kickl - ständig an Straches Seite? "Viel seltener als die Leute denken. Etwa die Hälfte der Wahlkampfzeit stecken wir zusammen. Und auch nicht alle Reden des Heinz-Christian stammen von mir, das wäre viel zu viel. Nur die wichtigsten Ansprachen nehme ich mir vor."

"Dirty Campaigning" via Social Media
Für den Wahlkampf hat Kickl ein "Nationalteam" innerhalb der Partei rekrutiert - "alles Top-Leute aus den verschiedensten Abteilungen". "Dirty Campaigning"? "Ja, das wird auch in Österreich stärker. Vor allem auf Social Media." Welche Stärken braucht es im Wahlkampf? "Ich höre den Leuten zu, habe so ein Sensorium bekommen, welche Themen angesagt sind. Themen kann man nicht selbst erfinden, sie müssen da sein."

Max Mahdalik, Kronen Zeitung/krone.at

Filzmaier analysiert: Die Denker im Hintergrund
Jede Partei benötigt einen Plan. Wer bloß Tag für Tag überlegt, was man heute oder morgen sagt, der verliert den Wahlkampf sicher. Entscheidend ist die Langzeitstrategie, welche Themen im Mittelpunkt stehen. Oder was für ein Image der Spitzenkandidat haben soll. Hinzu kommt das "Timing", was wann zu tun ist. Also braucht es Denker und Lenker im Hintergrund, ob man sie nun - weil sie den richtigen Dreh raushaben - Spindoktoren oder Masterminds nennt.

Doch soll so ein Parteistratege selbst politisch tätig sein? Das ist mehr eine österreichische Besonderheit. Klar ist es für Parteien gut, wenn er ihre Sicht der Dinge verbreitet. Doch ist ja der Spitzenkandidat die Hauptbotschaft an die Wähler. Das Mastermind schreibt ihm - als Vorschlag - sozusagen auf, wie er sich geben soll. Die Herren Kickl und Co. können ganz anders sein als ihre Chefs. Vom Aussehen her oder beim Redestil und den Charaktereigenschaften. Wenn sie nun das kommunizieren, was eigentlich zum Parteichef passt, ist das womöglich nicht stimmig.

In den USA kommen Strategen überhaupt von außerhalb der Partei. Der Vorteil dabei: Sie bekommen für ihre Arbeit viel Geld, haben jedoch sonst keine Eigeninteressen. Bei uns kommt jeder Wahlkampfmanager für Funktionen bis zum Minister infrage. Das führt zur Schere im Kopf, ob eine gute Idee mehr der Gesamtpartei hilft oder der eigenen Politkarriere.

Viele heimische Masterminds fahren übrigens regelmäßig nach Washington oder sonst wohin in Amerika. Dort finden die professionellsten und intensivsten Wahlkämpfe statt. Daher wird versucht, eine Art "Shopping" zu betreiben, welche Neuerfindungen von Videoclips bis zur zielgerichteten Wähleransprache im Internet es gibt.

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