Das große Interview

Die Flucht hat viele Identitäten

Tirol
27.08.2017 13:46

Major Christoph Kirchmair ist der polizeiliche Einsatzleiter bei den derzeitigen Flüchtlings- Schwerpunktkontrollen auf Güterzügen. Der "Tiroler Krone" schildert er seine Erfahrungen.

Herr Kirchmair, wie läuft der Einsatz mit dem heimischen Bundesheer?
Der gesamte Einsatz ist sehr gut vorbereitet. Eine zentrale Aufgabe der Soldaten ist es, entsprechende Beobachtungszonen im Hinterland abzudecken. Sie stehen dabei in direktem Kontakt mit der Polizei. Im Aufgriffsfall wird eine Streife hinzugezogen, die dann die weitere Amtshandlung übernimmt. Dazu zählen etwa die Personenkontrollen oder Durchsuchungen. Von den Soldaten unterstützt werden wir auch bei Schwerpunktaktionen, wie etwa bei den Güterzugkontrollen.

Apropos: Zuletzt wagten wieder mehr Flüchtlinge die gefährliche Fahrt auf Güterzügen. Sie sind bei den Kontrollen als Einsatzleiter dabei. Was sind ihre Erfahrungen?
Es ist die Aufgabe der Polizei, dass keine illegalen Migranten einreisen oder durchreisen. Die andere Seite ist, dass wir bei den Güterzugkontrollen freilich auch das Wohl der Menschen im Auge haben. Immerhin reisen sie unter Bedingungen, die unter Umständen auch lebensgefährlich sind. Wenn sich einer auf einem Waggon versteckt, besteht die Gefahr, dass er hinunterfällt und überrollt wird oder je nach Wetterlage erfriert oder bewegungsunfähig wird - und so nicht mehr auf sich aufmerksam machen kann.

Großteil hat keinen Pass dabei

Wo steigen die Flüchtlinge auf die Güterzüge auf?
Komplett unterschiedlich. Klassische Bahnhöfe sind etwa jene in Verona, Triest, Bozen und am Brenner. Es gibt aber auch Fälle, wo illegale Migranten entlang der Strecke aufsteigen - etwa dann, wenn ein Güterzug ein Haltesignal abwarten muss. Wenn man sich nur ein bisschen informiert, dann weiß man, wo diese Stellen sind.

Was passiert in der Regel nach einem Aufgriff?
Zunächst werden die illegalen Migranten von uns erkennungsdienstlich behandelt. Dann erfolgt über das polizeiliche System die Abfrage, ob sie bereits woanders registriert worden sind. Die meisten haben keine Pässe dabei. Wir befragen die Personen auch, ob sie die Flucht selber organisiert haben oder ob Schlepper dahinterstecken. Hier liegt es in der Natur der Sache, dass viele diesbezüglich nicht sehr gesprächig sind. Letztlich entscheidet die Behörde, was mit den aufgegriffenen Fremden passiert. Im Regelfall kommen sie nach Italien zurück. Die meisten wollen nicht hier um Asyl ansuchen, weil sie weiter in Richtung Norden wollen.

Wer keinen Pass hat, der kann die Polizei zwecks Identität hinters Licht führen...
Wir haben ja keine andere Möglichkeit. Wir nehmen die Daten auf, die uns die illegalen Migranten bekannt geben. Das Wichtigste für uns ist, dass wir im Zuge dieser Amtshandlung Fingerabdrücke nehmen. Da kommt es dann entweder vor, dass ein Fremder neu erfasst wird, dass er schon irgendwo anders registriert wurde, oder eben dass er schon mit verschiedenen Alias-Namen im System abgespeichert ist.

Viele Illegale sind "ausgemergelt"

Wie geht es den Illegalen, die auf Güterzügen erwischt worden sind ?
Es gibt welche, die sind von der Flucht sichtlich gezeichnet. Die sind ausgemergelt, haben Durst und Hunger. Wenn nötig, werden sie von uns medizinisch versorgt. Dann gibt es wieder welche, die unter besseren Bedingungen gereist sind. In der Vorwoche wurden etwa in Bayern illegale Migranten auf einem vom Brenner kommenden Güterzug aufgegriffen, die zuvor die Plane eines Lkw-Aufliegers aufgeschnitten und die Fahrt letztendlich im Frachtraum verbracht haben.

Sind die Illegalen in der Regel alleine unterwegs oder in Gruppen? Und was haben die Menschen bei sich?
Meist sind sie in Kleingruppen, bestehend aus zwei bis fünf Personen, unterwegs. Am Güterzug sind es außerdem fast ausschließlich junge Männer. Dabei haben sie meist nur das, was sie anhaben, zum Teil geringere Bargeldbeträge und eine zweite Kleidungsgarnitur. Smartphones haben sie fast alle.

Untereinander erfolgt Informations-Austausch

Sind die Flüchtlinge untereinander vernetzt?
Jene, die es geschafft haben - oder eben auch nicht - sind ja nicht aus der Welt. Viele sind untereinander vernetzt und geben Informationen, wie etwa zur Fluchtroute, weiter. Nicht immer braucht es einen Schlepper.

Abschließende Frage: Wie froh sind Sie über die Unterstützung des Heeres?
Für uns ist die Unterstützung eine wertvolle Ressource. Die Polizei wird dadurch entlastet und die Kontrolldichte kann noch einmal erhöht werden.

Interview: Hubert Rauth, Kronen Zeitung

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