Finanzprozess.

Heute Tag der Entscheidung

Salzburg
26.07.2017 09:32

Es geht dem Finale zu, da sind sich zumindest mehrere Verteidiger sicher. Obwohl Richterin Anna-Sophia Geisselhofer sich nicht in die Karten schauen lässt. Über die letzten Anträge muss der Schöffensenat heute noch entscheiden, werden sie abgeschmettert, sind die acht Verteidiger mit ihren Plädoyers dran.

Am Tag 17 im Prozess rund um die Übertragung der Swaps mit negativen Barwerten von der Stadt ans Land kämpften die Verteidiger der Angeklagten aus der Stadt noch mit harten Bandagen. Bürgermeister Heinz Schadens Anwalt Walter Müller legte gleich einen fünfseitigen Antrag vor, in dem er die Richterin attackierte: "Das Schöffengericht soll offen legen, über welche Lebenserfahrung die vorsitzende Richterin, ihr Beisitzer und die Schöffen in Sachen Kapitalmarktwesen und Derivate verfügen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass die Vorsitzende über keine Erfahrung in diesem Bereich verfügt."

Verteidiger griff die Richterin wegen Fachwissen an

Und weiter: Geisselhofer sei erst seit 2010 Richterin am Landesgericht, ihr Beisitzer erst seit 2016. Sie hätten keine Spezialausbildung in Wirtschaftsstrafrecht: "Es ist daher unmöglich ohne Beiziehung eines Sachverständigen alles aufzuklären. Der einzige Grund, warum sich das Schöffengericht weigert, einen weiteren Gutachter zu beauftragen, ist der Umstand, dass die Richterin ab Mitte September für mehrere Monate berufsbedingt nach Den Haag wechselt", sagte Müller.

Rückblick: Geisselhofer warf am vergangenen Freitag den Gutachter der Staatsanwaltschaft Christian Imo aus dem Verfahren, der einen Schaden durch die negativen Barwerte (momentane Bewertung eines Zinstauschgeschäftes während der Laufzeit) von zuerst 4,9 Millionen Euro aus den Swaps errechnet hatte, sich aber um 164.000 Euro nach einem Rechenfehler nach unten korrigieren musste. Das gelang der Verteidigung mit dem Privatsachverständigen Uwe Wystup.

Letzte Anträge vor Entscheidung, Urteil am Freitag?

Geisselhofer zog die Reißleine und verkündete, dass sich das Schöffengericht sehr wohl selbst ein Bild des finanziellen Schadens machen kann. Sie ließ aber durchblicken, dass der Schaden nicht unter der für das Urteil wegen Untreue bzw. wegen Beteiligung zur Untreue (das wird den sieben Angeklagten vorgeworfen) relevanten Grenze von 300.000 Euro liegt. Das kommt mitunter davon, dass zwei der Swaps einen Tag vor der Übertragung am 11. September 2007 vom Land aufgelöst wurden, weil sie nach Meinung der Finanzbeamtin Monika Rathgeber hoffnungslos waren. 690.000 Euro Cash flossen dabei an die Hypo Salzburg.

Die Barwerte zählen nicht, sagten die Verteidiger und überfluteten das Gericht mit Anträgen: Die Bewertungen der damals beauftragten Deutschen Bank und Barclays, die auf ein Minus von fünf Millionen Euro kamen, können nicht stimmen. Magistratsdirektor-Anwalt Stefan Eder legte Urteile vor, in denen die Deutsche Bank Kurse manipuliert und deshalb Prozesse verloren habe. Dazu ortete er noch Befangenheit von damals beteiligten Bankern: "Würde man unabhängig rechnen, käme man sogar auf ein Plus."

Josef Gallauner, der den jetzigen Stadt-Finanzdirektor vertritt, beantragte die Zeugenladung von Landesvize Christian Stöckl und Landesamtdirektor Sebastian Huber: "Zum Beweis dafür, dass in Summe 14 Banken bis 2016 rund 105 Millionen Euro an das Land außergerichtlich wegen fehlender Vertretungsmacht und fehlender Beratung zurückbezahlt haben." Das sei als Schadenersatz und Wiedergutmachung zu werten - auch durch die Hypo.

Dazu will Gallauner auch noch den bis 2004 im Amt tätigen Landesvize Wolfgang Eisl hören, der damals laut Gallauner eine Vollmacht ohne Regierungsbeschluss an die Beamten erteilt hätte.

Der Schöffensenat behielt sich wegen des Umfangs die Entscheidung bis heute vor, inzwischen wurde der Akt verlesen. Heute geht es weiter: Wird das Beweisverfahren geschlossen, können die Schlussplädoyers gehalten werden. Mit einem Urteil ist erst am Freitag zu rechnen - oder auch nicht.

SPLITTER AUS DEM GERICHT

In den Haaren
Staatsanwalt Gregor Adamovic und Verteidiger Stefan Eder schenken sich nichts. Eder rügte Adamovic, dass er Beweisanträge zu Gunsten der Angeklagten gefälligst ernst nehmen solle, Adamovic forderte eine schwere Verwarnung: "Eine beispiellose Unterstellung!"

Um die Wurscht
Nach dem Antrags-Sperrfeuer der Stadtanwälte Stefan Eder und Josef Gallauner, platzte Monika Rathgebers Anwalt Herbert Hübel der Kragen: "Is eh wurscht, zahlt ja alles der Steuerzahler"

Die exorbitanten Kosten durch die Ermittlungen und das Verfahren rücken immer näher in den Fokus.

Geisterstunde
Die Verteidiger wollten wissen, wie der weitere Fahrplan aussieht und ein mögliches Urteil auch am späten Abend gefällt werden könnte.
Geisselhofer: "Wenn Sie mich so fragen, ich halte nichts davon, ein Urteil um Mitternacht zu sprechen"

Dicke Luft
Anwalt Eder beklagte sich über die schlechte Luft im Saal und kam sogar mit einem Gutachten daher. Es dürfe demnach nur 20 Minuten am Stück verhandelt werden, dazwischen müsste man 45 bis 60 Minuten ohne Personen im Saal lüften

Michael Pichler, Kronen Zeitung

JEDERMANN IN SALZBURG …

. . . ist ganz davon überzeugt, dass am Ende - wie in den meisten Filmen - die Gerechtigkeit siegt. Und damit die böse Tat gesühnt wird. Es geht um den Finanzprozess.

Hart bleiben, Frau Rat!

Da bäumt sich die Verteidigung auf, gerät in Erregung und attackiert die Richterin. Weil die Schadenssumme ein bisserl geringer sein soll, der Sachverständige hat sich um irgendein Hoch-Quadrat verrechnet.

Hart bleiben, Frau Rat! denkt sich Jedermann in diesem finanzgeschädigten Land.

Ob es nun eine Million mehr oder weniger war, die Spekulanten und die "Nichts sehen-Nichts hören-Nichts reden"-Politiker verdienen ein gerechtes Urteil. Und zwar rasch.

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