Meilensteine

Ein Städtetrip durch Amerikas Geschichte

Nachrichten
21.07.2017 10:51

Die meisten Besucher der USA kommen wegen der Superlative. Und es lässt sich schwerlich bestreiten, dass die Staaten vieles zu bieten haben, dass es andernorts in dieser Form nicht gibt. Spektakuläre Naturschauspiele und Landschaften etwa, oder die großen Städte. Bei allem Staunen über die gewaltigen Ausmaße von Natur und Architektur gerät allerdings schnell in Vergessenheit, wie viel Geschichte sich gerade hinter den Skylines der Metropolen verbirgt.

Sightseeing und Geschichtsunterricht gehen auch in den amerikanischen Städten Hand in Hand - wichtige Meilensteine und Entwicklungen der US-Geschichte lassen an ihnen nachvollziehen.

Der Weg zur Freiheit: Boston, Massachusetts
Zugegeben, Boston drängt sich im Reigen der populären Reiseziele in den USA wahrscheinlich nicht gerade auf. Dabei sollte die Bedeutung der Stadt - historisch wie aktuell - keineswegs unterschätzt werden. Boston ist eine wirtschaftlich starke und sehenswerte Metropole, was sie nicht zuletzt den in ihrem Großraum angesiedelten Bildungseinrichtungen verdankt: 32 Hochschulen befinden sich hier, von denen die Harvard University und das MIT (Massachusetts Institute of Technology) internationales Renommee genießen. Sie sorgen auch dafür, dass die Region für Unternehmen der High-Tech-Branche attraktiv ist. Daneben wird der Tourismus zu Recht immer wichtiger.

Denn Boston gilt als "Cradle of Liberty", daran ändert selbst die Freiheitsstatue von New York nichts - die Stadt war Schauplatz der wohl bekanntesten Tee-Party aller Zeiten und damit gleichzeitig der Ursprungsort der amerikanischen Unabhängigkeit. Mit der berühmten Boston Tea Party von 1773 nahm der Unabhängigkeitskrieg seinen Anfang und den anfänglichen Weg zur Freiheit können Besucher der Stadt auf dem Freedom Trail nachverfolgen. Aber auch jenseits dieses Pfades gibt es genug zu entdecken, das New England Aquarium zum Beispiel, die Brauereien oder die Strände der Cape Rod-Halbinsel - falls das Geschichtsprogramm doch einmal nach Abwechslung verlangt.

Der Klang der Freiheit: Philadelphia, Pennsylvania
Im Prinzip müssen Boston und Philadelphia in einem Atemzug genannt werden, denn zusammen stehen sie für den endgültigen Schritt zur Unabhängigkeit der USA. Während das kriegerische Abnabeln von Großbritannien in Boston seinen Auslöser fand, wurde der Bruch mit der alten Heimat in Philadelphia besiegelt: mit der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1776, die vier Tage später zum Klang der Liberty Bell, der Freiheitsglocke verlesen wurde - danach ging die Glock im Übrigen auf Tournee, um gemäß ihrer Inschrift "Proclaim Liberty throughout all the land unto all the inhabitants thereof" ("Verkünde Freiheit im ganzen Land für all seine Bewohner.") durch das ganze Land. Elf Jahre später, im Juli 1787, war die damals größte Stadt der Vereinigten Staaten dann ebenfalls der Ort für die Verabschiedung der ersten Verfassung.

Abgesehen von diesem wichtigen Beitrag zur Unabhängigkeit hat Philadelphia sich außerdem in die Geschichtsbücher des Kinofilms eingetragen. Der inzwischen als Klassiker zu bezeichnende Film "Rocky" wurde hier gedreht und eine der vielleicht bekanntesten Filmszenen überhaupt entstand auf den Stufen hinauf zum Philadelphia Museum of Art. Es wäre wohl nicht fair zu behaupten, dass diese Treppe mehr Besucher anlockt, als die im Museum versammelte Kunst. Fakt ist allerdings, dass der Filmboxer doch irgendwie noch immer zu den Ikonen der Stadt gehört, die immerhin Geburtsort von Benjamin Franklin ist und Wahlheimat von Edgar Allen Poe war.

Eine filmreife Geschichte: Los Angeles, Kalifornien
Die Anfänge von Los Angeles als Filmstadt liegen tatsächlich an der entgegengesetzten Küste der USA und sind ebenfalls geprägt vom typisch amerikanischen Unabhängigkeitsstreben (genauso wie vom sprichwörtlich gewordenen Streben nach mehr). Thomas Edison war kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert maßgeblich daran beteiligt, in New York alle Filmunternehmen und damit alle notwendigen Patente für das Produzieren von Filmen unter einem Dach zusammenzufassen.

Für einige unabhängige Produzenten Grund genug, die Ostküste in Richtung Los Angeles zu verlassen, wo sie im damals beschaulichen Vorort Hollywood günstige Voraussetzungen vorfanden. Nicht weniger galt dies für die Frauen im Filmgeschäft, die wichtige Rollen hinter den Kameras spielten - erstaunlich modern war das Hollywood von damals in Sachen Gleichberechtigung, verglichen mit den heutigen Verhältnissen in der Branche.

Ab 1915 begann die Erfolgsgeschichte der Vorläufer von Paramount, Metro-Goldwyn-Mayer, Warner Brothers und 20th Century Fox und lieferte neue Filme in immer höherer Schlagzahl. Heute ist Hollywood die wohl bekannteste Adresse für die Filmindustrie und ein ebenso großer Publikumsmagnet, wie die dort entstehenden Filme. Es locken der Walk of Fame, das berühmte TCL Chinese Theatre, die Filmstudios selbst samt Themenparks - aber eben auch die kaum weniger bekannten Strände von Malibu, Santa Monica und Venice. Wer Abwechslung von Glamour und Meeresrauschen sucht, wird vielleicht in der Kunstsammlung des Getty Centers fündig.

Die Wüste lebt: Las Vegas, Nevada
Was kometenhafte Aufstiege anbelangt, so ist Los Angeles nicht das einzige Beispiel an der Westküste. In vergleichbarer Nachbarschaft der aufstrebenden Filmmetropole - etwas mehr als 400 Kilometern sind in einem derart großen Land eine durchaus vertretbare Strecke - entstand ab den 1930er Jahren eine ebenso schillernde Welt, mitten in der Wüste. Obwohl eigentlich nichts für eine erfolgreiche Stadtgeschichte sprach, kamen einige Faktoren zusammen, die genau das bewirkten.

Während der Hover-Damm und die durch Vegas führende Eisenbahnlinie noch als Paradebeispiele für den amerikanischen Willen angeführt werden können, das große Land zu erschließen, ist die Rolle der Mafia in Vegas mindestens so dubios wie es zuvor bereits an der Ostküste war. Das kürzlich legalisierte Glücksspiel, die steigenden Einwohnerzahlen in Folge des gewaltigen Bauprojekts, die Suche der Mafia nach neuen Geschäftsfeldern nach dem Ende der Prohibition, all das ist in den Anfangstagen von Las Vegas untrennbar miteinander verbunden.

Von der Sin City von damals ist wenig geblieben, vom "Mythos Las Vegas" und einigen der älteren Casinos einmal abgesehen. Nicht einmal die Exzesse eines "Hangover" können darüber hinwegtäuschen, dass Vegas über die Jahrzehnte einen Wandel vollzogen hat. Sicher mag das Glücksspiel immer noch eine feste Säule des Angebots sein, aber das orientiert sich zunehmend in Richtung Unterhaltung. Die Besucher werden sich darüber kaum beschweren können.

Auf und ab in Motor City: Detroit, Michigan
Man würde es inmitten der weiten Wälder und Seen von Michigan vielleicht nicht gleich vermuten, aber dass hier die Wiege der modernen Automobilindustrie angesiedelt ist, erscheint dann doch wieder folgerichtig: Wie sonst sollte der Staat an der Grenze zu Kanada durchquert werden? Ob das letztlich wirklich der Grund dafür war, dass Henry Ford in Detroit zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerade hier mit der Massenproduktion seiner Automobile anfing, ist wenigstens fraglich.

Unbestritten ist allerdings en zu einer der bedeutendsten Metropolen der Welt machte. Motor City war die Heimat der US-Autoindustrie, zog Unternehmen wie Menschen an und ließen die Stadt in jeder Hinsicht wachsen. Das ist inzwischen lange her, Detroit infolge politischer Entscheidungen der Vergangenheit und wirtschaftlicher Konkurrenz der Gegenwart längst nicht mehr die glanzvolle Stadt von früher. Ein Meilenstein in der Geschichte des Landes ist sie aber allemal.

Ein Traum von Amerika: Washington, D.C.
Detroit ist gleichzeitig eine der größten schwarzen Gemeinde der USA, wenngleich der wichtigste Moment afroamerikanischer Geschichte an anderer Stelle stattfand. Zu Beginn der 1960er war das, als die Stadt in Michigan mit den ersten Anzeichen des wirtschaftlichen Niedergangs zu kämpfen hatte. Tatsächlich stand das Thema Arbeit auch auf der Agenda des "March on Washington", um "Jobs and Freedom" sollte es gehen, aber eben genauso um die immer noch vorherrschende Benachteiligung schwarzer Amerikaner.

Dort, wo sich heute die Touristen an den bekannten Denkmälern auf Washingtons "Mall" versammeln, die etwa das Lincoln Memorial sehen wollen oder das Washington Monument, waren es am 28. August 1963 rund eine Viertelmillion Menschen. Was diese wiederum nicht sehen konnten, war das Martin Luther King Jr. National Memorial - denn der Bürgerrechtler würde an diesem Tag erst die Rede halten, die anschließend in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Von seinem Traum von Amerika sprach er dort, unter den Augen von Abraham Lincoln und mit Blick in Richtung des Weißen Hauses, wo damals John F. Kennedy residierte.

Die National Mall ist also in jeder Hinsicht ein Ort, an dem (afro-)amerikanische Geschichte geschrieben wurde und bis heute geschrieben wird. Zuletzt nahmen Amerikas Frauen die Wahl von Donald Trump zum Anlass, ihren eigenen "Women’s March on Washington" durchzusetzen. Besuchern sollte daher klar sein, wie lebendig die Geschichte (nicht nur) in der Hauptstadt immer noch ist.

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