Freunde vermisst

„Es ist, als hätte es die beiden nie gegeben“

Österreich
16.07.2017 12:16

2015 verschwanden zwei junge Mühlviertler. Trotz umfangreichster Ermittlungen der oberösterreichischen Kripo konnte der mysteriöse Fall bis dato nicht geklärt werden. Nun wurde er zur nochmaligen Überprüfung an die Cold-Case-Fahnder des BKA übergeben.

Es gab keine Vorzeichen, keine Warnungen. Nichts, wirklich nichts, deutete auf eine bevorstehende Tragödie hin im Leben von Maximilian B. und Andreas L. Damals, am 11. September 2015. Diesem Freitag, der für die zwei Oberösterreicher so völlig „normal" verlaufen war. Ruhig, ereignislos.

Die Männer: beste Freunde, von Kindheit an. Einander ähnlich, in ihren Charakteren: fleißig, freundlich, ohne große Ziele und Träume. Gemeinsam hatten sie einst die Hauptschule besucht und im Anschluss eine Tischlerlehre gemacht. Beide waren sie später beruflich umgesattelt. B. zum Automechaniker, L. wurde Industriearbeiter. Nach einer Verletzung 2013 musste er seinen Job aufgeben, seitdem war er beim AMS gemeldet.

Männer interessierten sich nicht für Ausflüge
„Wenn der Max", erinnert sich B.s Schwester Monika, „nach Dienstschluss heim kam", in den Bauernhof seines Vaters in Zwettl an der Rodl, „ist der Andi" - er wohnte noch bei der Mutter - „meistens schon da gewesen und wartete auf ihn." Und dann? „Schraubten die beiden an kaputten Autos herum oder renovierten den Teil des Hauses, der meinem Bruder gehörte. Oder sie tranken ein paar Bier und sahen dabei fern."

Nur manchmal seien sie ausgegangen, „in Lokale in der Umgebung". Ausflüge in die Stadt, nach Linz; Urlaube ans Meer, „nein, so etwas hat die zwei nicht interessiert". Weil sie „das Fremde" nicht mochten. Hatten sie Freundinnen? „Sie hätten gerne welche gehabt, doch sie kamen bei Frauen nicht an. Unglücklich waren sie deswegen nicht."

Alles war wie immer"
„Zufrieden, ausgeglichen", sollen die beiden 27-Jährigen auch gewirkt haben, als am Abend des 11. September 2015 zwei Bekannte zu ihnen kamen. „Alles war wie immer", gaben diese Männer später der Polizei zu Protokoll, „lustig, nett. Wir saßen bei Bier am Küchentisch, spielten Karten. Etwa um Mitternacht verabschiedeten wir uns."

Wahrscheinlich tranken Baumgartner und Leitner danach weiter, wahrscheinlich wurden sie dadurch aufgekratzter. Gegen 1 Uhr riefen sie eine Nachbarin an und wollten sie zu einem Treffen überreden. Sie lehnte ab. Und dann müssen sie sich bald - mit nicht mehr als 200 Euro, ohne Pässe und ohne Handys - in Baumgartners alten Citroën gesetzt haben und losgefahren sein.

Wagen in Bad Leonfelden geblitzt
Um irgendwo ein Lokal zu besuchen? „Kurz vor 2 Uhr", so Thomas Löfler vom LKA Oberösterreich, „wurde der Wagen im Bereich eines Kreisverkehrs in Bad Leonfelden auf der Ausgangsstraße nach Tschechien geblitzt."

Ein Zeuge habe das Fahrzeug dann angeblich um 4 Uhr in Vyí Brod in Tschechien gesehen. Geparkt auf dem Hauptplatz der Grenzstadt, in der es Lokale gibt, die 24 Stunden geöffnet haben. „Der Andi sprach manchmal davon, dass es spaßig wäre, dort einmal in ein Bordell zu gehen", erzählt Monika B. Wurde L.s Plan in die Realität umgesetzt, in dieser Nacht?

Niemand kann sich an die Gesuchten erinnern
„Wir wissen es nicht", sagt Löfler, „fest steht bloß: Die Männer und ihr Auto sind seit damals spurlos verschwunden." In keiner Bar, keiner Disco, keinem Freudenhaus; weder im Mühlviertel noch über der Grenze will sich irgendwer an die zwei Freunde erinnern. Dutzende Suchaktionen, in Wäldern, im Moldau-Stausee, sogar mit Sonden, brachten keinen Erfolg. Löfler: „Wir versuchten, die Psychen der Vermissten zu analysieren, um etwaige Gründe für ein freiwilliges Absetzen zu erkennen. Dann gingen wir wieder andere Möglichkeiten durch."

Viele Gerüchte kursieren in der Heimat der Abgängigen: Sie seien Organhändlern in die Hände gefallen, sie würden von Kidnappern gefangen gehalten, sie wären in den Freitod gegangen, es hätte ein Mord und ein Suizid stattgefunden.

Haben wir etwas übersehen?"
Oberösterreichs LKA-Chef Gottfried Mitterlehner: „Leider ist zu vermuten, dass B.und L. einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind. Darum wäre es immens wichtig, diesen Fall endlich zu lösen." „Natürlich", so Mitterlehner weiter, „fragen wir uns ständig: Haben wir in unseren mittlerweile fast zwei Jahre andauernden Ermittlungen etwas übersehen?" Weswegen nun die Akte zur nochmaligen Überprüfung an die Cold-Case-Fahnder des Bundeskriminalamts übergeben wurde: „In der Hoffnung, dass sie die mysteriöse Causa klären."

„Alles scheint so absurd", sagt Monika B., „meine Familie, die von Andi, unsere Freunde und so viele andere Mühlviertler stellen Nachforschungen an. Immerzu, immerzu. Doch bis heute fand keiner von uns einen Hinweis darauf, was mit meinem Bruder und seinem Freund geschehen sein könnte. Es ist einfach - als hätte es die beiden nie gegeben."

EU-Ermittlungsplattform in Planung
Der Fall der zwei vermissten Mühlviertler zeigt, wie wichtig grenzüberschreitende Polizeiarbeit ist. Damit der Austausch zwischen den EU-Ländern in Hinkunft noch besser wird, wurde kürzlich die Gründung einer gemeinsamen Ermittlungs-Plattform beschlossen. Besonders bei Cold-Case-Causen, so die österreichischen Fahnder, seien oft Erhebungen „außerhalb" nötig - die dann ohne langwierige Formalitäten stattfinden könnten.

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