Gerhard Struber

“Für den Erfolg muss man Opfer bringen”

Salzburg
02.07.2017 21:24

Neo-Teamchef Gerhard Struber (40) hat eine klare Vorstellung davon, wie er mit Liefering Erfolg haben will und was er von den Spielern verlangt.

"Krone": Herr Struber, Ihr Wechsel nach Leipzig schien fix, nun sind Sie Teamchef in Liefering. Warum die überraschende Wende?
Gerhard Struber: Ich war handelseinig mit Leipzig, alles war klar. Dann gab es hier in Salzburg eine besondere Situation, da nicht damit zu rechnen war, dass Oscar nach Frankreich geht.

Kam das dann wirklich so überraschend?
Für mich persönlich, ja. Jedenfalls ist dann hier einiges passiert, wurde diese Stelle frei. Der Verein wollte unbedingt, dass sie von jemandem besetzt wird, der in unserer Philosophie schon tief drinnen ist und Erfahrung mitbringt. Die Aufgabe in Leipzig hätte mich gereizt, diese hier ist aber fast noch schöner.

Inwiefern?
Es ist halt doch schon Profibereich. Dazu ist meine Familie in der Nähe und ich bin ein Familienmensch. Es ist ein Riesenglück, dass ich vor der Haustüre eine solche Mannschaft trainieren darf. Dafür bin ich dankbar.

Janusz Gora ist Cheftrainer, Sie sind Teamchef. Wie sieht die Kompetenzverteilung aus?
Wir sind von ganz unterschiedlichem Naturell, bringen unterschiedliche Erfahrungen und Fähigkeiten mit. Es ist klar abgesprochen, wer welche Schwerpunkte macht. Wir sind ein größerer Kreis, in dem über Personalentscheidungen diskutiert wird. Am Ende wird es immer eine gemeinsame Entscheidung geben.

Was übt den Reiz dieser Stelle aus?
Die Mannschaft, mit der ich jeden Tag arbeiten darf. Das Talent, das in der Mannschaft liegt, dazu die Entwicklungschancen. Ich arbeite täglich mit super talentierten Jungs, die großen Willen haben. Sie kämpfen um ihre Zukunft.

Hat die Entwicklung des Individualisten Priorität oder die gesamtmannschaftliche Entwicklung?
Das eine schließt das andere nicht aus. Wenn man die Mannschaft weiterentwickelt, tut das auch jeder individuell - mit unterschiedlichem Tempo. Die Mannschaft steht über allem, die Mannschaftsentwicklung ist der Turbo für jeden einzelnen.

Unter Thomas Letsch wurde man Vizemeister. Wie lauten die Ansprüche für die neue Saison?
Ganz klar, dass wir uns tabellarisch nach vorne entwickeln.

Das heißt, der Titel soll her?
Ich würde es nicht nur am Meistertitel aufhängen, auch wenn wir einen der drei ersten Plätze  anstreben. Wir wollen aber vor allem eine interessante Rolle und sehr attraktiv spielen. Dabei muss man den Jungen auch Fehler zugestehen. Am Ende des Tages wollen wir es schaffen, einen oder mehrere Spieler in die Bundesliga zu bringen. Wir messen uns an mehreren Themen: Am Ergebnis, um tabellarisch gut dazustehen, aber auch daran, Burschen durchzukriegen.

Wie wollen Sie die Mannschaft führen?
Wenn man sieht, was tabellarisch und individuell passiert ist, muss man nicht viel verändern. Es geht darum, die Dinge auf ähnlichem Niveau zu halten. Ich bin aber anders gestrickt als Thomas, habe ein anderes Naturell.

Inwiefern?
Ich kann ein sehr emotionaler Mensch sein, fordere Dinge sehr genau und klar ein - vor allem auch dann, wenn es mal nicht so läuft, wie wir uns das vorstelle. Ich würde daher sagen, dass ich eher ein Trainer mit klaren Vorstellungen bin. Persönliche Themen müssen der Mannschaft untergeordnet werden. Für die Leistung und den Erfolg muss man Opfer bringen.

Liefering musste im letzten Jahr Opfer bringen - zugunsten der großen Bullen, aber auch der Youth League. Ist es nicht schwierig, so oft Rücksicht nehmen zu müssen?
Wenn man die Rolle hier als Trainer übernimmt, muss man über den Tellerrand hinaus schauen. Es gibt die Youth League, aber auch den FC Red Bull Salzburg.  Es ist ja auch für uns eine Wertschätzung, wenn wir immer wieder Spieler dort hinbringen, dass sie Leistungsträger in der Youth League sind oder zum FC Red Bull Salzburg wechseln. Das sehe ich sogar sehr positiv.

Man nimmt aber auch in Kauf, auch mal mit einer schlechteren Mannschaft zu spielen?
Das heißt nicht, dass die Mannschaft schlechter ist, sie ist einfach anders. Ich sehe da nicht immer eine Gefahr, sondern eine Chance für die Burschen, die vielleicht eine Nasenlänge hinten sind. Jeder bei uns im Kader genießt unser Vertrauen. Das Testspiel gegen die DFB-U19 hat gezeigt, dass wir mit einer jüngeren Mannschaft als unser Gegner eine gute Leistung erbringen und sogar gewinnen können (2:1, Anm.). Das zeigt, dass wir nach unten hin aufmagaziniert sind. Es gibt keinen Engpass, wenn wir Spieler abgeben müssen. Daher sehe ich das relativ entspannt.

Wie waren die bisherigen Eindrücke?
Super! Die Jungs ziehen mit, sind unglaublich fokussiert und aufmerksam. Es entsteht gegenseitig Motivation, wenn man sieht, mit welcher Leidenschaft die Spieler dabei sind. Wir wollen auch als Trainerteam immer am Anschlag sein, damit das immer stimmig ist, der Trainingseffekt passt.

Bleibt es dabei, dass man keine Routiniers will, die die Mannschaft führen?
Rami Tekir und Emir Karic (beide 20 Jahre, Anm.) sind unsere Ältesten, ansonsten sind wir sehr, sehr jung. Dabei bleiben wir auch. Das ist unser Ansatz. Unsere jungen Spieler haben aber zum Teil schon viele Spiele in der Ersten Liga absolviert. Wir haben daher nicht nur Greenhorns, sondern auch Nationalspieler, die internationale Erfahrung haben. Wir trauen uns mit dieser Mannschaft zu, ein gewichtiges Wort um die vorderen Plätze mitzureden.

Gibt es noch Wünsche ob der Kaderzusammenstellung?
Aufgrund der Kreuzbandverletzung von Rami Tekir, die uns betroffen gemacht hat, werden wir hier noch einen Spieler holen. Der Stamm ist aber sehr gut, panisch Aktionismus betreiben müssen wir nicht.

Abdul Ibrahim und Mahamadou Sangare werden getestet. Sind sie potenzielle Verstärkungen?
Es sind zwei interessante Spieler, die wir gerne noch ein bisschen bei uns haben wollen. Wir wollen schauen, wie sie sich integrieren, bei den nächsten Spielen anstellen. Danach wird eine Entscheidung getroffen.

Wie steht es um Ihre persönlichen Ziele?
Ich bin ein Trainer, der den Moment sehr genießt. Vor drei Jahren war ich als Manager in der Versicherungsindustrie tätig, hatte seither bei Salzburg innerhalb des Vereins verschiedene Aufgaben. Wenn du Ergebnisse lieferst, kann sehr schnell sehr viel passieren. Jetzt will ich mit Liefering erfolgreich arbeiten. Wenn das gelingt, gehen meistens Türen auf. Ich bin nicht vom Ausland abgeneigt, würde auch nie sagen, abgeneigt zu sein, FC Red Bull Salzburg zu trainieren. Derzeit ist der FC Liefering aber mein großes Thema.

Haben Sie Vorbilder?
Ein konkretes Vorbild gibt es nicht. Ich lese aber Biografien über Trainer, hatte die Möglichkeit, Roger Schmidt bei einer Hospitation näher kennenzulernen. Natürlich ist auch Ralf Rangnick eine Persönlichkeit, von der man viel mitnehmen kann. Auch bei ihm war ich in Hospitation, als er in Leipzig Zweitliga-Trainer war. Schön ist zudem, dass du dich als junger Trainer bei uns auch mal austauschen kannst. Die enge Zusammenarbeit hier in Salzburg ist etwas Besonderes, die Türen sind immer offen.

Interview: Christoph Nister, Kronen Zeitung

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