Zeitlos idyllisch

Grundlsee: Ein Gewässer schreibt Geschichte

Reisen & Urlaub
08.07.2017 08:00

Wer den Bewohnern von Grundlsee zuhört, taucht tief in große Geschichten ein. In der Idylle des steirischen Ausseerlands werden derzeit aber auch sanft neue Kapitel aufgeschlagen.

Was für eine Aufregung, was für ein Auflauf! Erzherzog Johann, der Habsburgerprinz und Modernisierer der Steiermark, kehrt mit einer Jagdgesellschaft vom Toten Gebirge ins Tal zurück. Natürlich wartet ein lokales Empfangskomitee. Mittendrin: die erst 15-jährige Postmeistertochter Anna Plochl. Dieser 22. August 1819 markiert den Beginn einer großen Liebe, die nach jahrelangem Ringen mit dem Kaiserhof in der Ehe zwischen dem Adeligen und der Bürgerlichen mündet.

"Da unten im Gasthof Lader ist die Gesellschaft dann eingekehrt. Heute noch gibt es die Erzherzog-Johann-Stube", erzählt Hermann Rastl, ein touristisches Urgestein in Grundlsee, bei einer Wanderung entlang des "Steirischen Meers".

Viel Geschichte und viele Geschichten
Grundlsee, das heisst wie im gesamten Ausseerland: viel Geschichte und viele Geschichten. Hier ließen sich vor mehr als 100 Jahren viele Künstler nieder (Rastl: "in Altaussee eher die Literaten, am Grundlsee eher die Schauspieler"). Hier sollen Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt die Salzburger Festspiele entworfen haben. Der Wanderweg Via Artis führt zu Stationen, auf denen Leben und Wirken vieler Künstler in der Region nachgezeichnet werden.

Der Schatz vom Toplitzsee
Dann natürlich der Zweite Weltkrieg: Die Nazis betrieben eine Marineversuchsstation, führten an der steilen Gößler Wand Torpedoversuche durch, in der Villa Castiglioni wurde ein Teil der Hitler-Bibliothek gelagert - und ganz am Ende des Krieges soll im tiefen, dunklen, abgelegenen Toplitzsee ein legendärer Nazi-Schatz versenkt worden sein. Gefunden wurde er trotz aufwendiger Suchaktionen bis heute nicht, im Gegensatz zu einer "Schatzkiste" voller Bierkapseln. Die Freude über den gelungenen Scherz muss bei den Einheimischen riesig gewesen sein ...

Grundlsee, das ist bis heute viel Ursprünglichkeit
Hier wird kein Disneyland in den Alpen entworfen, das Motto lautet nicht "Immer größer, immer mehr". Das Spektakel ist die Natur, die umwerfend schöne Komposition aus Wasser, Bergen und Wäldern. Passend dazu ist Grundlsee seit Kurzem Luftkurort: "Wir setzen auf Naturheilkunde und Komplementärmedizin, das passt zu unserem naturverbundenen Charakter. Mit unserer neuen Kurärztin Monika Drechsler haben wir eine Koryphäe auf diesem Gebiet", sagt der junge Bürgermeister Franz Steinegger.

Steinegger wohnt im Ortsteil Gößl, einem kleinen Dorf ganz am Ende des Grundlsees. Hier gelten im wahrsten Sinne des Wortes andere Gesetze. Ein Dorfrichter entscheidet seit Jahrhunderten, wann das Vieh aufgetrieben wird oder welche Wege ausgebessert werden. Auch Streitschlichtungen zwischen den Bauern zählen zur Aufgabe. Die Position wird von Jahr zu Jahr zwischen den Familien weitergegeben. Zuletzt war mit Heidi Rastl erstmals eine Frau Richterin.

Die Zeiten ändern sich selbst in einer zeitlos idyllischen Region
Fast 200 Jahre nach Erzherzog Johann hinterlässt hier übrigens ein weiterer Steirer mit Visionen seine Spuren: Dietrich Mateschitz. Der Unternehmer hat nicht nur das erneuerte Seehotel gekauft, sondern auch das frühere Posterholungsheim und die "Grundlsee Schifffahrt".

Im vergangenen Winter ließ er die 114 Jahre alte "Rudolf" und die "Traun" nach alten Plänen restaurieren. Dafür wurden sie logistisch aufwendig zu einer Werft an den Vierwaldstättersee in der Schweiz gebracht. Nach vier Monaten kehrten sie in die Steiermark zurück. "Den Schweizern sind die Schiffe richtig ans Herz gewachsen", erzählt Astrid Eder, die seit Kurzem das Schiffsführerpatent besitzt und somit als Kapitänin in den Grundlsee stechen darf.

Ein drittes Boot wird gerade noch in der Schweiz bearbeitet: die "Gößl". Ein Holzmotorboot, das 1968 außer Dienst gestellt wurde und fast 50 Jahre lang in einer Bootshütte hing, ehe es nun aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird. Eder: "Vor allem die älteren Bewohner freuen sich auf die 'Gößl', sie haben nostalgische Erinnerungen, etwa wie sie früher mit ihr zum Zahnarzt gefahren sind." Die Geschichte wird also weitergeschrieben ...

Jakob Traby, Kronen Zeitung

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