Winter in Wien

Zynische Ballade auf die Einsamkeit: “Slumming”

Kino
22.11.2006 17:10
Mit "Slumming" ist dem österreichischen Regisseur Michael Glawogger eine zynische, nicht aber humorfreie Ballade über manipulierte und selbstverschuldete Einsamkeit gelungen - je nachdem, ob man gestoßen wird oder selbst hineinfällt. Dass sich zum gehässigen Spiel des Zufalls auch eine irrlichternde Liebe gesellt, ist Ironie pur ohne Anspruch auf Glück. Glawoggers widerborstige Ode an die Orientierungslosigkeit, die klamme Zweifel heraufbeschwört und die Seelen winterkalt macht, trat ihren Siegeszug in Berlin an, um danach auf 18 weiteren Filmfestivals gefeiert zu werden. Kinostart: 24. November 2006!

Und darum geht's
Der Dichter und Säufer Franz Kallmann (Paulus Manker) wacht eines Morgens auf und findet sich an einem Ort wieder, den er nicht kennt. Fremde Menschen sprechen eine fremde Sprache, und der Bahnhof vor seiner Nase scheint kleiner geworden zu sein als jener, vor dem er eingeschlafen war. Er versteht die Welt nicht mehr. Der „Sohn reicher Eltern“ Sebastian (August Diehl) und der Langzeitstudent Alex (Michael Ostrowski) waren es, die den ohnmächtig-betrunkenen Mann von einem Bahnhof zum anderen, von einem Land ins andere entführt hatten.

Auch sie werden bald Schwierigkeiten haben, einander und ihre Welt zu verstehen, denn die sinnlose Tat hat Folgen...

Üblicherweise trifft Sebastian sich tagsüber mit wechselnden Internet-Dates in immer gleichen Kaffeehäusern, und nachts zieht er mit Alex durch Lokale – ausländische Clubs, Likörstuben und Cafés der untersten Kategorie. Sie nennen das „Slumming“. Dabei schauen sie anderen Menschen beim Leben zu, kommentieren es, und manchmal greifen sie auch ein – mit kleinen, oft auch fragwürdigen Interventionen. Üblicherweise unternimmt Kallman quartalsweise Sauftouren, auf denen er sich und die Welt belehren muss. Dazu braucht er die Kraft seiner Worte, viele Flaschen Schnaps und die Gesellschaft seiner Freundin Herta (Maria Bill).

Auf einer Parkbank vor dem Westbahnhof...
Die Wege der Drei kreuzen sich in einer kalten Winternacht. Sebastian und Alex finden Kallmann, in bewusstlos-trunkenem Schlaf, auf einer Parkbank vor dem Wiener Westbahnhof. Sebastian hat eine Idee. Er will seinem Freund Alex zeigen, was es wirklich heißt, mit dem Schicksal zu spielen. Schicksal zu spielen. Beim Durchsuchen von Kallmanns Manteltaschen finden sie einen Zettel mit einem seiner Gedichte: Mein Name ist nicht Furcht, mein Name ist Angst / Ich muss die Zeit die verbleibt, verleben / zerfallen, bröckeln, flüssig werden/ In voller Fahrt.

Pia (Pia Hierzegger) wird Kallmann später retten wollen. Ihr ist nicht ganz klar, wovor – sie folgt einfach ihrem Gerechtigkeitssinn und Kallmanns Spuren durch den Schnee. Sie ist eine der zahllosen Frauen, die Sebastian im Kaffeehaus getroffen hatte – nur: in sie hat er sich verliebt. Pia fordert ihn heraus, stellt sein Leben in Frage und treibt ihn schließlich zur Flucht. Ohne zu wissen, was sie tut, spielt sie mit seinem Leben. Einen Moment lang erkennen Pia, Sebastian und Kallmann einander. Dann gehen sie weiter ihrer Wege. Die Zeit, die verbleibt, ist zu verleben.

Darsteller
Paulus Manker, August Diehl, Pia Hierzegger, Michael Ostrowski, Maria Bill, Martina Zinner, Brigitte Kern u.a.

Buch und Regie: Michael Glawogger

Alle Bilder (c) LOTUS-Film/Andrea Gurtner

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