Stadthalle F live

The Beach Boys: Ein Sommer der frivolen Unschuld

Musik
13.06.2017 00:36

Rechtzeitig zu den schweißtreibenden Sommertemperaturen kehrten die legendären Beach Boys nach Wien zurück. Vor ausverkauftem Haus in der Stadthalle F zelebrierten Mike Love, Bruce Johnston und Co. Montagabend mehr als zweieinhalb Stunden Populärmusikgeschichte und zeigten sich dabei unerwartet stark und fokussiert. Ein nostalgischer Abend der Sonderklasse - das abtrünnige Mastermind Brian Wilson kommt zum Direktvergleich am 20. Juli nach Wien.

(Bild: kmm)

Zwischen all den Hawaiihemden mischen sich auch vereinzelte Death-Metal- und 70er-Hard-Rock-Shirts. Ein Mann rund um die 35 trägt gar stolz sein "A Head Full Of Dreams"-Coldplay-Tourshirt in der restlos ausverkauften Stadthalle F spazieren. Für ihn dürfte die Kluft zwischen dem gestrigen Bombast-Spektakel und der heutigen Nostalgiehuldigung nur schwer zu fassen sein. Statt Raketen und Konfettiregen gibt’s heute Schonkost in Form von Smartphoneflunkern und einer biederen Videowall. Die Beach Boys, gerade unermüdlich auf Welttournee um offiziell 50 Jahre "Wild Honey", inoffiziell aber 56 Jahre Bandkult zu zelebrieren, kommen aus einer Ära, als das größte Konzertgimmick ein mitreißendes Gitarrensolo und nicht eine interaktive 3D-Stadiondachprojektion war.

Agiler Dampfexpress
Die Beach Boys an diesem Abend sind Originalmitglied Mike Love und Fixkonstante und späterer Produzent Bruce Johnston. Mastermind Brian Wilson, der letzte Überlebende des legendären Wilson-Brüder-Trios, spricht seit etwa fünf Jahren kein Wort mehr mit Cousin Love und kocht - vorwiegend in den USA - sein eigenes Süppchen. Love, stolze 76 Jahre jung, hat aber die Namensrechte und vor allem die agilere Band. Das wird den gut 2.000 Fans in Wien schon von Anfang an klar, denn wie ein Dampfexpress zieht das Septett die bekömmlichen Drei-Minüter aus dem Köcher. Noch bevor man alle Bandmitglieder durchgezählt und zugeordnet hat, wird mit "Surfin' U.S.A." der erste Stampfer in den Saal geworfen, der die begeisterten Anwesenden erstmals aus den Sesseln rockt.

Entgegen vieler Erwartungen sind die Strandbuben nicht nur tight aufeinander eingestimmt, sondern beweisen auch Spielfreude und ausgeklügelte Arrangements. Nicht alles, was von den insgesamt mehr als 40 Songs von der Bühne tönt ist frei von Makel, doch vor allem dann, wenn die hervorragenden Gitarristen Brian Eichenberger ("I Can Hear Music") und Scott Totten ("The Warmth Of The Sun") die Leadstimme übernehmen, fühlt man sich unweigerlich in die unschuldig-frivole Sommerzeit der 60er-Jahre zurückversetzt. Bandchef Love ist zwar der einzige mit Hawaiihemd auf der Bühne, erweist sich aber - trotz wackeliger Stimme - als geübter Zeremonienmeister mit dem richtigen Händchen für kurzweilige Publikumsinteraktion. Flankiert von eigens auf die Bühne gekarrten Palmen plaudert er aus dem üppigen Karrierenähkästchen und zeigt sich vom euphorischen Wiener Publikum mitgerissen.

Erfolg mit alter Schule
Obwohl sich keine Band in der Musikgeschichte so dermaßen nachhaltig zerstritten und mit Schicksalsschlägen, Drogenproblemen und Krankheiten zu tun hatte wie die Beach Boys, sind ihre Songs auch nach mehr als fünf Dekaden eine willkommene Flucht aus dem Alltag. Sommer, Sonne, Frauen und Autos bestimmen die Welt der Kalifornier. Das mag zwar schon seit Jahren nicht mehr politisch korrekt und en vogue sein, ist aber ein elementarer Bestandteil einer der größten Erfolgsstorys der Populärmusikgeschichte. Die Beach Boys haben durch ihr bloßes Bestehen wohl mindestens genauso viel für den Kult ihrer Heimat beigetragen, als Hollywood und Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger.

Vor allem im wesentlich stärkeren zweiten Teil des mehr als zweistündigen Konzerts wird einem gewahr, wie viele Jahrhunderthits diese so heillos zerrüttete Kultband über die Jahre geschrieben hat. Da tönt ein famoses "California Girls" neben dem flotten "Wouldn't It Be Nice", stellt sich der Nummer-eins-Superhit "Good Vibrations" zum flotten "Help Me, Rhonda" oder reißt "I Get Around" genauso aus den Sitzen wie das nachdenkliche "God Only Knows", bei dem man die Hauptstimme des verstorbenen Carl Wilson per Videowall einblendete. Von ebendort projizieren die Beach Boys die Unschuld einer heilen Welt. Leicht bekleidete Surfergirls, schwarze 1949er-Chevys und Band-Fotostrecken, die locker drei Biografien füllen könnten. Bei den Beach Boys existiert kein Winter.

Bissig wie ein Tiger
Die schönsten Momente des Abends, sind aber nicht unbedingt die eindrucksvollsten. Der Mike Love-Solosong "Pisces Brothers" ist seinem an Krebs verstorbenen Lebensmenschen George Harrison gewidmet, der während des melancholischen Treibens mit allerlei altem Videomaterial vom gemeinsamen Indien-Aufenthalt für drei Minuten ins Leben zurückgeholt wird. Beeindruckend auch die A-Cappella-Version des The Four Freshmen-Songs "Their Hearts Were Full Of Spring", das mit ungeahnter Inbrunst und stimmlicher Präzision für ungläubiges Staunen sorgt. Bei "Barbara Ann" tanzen am Ende gar Minderjährige den Rock-'n'-Roll-Jive und verbildlichen die Botschaft, die Love mit seiner famosen Truppe musiziert: Rock 'n' Roll never dies - und auch im Spätherbst einer Karriere ist kann noch gefährlich und bissig wie ein Tiger sein.

Wer den Direktvergleich mit Mastermind Brian Wilson sucht, der sollte ihn am 20. Juli bei seinem Konzert in der Wiener Stadthalle F besuchen. Tickets für das Highlight gibt es noch unter 01/588 85-100 oder unter www.ticketkrone.at.

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