Komplett verpokert

May erleidet Schiffbruch: Absolute Mehrheit weg

Ausland
09.06.2017 11:33

Der Plan der britischen Premierministerin Theresa May, ihre absolute Mehrheit im Zuge vorgezogener Neuwahlen weiter auszubauen, ist nicht aufgegangen. Vielmehr erlitten die konservativen Tories eine herbe Schlappe und verloren sogar die absolute Mehrheit im Parlament. Labour-Chef Jeremy Corbyn, der ein starkes Ergebnis einfahren konnte, hat May bereits zum Rücktritt aufgefordert. Mays Sprecher schloss das Freitagmittag vorerst aus und sagte, die Premierministerin wolle trotz der Schlappe weiter regieren.

May selbst hatte sich in der Nacht in dieser Hinsicht noch zurückhaltender gegeben und gemeint, Großbritannien brauche "eine Phase der Stabilität". Es sei Aufgabe ihrer Tories, "sicherzustellen, dass wir diese Phase der Stabilität haben". Die in Londoner Regierungskreisen gut vernetzte BBC-Journalistin Laura Kuenssberg geht davon aus, dass May bleibt: "Sie wird bleiben und ihre Meinung nicht ändern."

Damit steht Großbritannien kurz vor Beginn der Brexit-Verhandlungen eine komplizierte Regierungsbildung bevor - entweder gibt es eine Minderheitsregierung, eine Koalition oder gar eine weitere Neuwahl. Für eine absolute Mehrheit sind 326 Sitze im Unterhaus erforderlich.

Die Konservativen liegen kurz vor vollständiger Auszählung der Stimmen bei 318 Sitzen, die oppositionelle Labour Party bei 261, die Schottische Nationalpartei (SNP) bei 35 und die Liberaldemokraten bei zwölf Sitzen. Die Liberaldemokraten, die von 2010 bis 2015 mit dem konservativen Premier David Cameron regiert hatten, schlossen eine Koalition und einen "Deal" aus.

"Das ist das Gegenteil dessen, was May erreichen wollte"
"Das ist eine Katastrophe für Theresa May. Ihre Führung würde infrage gestellt werden und sie könnte zum Rücktritt gedrängt werden, falls sich die Ergebnisse bestätigen", sagte der Politikprofessor Iain Begg von Hochschule London School of Economics nach Vorliegen der Ergebnisse erster Nachwahlbefragungen, die sich letztlich bewahrheiteten. Sein Kollege Tony Travers erklärte: "Das ist genau das Gegenteil dessen, was sie mit der Wahl erreichen wollte." Auch die Politologin Paula Surridge von der Bristol University sieht May geschwächt, ein Rücktritt sei nicht auszuschließen.

Brexit-Gespräche: Nun wackelt der Starttermin
Nach Einschätzung der EU-Kommission wackelt nun sogar der Starttermin für die Brexit-Gespräche. Es sei nicht sicher, ob die Gespräche wie geplant am 19. Juni beginnen können, sagte EU-Kommissar Günther Oettinger am Freitag dem Deutschlandfunk. Der deutsche Christdemokrat erwartet nach der Wahl mehr Unsicherheit bei den Brexit-Verhandlungen. Bei einem schwachen britischen Verhandlungspartner bestehe das Risiko eines schlechten Ergebnisses, warnte Oettinger.

Wählen im Fitnesscenter
46,9 Millionen Wahlberechtigte konnten am Donnerstag ihr Kreuzchen machen - und das an den ungewöhnlichsten Orten: Die Briten müssen nicht unbedingt eine Schule oder Gemeindehalle aufsuchen, als Wahllokale dienen auch Bahnwaggons, Bücherbusse, ein Nagelstudio - und sogar Pubs. Im "Fox & Hounds" in Oxfordshire war das erfrischende Bier nach Erledigen der Wählerpflicht nicht weit. Andere Bürger konnten nebenbei noch Wäsche waschen oder Kalorien abtrainieren: Auch eine Münzwäscherei und Fitnesscenter wurden zu Wahllokalen umfunktioniert. Auffällig war allerdings die hohe Polizeipräsenz vor den Lokalen.

Terroranschläge dominierendes Thema im Wahlkampf
Besonders in den letzten Tagen des Wahlkampfs war das dominierende Thema nicht mehr der Brexit gewesen, sondern die Terroranschläge, die das Land jüngst erschütterten. Vor zwei Wochen bombte sich ein Selbstmordattentäter nach einem Konzert der Popsängerin Ariana Grande in Manchester in die Luft, vergangene Woche fuhr ein Van in eine Menschenmenge auf der London Bridge. May hatte zuletzt ein hartes Vorgehen gegen radikale Islamisten und Terroristen angekündigt.

Ja, die Queen dürfte wählen gehen
Übrigens: Theoretisch dürfte auch die Queen zur Wahlurne schreiten. In Großbritannien gibt es kein geschriebenes Gesetz, das ihr das Wahlrecht abspricht. Trotzdem gehen Königin Elizabeth II. und ihre Familie nie wählen und kandidieren auch nicht. Aufgabe der Monarchie ist es, im Vereinigten Königreich Kontinuität zu stiften und die Gesellschaft zu einen - das verträgt sich nicht mit Parteinahme. In ihrer Rolle als Staatsoberhaupt muss die Monarchin außerdem politisch neutral bleiben.

Die 91 Jahre alte Queen hat übrigens auch keinen Pass. Da britische Pässe im Namen Ihrer Majestät ausgestellt sind, braucht sie selbst keinen.

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