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“Andromeda”: Wie gut ist das neue “Mass Effect”?

Spiele
21.03.2017 12:54

"Die Enterprise dringt dabei in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat." So enden die einführenden Worte der Sci-Fi-Serie "Star Trek" und dorthin führt uns Spieler in "Mass Effect: Andromeda" der jüngste Teil der gefeierten RPG-Weltraumoper von Bioware. Nach 600 Jahren im Cryo-Schlaf kommt eine Flüchtlingswelle aus der Milchstraße in der fernen Andromeda-Galaxie an und fängt bei null an. Wie sich das spielt und warum man "Andromeda" noch hätte reifen lassen sollen, lesen Sie hier.

Fans der alten "Mass Effect"-Spiele erinnern sich noch mit gemischten Gefühlen an den Abschluss der Trilogie. Die können sie aber getrost hinter sich lassen: "Andromeda" hat mit der alten Geschichte abgeschlossen, macht sie zum gelegentlich auftauchenden Déjà-vu. Stattdessen erlebt der Spieler hier die gänzlich neue Geschichte der Besiedelung einer fremden Galaxie.

Natürlich geht das an allen Ecken und Enden schief: Die vor Hunderten Jahren zur Besiedelung erwählten Planeten sind in der Hand erzreligiöser Alien-Fanatiker, die Umwelt wird von obskurer Alien-Technik und dunkler Materie zum Schlechteren verändert, die riesigen Archen der Milchstraßenbewohner sind bis auf eine allesamt verschollen, kurzum: Ein Held wird gebraucht. Den mimt der Spieler in (per Editor beschränkt anpassbarer) Gestalt von Herrn oder Frau Ryder.

Freunderlwirtschaft im unentdeckten Land
Als Sohn oder Tochter - ein bisserl Freunderlwirtschaft muss sein - eines ehemaligen N7-Elitesoldaten werden sie schnell zum "Pathfinder" ernannt, der den Geflüchteten Heimat und Verbündete beschaffen soll. Mit seinem Team und dem Raumschiff Tempest macht er sich auf ins unentdeckte Land. Und hier fängt das Spiel erst richtig an: Wie "Star Trek: Voyager"-Captain Janeway vollzieht Ryder mal mehr, mal weniger freundlichen ersten Kontakt mit Aliens aller Farben und Formen.

Dazwischen widmet er sich der Suche verschollener Milchstraßen-Auswanderer, haut der fiesen Fanatikerpartie der Kett auf die Mütze, untersucht jahrhundertealte Alien-Tempel und mysteriöse Artefakte und kommt so nach und nach einem größeren Ganzen auf die Spur. Stoff, der eines "Mass Effect" würdig ist. Die Handlung gibt was her, das muss man den Entwicklern lassen.

Erster Kontakt mit niedrigen Bildraten
Allerdings haben sie technisch etwas geschlampt, womöglich hätte Feinschliff hier noch gutgetan. Vielleicht war es der Wechsel von der Unreal- auf die Frostbite-Engine: In der getesteten PS4-Version schien das Spiel immer wieder Probleme beim Errechnen der Lichteffekte zu haben, es kam öfter zu Rucklern. Sollte auf einer Konsole eigentlich nicht passieren. Die (Gesichts)-Animationen sind für viele Spieler ebenfalls ein leidiges Thema, manch einer nennt sie im Vergleich zu "Mass Effect 3" einen Rückschritt.

Spielerisch gibts auch Patzer - etwa eine nicht überspringbare Schnellreiseanimation in der Planetenkarte, die hübsch aussieht, mit der Zeit aber doch eher ermüdende Wirkung entfaltet. Ein Kampfsystem, das als Deckungs-Shooter mit RPG-Elementen gut funktioniert, aber den Mechanismus der Vorgänger, das Spiel zu pausieren und Kameraden Befehle zu geben, missen lässt. Verschachtelte Menüs, für eine Konsolenversion arg kleiner Text, bisweilen Kameraprobleme. Es sind keine großen Macken, die "Andromeda" plagen, sondern viele lästige Kleinigkeiten.

Obsolete Klassenwahl und Jetpack-Hüpfer
Etwas ungewohnt: Musste man sich als Spieler in früheren Serienteilen noch entscheiden, ob man eher den Nahkämpfer, Schützen, Biotiker oder Techniker mimt, darf man jetzt alles auf einmal sein und zwischen den einzelnen Spezialisierungen hin- und herwechseln. Wer Abwechslung mag, wird das begrüßen, aber nicht jeder wird diese Neuerung mögen. Immerhin: Den Charakter darf man weiterhin ins Detail anpassen - nicht nur mit verschiedenen Skills, sondern auch mit Waffenmodifikationen und frischer Rüstung.

Es gibt freilich auch gute Veränderungen: Dank Jetpack dürfen die Spieler im Gegensatz zu den alten "Mass Effect"-Games nun beispielsweise hüpfen oder Gegnern schnell ausweichen, was die Kämpfe deutlich dynamischer als in den Vorgängern macht. Leider profitieren davon aber primär fade Kämpfe gegen nicht besonders intelligentes Kett-Kanonenfutter, die Bosskämpfe in "Andromeda" sind meist nicht so erinnerungswürdig wie jene aus der alten Trilogie und laufen oft nach dem gleichen Schema ab.

Die Inszenierung entschädigt für vieles
Für viele Schwächen von "Andromeda" entschädigt die packende Inszenierung mit atemberaubenden Planetenpanoramen, Gänsehaut erzeugenden Landeanflügen, epischen Schlachten, prachtvollen Alien-Bauten und üppiger Xeno-Fauna. Oder die teils riesigen, an Gebieten aus "Dragon Age: Inquisition" zu messenden Einsatzorte auf Wüstenwelten, in blauen Urwäldern oder in kargen Eiswelten. Auch die Geschichten, die "Mass Effect Andromeda" in seinen mit vielen Antwortoptionen angereicherten Dialogen darbietet, unterhalten und helfen über technisches Ungemach hinweg.

Hie und da übertreiben es die Entwickler ein bisschen, überhäufen den Spieler mit Dialogen, eintrudelnden E-Mails, Tratsch mit der Crew. Das heißt nicht, dass die Charaktere nicht gut gemacht wären: Mitstreiter wie die zudringliche Asari Peebee und unser salarianischer Pilot Kallo wachsen einem schnell ans Herz, richtig coole Draufgängertypen wie den Kroganer-Opa Drack gibt es ebenso wie ungewöhnliche Figuren à la religiöse Wissenschaftlerin.

Zudem haben die Begleiter einige echt gute Nebenmissionen im Gepäck und die Gespräche bieten nun deutlich mehr Entfaltungsmöglichkeiten als in den Vorgängern. Aber sie wirken da und dort fast ein bisserl zu bemüht, man hätte die wesentlichen Charakterzüge noch etwas besser herausdestillieren können.

Gigantische Spielwelt mit viel Füllwerk
Seine schiere Größe macht "Andromeda" auch ein paar Probleme, wir fühlten uns dort und da fast ein wenig an "Dragon Age: Inqusition" erinnert. Waren die Vorgänger noch angenehm kompakt, wird der Spieler jetzt mit weitläufigen per Geländeflitzer befahrbaren Gebieten mit langen Wegen erschlagen.

Natürlich gibt es hier jede Menge zu tun: Rohstoffe erbeuten und Baupläne für neue Gegenstände sammeln, fremde Technik, Fauna oder Flora scannen, Kämpfe und Schalterrätsel lösen, aber das wiederholt sich mit der Zeit und bietet zu wenig Abwechslung. Die Haupthandlung zieht sich dadurch in die Länge, manch ein Spieler könnte mittendrin die Motivation verlieren.

Zumal es den Entwicklern gerade in den Anfangsstunden des Spiels trotz der Steilvorlage, in einer fremden Galaxie gestrandet zu sein, nicht so recht gelingt, beim Spieler eine emotionale Bindung zu den Figuren zu erzeugen.

Die Ryder-Familiengeschichte beispielsweise wird zu Beginn so beiläufig ausgebreitet, dass sie schnell wieder vergessen ist. Manche Begleiter - vor allem die menschlichen - wirken anfangs ebenfalls eher fad, man freut sich nach ein paar Spielstunden richtig über den Kroganer-Haudrauf oder die zudringliche Asari, die mit liebenswerten Marotten und bizarren Romanzen Farbe ins Spiel bringen.

Grafik und Sound stimmen meistens
Optisch und akustisch hinterlässt "Andromeda" einen gemischten Eindruck. Klar stören die bereits erwähnten Ruckler und die eine oder andere vermurkste (Gesichts)-Animation den Gesamteindruck, im Großen und Ganzen ist die Welt des neuen "Mass Effect" aber sehr hübsch geworden.

Die fremden Welten, die man erforscht, sind scharf texturiert und spektakulär ausgeleuchtet, bieten optische Abwechslung und halten coole, die Physik verspottende Geheimnisse bereit. Der Soundtrack ist nicht von schlechten Eltern, bei der Wahl der Synchronsprecher hat Biowa

Fazit: "Andromeda" ist das bisher schlechteste "Mass Effect", deswegen aber noch kein mieses Spiel. Die Erzählung gibt trotz spielerischer Schwächen etwas her, die Inszenierung entschädigt teilweise für technische Mängel, zwischen fadem Quest-Füllwerk tun sich immer wieder packende Geschichten auf. Klar werden Fans der Reihe mit Wehmut an die alte Trilogie zurückdenken und natürlich braucht es noch Patches. Geht man unvoreingenommen an "Andromeda" heran, ist es trotzdem ein erlebenswertes Sci-Fi-Rollenspiel.

Plattform: PC, PS4 (getestet), Xbox One
Publisher: EA
krone.at-Wertung: 7/10

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