Meine Geschichte

Minimalistin: “Mein Handy ist acht Jahre alt”

Meine Geschichte
22.02.2017 16:36

Waltraud Novak ist Minimalistin! Das heißt für die Wienerin: kein Auto, kein Shoppen, kein Fernsehen. Lesen Sie das Protokoll einer Frau, die es geschafft hat, aus der Konsumgesellschaft auszusteigen.

Mein persönliches Aha- Erlebnis war wenige Tage nach meiner Rückkehr nach Österreich. Ich bin Ernährungswissenschafterin und hatte mich fünf Jahre lang in armen Ländern um unterernährte Kinder gekümmert.

In Wien habe ich dann ein Gespräch eines Pärchens aufgeschnappt. Es hatte unzufrieden sein Auto betrachtet, diskutiert, fast gestritten. Eine regelrechte Katastrophenstimmung war das. Es ist darum gegangen, dass das vorhandene Fahrzeug ersetzt werden müsse. Es war nicht mehr ganz neu, das stimmt. Aber auch keine alte Kiste.

"Materielles ist das Einzige, was zählt"
Während ich den beiden so zuhörte, dachte ich an die Menschen in Afrika oder Südamerika. Den meisten hat es am Nötigsten gefehlt, trotzdem habe ich in viele glückliche Gesichter geschaut. Dort habe ich gelernt, mit dem zufrieden zu sein, was man hat. Da reicht oft schon ein Sonnenstrahl.

Doch bei uns, obwohl wir im Überfluss leben, scheint das anders zu sein. Man will immer mehr und noch mehr. Alles hat mit Kaufen zu tun. Auch Glück. Das fängt beim Auto an und hört beim Handy auf. Wer sich etwas leisten kann, führt ein gutes Leben. Ist es nicht genau diese Einstellung, die sich in unserer Gesellschaft durchgesetzt hat? Materielles ist das Einzige, was zählt!

Ich habe mich deshalb bewusst dafür entschieden, dabei nicht mitzumachen. Ich gehe nicht shoppen. Mein Gewand beschränkt sich auf einige wenige Stücke. Jedes Teil hat eine Geschichte. Wie die Hose, die ein Schneider in Pakistan genäht hat, oder die Jacke, die ich vor 20 Jahren auf dem Flohmarkt am Naschmarkt erstanden habe. Wenn gebrauchte Kleidung noch gut ist, sehe ich keinen Sinn darin, dass das eine weggeworfen wird, nur um ein anderes Stück neu zu produzieren.

Ich empfinde es als natürlich, das zu essen, was hier wächst und wann es wächst. Ich baue es nicht selber an, will es aber auch nicht in Plastik verpackt aus dem Supermarkt holen. Ich bin Mitglied in einer Nahrungskooperative. Als Gruppe kaufen wir direkt beim Bio-Bauern und ohne Zwischenhändler. Im Wald sammle ich wilde Kräuter und Pflanzen. Tagsüber in der Natur sein, am Abend meine Freunde mit selbst gemachten Brennnessel-Nockerln bewirten und danach Tango-Tanzen das bedeutet für mich Glück pur.

Auch einen Fernseher brauche ich nicht. Diesen ganzen Rummel rund um die elektronischen Geräte empfinde ich als absurd. Im Kongo gibt es Bürgerkriege, weil die Bevölkerung wegen der Edelmetalle ausgebeutet wird. Und diese Rohstoffe stecken in den Smartphones. Mein Handy ist acht Jahre alt, und ich ersetze es erst, wenn es kaputt ist.

Wenn ich zu meiner Schwester nach Klagenfurt fahre, nehme ich den Zug. In Wien fahre ich Fahrrad oder nehme die Öffis. Ein Auto zu besitzen bedeutet mir nichts.

Meine Prinzipien versuche ich im Alltag durchzusetzen, ohne anderen damit auf die Nerven zu gehen. Ich will weder meine Freunde bekehren, noch schlage ich eine Einladung aus, wenn nicht Bio gekocht wird. Als Minimalist darf man sehr wohl gesellig sein. Dennoch stehe ich dazu: Auf der Welt ist genug für alle da! Wir könnten zufrieden sein mit dem, was wir haben. Viele sogar mit viel weniger. So wäre ein gutes Zusammenleben möglich. Für mich ist nämlich genau das der wahre Wert des Lebens.

MINIMALISMUS FÜR EINSTEIGER

  • Lebensmittel, die nicht mehr lange haltbar sind, einen eigenen Platz im Kühlschrank geben und diese beim nächsten Kochen verwenden
  • Für alle Strecken bis zu einem Kilometer auf Auto und Öffis verzichten - stattdessen zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren
  • Sich einmal pro Woche von Internet- oder Handynetz entkoppeln
  • Stecker vom Fernseher ziehen und das Gerät für eine Woche, für einen Monat in der Abstellkammer oder im Keller verstauen
  • Sich aus jedem Newsletter austragen, den man bekommt, aber nicht liest
  • Unnötige Kundenkarten wegwerfen

Brigitte Quint, Kronen Zeitung

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