Viel getan, aber ...

Acht Jahre Barack Obama: Eine durchwachsene Bilanz

Ausland
10.01.2017 06:08

Barack Obama hält in der Nacht auf Mittwoch seine letzte Rede als Präsident der Vereinigten Staaten. In der Ansprache in seiner Heimatstadt Chicago will er eine Bilanz seiner achtjährigen Amtszeit als erster Afroamerikaner an der Spitze der USA ziehen. Aus dem jugendlichen Kämpfer ist ein abgebrühter Politprofi geworden. Obama hat viel erreicht, sein Land aber bleibt gespalten.

Barack Obama, der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten, packt die Koffer. "Yes, we can" war einst sein Wahlkampfmotto. Obama der Macher, der Problemlöser, der Menschenfreund. Aber auch der jugendlich-sportliche Präsident mit der coolen Familie, modern und vorwärtsblickend, vorzeigbar. Die Bilanz seiner Präsidentschaft fällt gemischt bis nüchtern aus. Obama machte vieles richtig, doch auch persönliche Fehler, hörte auf die falschen Leute - und biss schließlich im vielfach politisch verkrusteten Washington auf Granit.

Bin-Laden-Tod, Gesundheitsreform, Kuba-Abkommen
Ob Obama nun ein guter Präsident war oder ein mittelmäßiger oder gar ein schlechter, wie es trotz erstklassiger Zustimmungswerte von bis zu 58 Prozent aus konservativen Kreisen tönt: Es ist eine Frage der Interpretation. Obama ließ den Terrorfürsten Osama bin Laden töten: militärische Brillanz oder politische Dummheit? Obama führte erstmals eine flächendeckende Gesundheitsversorgung ein: teure Ideologie oder Geniestreich eines Sozialreformers? Obama schloss Frieden mit Kuba: politisch gefährliche Großzügigkeit oder Heldentat eines Friedensengels? Vermutlich werden das Urteil erst Geschichtsschreiber fällen können.

Von Bush Scherbenhaufen übernommen
Unbestritten ist, dass Obama bei seinem Amtsantritt 2009 einen Scherbenhaufen von seinem republikanischen Vorgänger George W. Bush übernommen hatte. Zum Ende seiner Amtszeit hatte der Republikaner praktisch abgewirtschaftet. Seine Zustimmungswerte waren auf einem historischen Tief, die US-Wirtschaft steckte in einer tiefen Krise. Bush hatte mit seinem ungerechtfertigten Eingriff im Irak dem Ruf der USA international schwer geschadet und kein Konzept für Afghanistan.

Friedensnobelpreis erhalten
Obama übernahm: Die Vorschusslorbeeren waren riesig, wohl auch, weil die Welt glaubte, es könne nur besser werden. Obama kündigte den Wandel an, Amerika sollte in der Welt nicht mehr als gefräßiger Wolf wahrgenommen werden, sondern als potenter Freund. Selbst in der Klimapolitik schwenkten die USA auf die Linie des restlichen Westens ein. Ein paar Reden reichten auch, um Obama zum Träger des Friedensnobelpreises zu machen. "Wofür?", fragte die Opposition in Washington, und selbst der Geehrte schien ein wenig verlegen.

Terror im Irak, Chaos in Libyen, China und Russland stärker denn je
Heute ist klar: Obamas militärischer Abzug aus dem Irak kam zu früh, das Vakuum füllten Terroristen. Die Führungsrolle im Libyen-Konflikt nach dem Sturz Muammar al-Gadafis überließ er zwei schwachen Partnern: Nicolas Sarkozy (Frankreich) und David Cameron (Großbritannien). In Libyen herrscht Chaos. China konnte Obama nur schwer in Schach halten, den russischen Präsidenten Wladimir Putin gar nicht. "Acht Jahre wurde Amerika von einem Präsidenten regiert, der unser Land nach außen systematisch kleinredete", schreibt Jeff Jacoby im "Boston Globe".

Finanzkrise überwunden, Arbeitslosigkeit halbiert
Innenpolitisch gelang Obama die Aufräumarbeit besser: Die Finanzkrise wurde überwunden, die gierigen Finanzjongleure wurden an die Leine genommen. Der Dodd-Frank Act, ein Gesetz zur Regulierung der Finanzindustrie, trägt Obamas Handschrift. In acht Jahren hat Obama die Arbeitslosigkeit halbiert und die US-Wirtschaft wieder so auf die Beine gestellt, dass die Notenbank die Zinsen erhöhen kann. Die Republikaner sind dennoch nicht zufrieden: Sie sprechen von der langsamsten Wirtschaftserholung der Geschichte - als wäre die Finanzkrise ein ganz normaler Wirtschaftszyklus gewesen.

USA bleiben gespalten
Sein wichtigstes Ziel erreichte Obama nicht: Er wollte die Spaltung der Amerikaner überwinden. Unter Obama erschossen weiße Polizisten unschuldige Schwarze - da half es auch nicht, dass der Präsident medienwirksam "Amazing Grace" sang und öffentlich Tränen vergoss.

Reiche wurden reicher, Arme wurden ärmer
Unter Obama wuchs die Kluft zwischen der Landbevölkerung im Mittleren Westen und den Metropolen an den Küsten. Auch unter Obama wurden Reiche reicher und Arme ärmer. Auch nach Obama hat Amerika ein Bildungsproblem, das in ein Wohlstands- und Gesundheitsgefälle mündet.

Kein Frieden in Nahost
Gescheitert ist Obama - er ist dabei nicht der erste US-Präsident - auch im Nahen Osten. Die Deutungshoheit über Syrien hat inzwischen Putin, zu dem das Verhältnis zuletzt immer schlechter wurde. Ein Frieden zwischen Israel und den Palästinensern ist weiter entfernt denn je. Benjamin Netanyahu, ein Rechtsaußen-Premier an der Macht in Israel, und der liberale Obama - das konnte nicht gutgehen.

Atom-Deal mit Iran
Immerhin hat die schwindende Rücksicht auf Israel dazu geführt, dass Obama den Atom-Deal mit dem Iran durchboxte - und die USA auch offiziell aussprachen, was Generationen von US-Regierungen nur hinter vorgehaltener Hand munkelten: Israel muss endlich seine Siedlungspolitik ändern, wenn es einen Frieden in Nahost geben soll. Dass Obama ganz am Ende seiner Präsidentschaft noch eine Resolution im UN-Sicherheitsrat gegen den engen Verbündeten Israel durchwinkt - es passt ins Bild der Obama-Jahre, in denen es ihm nie leicht gemacht wurde.

Starpower bei Abschiedsparty im Weißen Haus
Immerhin:Wenige Tage vor der Ankunft der Möbelwagen konnten Obama und First Lady Michelle noch einmal mit einem großen Staraufgebot im Weißen Haus punkten. Und es war ein würdiger Abschied für ein Paar, das eine so enge Beziehung mit der Entertainment-Welt hatte wie kein First Couple vor ihm. Von Tom Hanks über Stevie Wonder bis Paul McCartney: Die Promi-Gästeliste hätte kaum erlesener sein können.

Video: Obama feiert rauschende Abschiedsparty mit Stars

Kronen Zeitung/krone.at

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