Biathlon-Nachlader

Die Mattscheibe blieb dunkel

Salzburg
19.12.2016 16:37

Mehr als 30.000 Fans pro Rennen, atemberaubende Wettkämpfe, verdiente - und zum Teil sehr überraschende - Sieger. Nove Mesto na Morave war für den Biathlon-Zirkus eine Reise wert.

Krone.at blickt ab sofort regelmäßig auf jede Station zurück und zeigt Helden und Enttäuschte - dazu werden Kuriositäten und Fun-Facts aufgezeigt.

HELDEN

  1. Besser geht’s nicht!!! Die tschechischen Fans verwandelten die Vysocina Arena in ein Tollhaus. Im Schnitt besuchten mehr als 30.000 Fans die Wettkämpfe, sorgten für ohrenbetäubenden Lärm. Die Kollegen der ARD wollten es genau wissen. Bis zu 115 Dezibel wurden gemessen. Das Publikum war damit lauter als eine Kreissäge (ca. 100 dB), ein Formel-1-Wagen (105) oder ein durchschnittliches Rockkonzert (110). Hut ab vor den Zuschauern - es herrschte Stimmung wie im Fußballstadion. (Außerhalb Österreichs.)

  • Drei Rennen, drei Siege. Martin Fourcade ist in der Form seines Lebens. So sehr der Franzose auch polarisiert, so neidlos muss man seine Dominanz anerkennen. Er ist der Beste. "Aller Zeiten", wie Simon Schempp sogar anfügte.
  • Topleistungen der kleinen Nationen gehen aufgrund der Dominanz der großen oftmals unter. Nicht an dieser Stelle. Hut ab vor Vladimir Iliev, der die bulgarischen Fahnen seit Jahren hoch hält. Als Sprint-Fünfter gelang dem 29-Jährigen in Mähren die beste Platzierung seiner Karriere. Wichtig für ihn. Wichtig für den bulgarischen Verband. Wichtig aber auch für den Biathlon generell.
  • ENTTÄUSCHTE

    1. Immer derselbe Mist. Ja, man muss es einfach so sagen. Es ist zum Kotzen, dass manche - offenbar sind es sogar recht viele - Fairness mit Füßen treten. 31 derzeit noch anonyme russische Biathleten (aktiv und zurückgetreten, national wie international im Einsatz) sollen laut McLaren-Report betrogen haben. Einige von ihnen waren in Nove Mesto im Einsatz. Martin Fourcade erwägt einen Boykott, sollte die IBU nichts unternehmen. Davon hält Dominik Landertinger nichts, dafür seien Anti-Doping-Organisationen zuständig. Vom Generalverdacht hält er auch nichts. "Ich grüße die Russen weiterhin, solange ich nicht mehr weiß. Ich hoffe natürlich, dass meine Konkurrenten sauber sind. Dass es immer noch Leute gibt, die dopen, ist mir aber ein Rätsel."
    2. Wer am Sonntag im ORF den Herren-Massenstart verfolgen wollte, wurde enttäuscht. Ski und Fußball - im Staatsfunk ist nichts wichtiger. Deshalb gab es die Wintersport-Artisten im Hauptprogramm, während die Klub-WM im Spartenkanal Sport Plus übertragen wurde. Und dann wundern, wenn sich die Leute 1.) über Gebühren beschweren und 2.) auf Alternativen wie ARD/ZDF und Eurosport zurückgreifen. Schade, denn das Kommentatoren-Team um Didi Wolff, Günther Beck und Christoph Sumann (diesmal nicht dabei) leistet exzellente Arbeit.
    3. Während Martin von Sieg zu Sieg eilte, war für Bruder Simon Fourcade der Abstecher nach Tschechien nach dem Sprint erledigt. Der Computer spuckte den Routinier als 65. aus. Zwei Fehler leistete er sich, in der Loipe kam er nicht über die 46. Zeit hinaus. In Verfolgung und Massenstart blieb ihm nur die Zuschauerrolle.

    KURIOS

    • Jean-Guillaume Beatrix lag bis zum letzten Schießen voll im Rennen um einen Podestplatz. Auch am Stand machte er alles richtig, alle fünf Scheiben fielen. Doch dann ein totaler Blackout. Beatrix begab sich in die Strafrunde, büßte wertvolle Zeit ein und wurde nur 13. "Ich war mir sicher, dass ich die Scheibe verfehlt hatte", erklärte er im französischen TV. In der Loipe tat er sich schwer, deshalb setzte er alle Hoffnungen ins Schießen. "Bei der letzten Kugel hatte ich schon totale Balanceprobleme. Ich hatte gar nicht verdient, sie zu treffen." Erst der Physio klärte ihn im Ziel über seinen Irrtum auf.
    • Vor Heimpublikum aufs Podest laufen - es war der Traum des Ondrej Moravec. Im Verfolger lag er gut auf Kurs, als ihm Glücksgöttin Fortuna einen Streich spielte. Sein Schaft brach, er musste auf der Strecke anhalten. Am Schießstand wartete schließlich ein IBU-Funktionär mit der Ersatzwaffe. Sein Wettkampf war gelaufen. Als 50. kam er schließlich ins Ziel, mit mehr als fünf Minuten Rückstand. Der Applaus, den ihm die mehr als 30.000 Fans spendeten, war aber so enorm, als hätte er gewonnen.

  • Auch Simon Eder hatte Pech. Beim ersten Schießen der Verfolgung war er kurz vorm Abdrücken, als er merkte, dass eine Scheibe defekt war. Der 33-Jährige nahm das Magazin wieder raus und musste den Stand wechseln. So kam er am Ende als 33. ins Ziel, wurde aber auf Platz 31 geführt. Die IBU gestand ihm eine Zeitgutschrift zu.
  • ROT-WEISS-ROTE BRILLE

    • Es war nicht die Woche der ÖSV-Herren. Julian Eberhards neunter Platz im Sprint war das Highlight. In der Verfolgung verhinderte ein Sturz vor dem dritten Schießen mehr als Rang 13. "Das war Eigenverschulden. Ich hatte dann Schnee in der Waffe, das hat Zeit gekostet", erklärte der Saalfeldener. Auch bei Simon Eder (nie besser als 23.) läuft es nicht nach Wunsch. "Die einzige Therapie für meine Krankheit wäre ein gutes Rennen", weiß er dennoch zu scherzen. Positiv verlief die Weltcuprückkehr von David Komatz. Der 25-Jährige holte als 29. im Sprint auf Anhieb Punkte.
    • Bei den Damen sorgte Lisa Hauser erneut für das Highlight. Die 23-Jährige lag im Massenstart zur Halbzeit sogar in Front, landete schlussendlich auf Rang neun und ist als Gesamt-Siebente immer noch sensationell klassiert. "Es war ein sensationelles Gefühl, bei dieser Kulisse zu führen." Julia Schwaiger qualifizierte sich erstmals für eine Verfolgung, Weltcuppunkte blieben ihr aber wie Katharina Innerhofer und Christina Rieder verwehrt.
    • Erfreulich verlief der IBU-Cup in Obertilliach für Klaus Leitinger. Mit Rang 23 im Sprint gelang dem Saalfeldener das beste Ergebnis seiner Karriere.  "Es war sehr nah dran am perfekten Wettkampf", meinte er, und hofft, sich im neuen Jahr weiter zu steigern. Das tat auch Sven Grossegger als Achter im Einzel. "Der Schritt zurück in den IBU-Cup war kein Fehler, er hat mir gut getan." Vor allem läuferisch hat er wieder deutlich zugelegt.
    • Lichtblick bei den Damen war vor allem Dunja Zdouc, die zweimal beste Österreichern wurde. Im Einzel vergab sie mit den letzten beiden Schüssen einen möglichen Podestplatz. "Das ärgert mich natürlich. Insgesamt bin ich aber zufrieden, ich fühle mich wieder deutlich besser." Zu Saisonbeginn musste die 22-Jährige noch pausieren - weil sie an Blutarmut litt! "Die Ärzten wussten selbst nicht, warum." Im neuen Jahr will sie in den Weltcup zurückkehren. "Spätestens in Ruhpolding. Ich will mich natürlich für die Heim-WM qualifizieren."

    WAS SONST NOCH AUFFIEL

    • Michael Rösch ist ein Unikat. Wie schon in Pokljuka wurde er auch diesmal Verfolgungs-Sechster. Der ARD gab er danach ein bemerkenswertes Interview. "Mir ging ein bisschen der Stift auf der letzten Runde, ich war echt kaputt. Dann kam Rastorgujevs angefleddert. Ich musste mich an seinen Arsch ranheften - bis zum Erbrechen, koste es, was es wolle. Ich wollte diesen Blumenstrauß haben. Jetzt habe ich einen für Klaus (Sieber, Anm.) und einen für Bernds (Forkel, Anm.) Grab. Ich habe wirklich alles rausgeholt aus meinem alten Kadaver. Und es hat sich gelohnt."
    • Während Fourcade bei den Herren für "Einheitsbrei" sorgt, gab es bei den Damen gleich zwei Premierensiegerinnen zu bejubeln. Ekaterina Akimova, vor letzter Woche noch nie in den Top-10, gewann den Sprint und wurde Dritte im Verfolger. Anais Chavalier, deren bisheriges Highlight ein achter Rang war, landete im Sprint auf Position zwei und triumphierte im Verfolger.
    • Emotionaler Höhepunkt war diesmal der krönende Abschluss. Gabriela Koukalova, die sich selbst enorm unter Druck setzte, hielt diesem im Massenstart stand. Die Tschechin gewann das Rennen und beglückte die - vor allem wegen ihr gekommenen - Fans. "Ich war so nervös. Für mich ist das noch emotionaler als die Olympischen Spiele", erklärte sie und vergoss Tränen der Freude.

    Christoph Nister, Kronen Zeitung

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