Auf Österreich-Linie

Kindergeld für Ausländer: Auch SPD fordert Kürzung

Ausland
17.12.2016 15:02

"Es gibt in Europa kein Recht auf Zuwanderung in Sozialsysteme ohne Arbeit", betonte der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) am Samstag in einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Damit liegt er voll auf einer Linie mit Österreich. Gemeinsam wollen jene Länder, die auf eine Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland pochen, den Druck in der EU erhöhen. Zur Erinnerung: EU-Ausländer haben für die Dauer ihres Arbeitsaufenthaltes Anspruch auf Kindergeld - auch wenn der Nachwuchs in einem anderen EU-Land lebt.

"Wenn ein Kind nicht bei uns lebt, sondern in seinem Heimatland, dann sollte das Kindergeld auf dem Niveau des Heimatlandes ausbezahlt werden", fügte Gabriel hinzu. In manchen deutschen Städten gebe es ganze Straßenzüge mit Schrottimmobilien, in denen Migranten nur aus einem Grund wohnten - "weil sie für ihre Kinder, die gar nicht in Deutschland leben, Kindergeld auf deutschem Niveau beziehen", so Gabriel. Er betonte weiters, er warte "seit Monaten" darauf, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Vorschlag für eine solche Kürzung des Kindergeldes vorlege.

Österreich möchte "Koalition der Willigen" ins Leben rufen
Erst am Dienstag hatte die EU-Kommission die von Österreich verlangte Anpassung des Kindergeldes an die Lebenserhaltungskosten in der Heimat der Kinder abgelehnt. Doch das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Österreich möchte nun eine sogenannte Koalition der Willigen ins Leben rufen und mit einer Mehrheit im europäischen Sozialrat die Pläne aus Brüssel doch noch umdrehen. Mit Gabriel hat man nun einen wichtigen Mitstreiter. Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) will die zuständigen Minister der verbündeten Staaten bei diesem Thema im Jänner oder Februar zu einem Gipfel nach Wien einladen.

Heuer schon 250 Millionen an Kindergeld ins Ausland gezahlt
Österreich zahlt immer mehr Familienbeihilfe ins Ausland. Waren es 2013 noch 192 Millionen Euro gewesen, so flossen im vergangenen Jahr bereits knapp 250 Millionen an Kinder, die in anderen Staaten leben. "Diese enorme Summe muss reduziert werden. Die EU ist gefordert, eine faire Ausgestaltung der Transferzahlungen ins Ausland sicherzustellen", hatte Karmasin gemeinsam mit ihren Parteikollegen Sebastian Kurz und Hans Jörg Schelling Mitte November in einem Schreiben an die EU-Kommission betont.

Eigentlich wäre vor einigen Monaten eine Lösung bereits auf dem Tisch gelegen. Die EU versuchte die Briten mit Zugeständnissen in der Union zu halten, etwa mit der Indexierung von Familienleistungen, also mit dem Anpassen des Kindergeldes an die Lebenserhaltungskosten des Staates, in dem das Kind wohnt. Doch mit dem Brexit war diese Einigung dann auch wieder Geschichte.

Frontex: Rund 350.000 neue Migranten und Flüchtlinge in der EU
Unterdessen sind nach Angaben der EU-Grenzschutzbehörde Frontex in diesem Jahr rund 350.000 Migranten ohne gültige Einreisepapiere und Flüchtlinge in die Europäische Union gekommen. Rund 180.000 seien über die Türkei und rund 170.000 über das Mittelmeer von Libyen und Ägypten aus eingereist, sagte Frontex-Exekutivdirektor Fabrice Leggeri am Samstag den deutschen "Ruhr-Nachrichten". Der Schwerpunkt der Migration verlagerte sich demnach von der Türkei auf die zentrale Mittelmeerroute. Nach dem Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei sei die Zahl der von dort einreisenden Flüchtlinge um 97 Prozent zurückgegangen, sagte Leggeri.

Kommentar von Doris Vettermann: Die merkwürdige Gerechtigkeit
"Es brennt an allen Ecken und Enden", räumte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erst vor wenigen Tagen ein. Da kann man nicht widersprechen. Doch die EU unternimmt nichts dagegen - im Gegenteil. Mit den jüngsten sozialpolitischen Plänen und Ansagen aus Brüssel wird das Feuer nicht gelöscht, sondern noch weiter entfacht.

Da ist einerseits das Vorhaben, das Arbeitslosengeld für ehemals in Österreich Beschäftigte auf das heimische Niveau anzuheben. Und dann sind da noch selbstgefällige, herablassende Antworten auf berechtigte Bitten von Mitgliedsländern, aus denen immer mehr Sozialleistungen ins Ausland fließen. EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen richtete Österreich auf die Forderung, die Familienbeihilfe für Kinder im Ausland an die dortigen Lebenserhaltungskosten anzupassen, aus: Sie werde das "Fairness-Prinzip nicht für ein paar Peanuts opfern". Nur zur Verdeutlichung: Diese "Peanuts" betragen 250 Millionen Euro pro Jahr.

Jenseits der Brüsseler Überheblichkeit bleibt die Frage: welches Fairness-Prinzip? Ist es für die EU nur dann gerecht, wenn die wohlhabenden Staaten ihr Geld in die osteuropäischen Länder pumpen, die sich ihrerseits - und das haben sie hinlänglich bewiesen - so gar nicht um die viel beschworene europäische Solidarität scheren? Bei so einem Verständnis von Gerechtigkeit und Solidarität darf sich die EU nicht wundern, dass es immer mehr Alleingänge einzelner Staaten gibt.

Doris Vettermann, Kronen Zeitung

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