"Krone"-Interview

Seiler & Speer: “Ich bin sicher nicht der Lugner”

Musik
30.11.2016 14:30

Ein turbulentes, aber extrem erfolgreiches Jahr neigt sich für das heimische Pop-Erfolgsduo Seiler und Speer dem Ende zu. Nach Donauinselfest, Nova Rock und einem Auftritt vor Queen auf der Linzer Gugl gehen den beiden selbst schon die Superlative aus - umso ruhiger wollen sie es 2017 angehen, auch wenn dort das nächste Album fertig wird. Vor dem besinnlichen Jahresfinish haben wir uns noch einmal mit Christopher Seiler zusammengesetzt, um über unzulässige Vergleiche, Richard Lugner und seine Probleme, immer am Boden zu bleiben, zu reden.

(Bild: kmm)

"Krone": Das Jahr 2016 neigt sich langsam dem Ende zu und man kann es getrost als das erfolgreichste eurer Karriere bezeichnen. Habt ihr schon realisiert, was so alles passiert ist?
Christopher Seiler: Nein, nicht wirklich. Sobald ein Kapitel beendet ist, geht's bei uns ja mit dem nächsten weiter. Da gab es noch keine Zeit für eine Bilanz.

Musikalisch hattet ihr sehr viele Highlights. Ein abgefeierter Slot auf der "Red Stage" beim Nova Rock, Auftritte beim Picture On, dem Lovely Days und als Support von Queen in Linz. Was war das größte Highlight?
Von der Kulisse her der Gig am Donauinselfest. Das Nova Rock war natürlich auch unglaublich.

Beim Nova Rock wart ihr wirklich ziemlich baff über den Ansturm vor der Bühne.
Auf jeden Fall. Man kann schon den Coolen spielen, aber dann wirst du gleich als arrogant und abgehoben bezeichnet. In Österreich musst du echt aufpassen, wie du dich gibst, aber beim Nova waren wir ehrlich. Das war unglaublich.

Was geht in einem vor, wenn man als stilfremde Band auf die Bühne geht und vom Jubel Tausender Menschen getragen wird?
Ich habe mich natürlich sehr gefreut, weil wir Angst hatten, dort nicht hinzupassen oder schlecht aufgenommen zu werden. Aber es ist eigentlich egal, wo man spielt, irgendwer wird sich immer aufregen. Direkt nach dem Ende der Tournee begannen wir mit den Dreharbeiten zur dritten Staffel von "Horvathslos". Und sich in diese Figur zu versetzen und Emotionen zu zeigen, ist sowieso ein Blödsinn. (lacht)

Schlägt das Resümee des Jahres bei euch noch ein, wenn ihr dann rund um Weihnachten eure wohlverdiente Pause haben werdet?
Ich hoffe schon. Zu Weihnachten besinnt man sich ja gerne, aber wir spielen bis knapp dorthin noch die Hallentour. Ich fliege erst im Jänner auf Urlaub, damit ich in der Weihnachtszeit ein bisschen runterkommen kann. Es soll bitte nicht so einschlagen, dass ich einen Herzinfarkt kriege, aber die Besinnlichkeit soll sich dann schon einstellen.

Bereitet ihr euch vor Großevents wie dem Donauinselfest oder dem Nova Rock anders vor als sonst?
Das ist gleich wie immer. Im Endeffekt macht das keinen Unterschied. Je größer die Bühne und je mehr Leute davor stehen, umso mehr Show können wir liefern. Bei intimeren Locations muss man auch intimer agieren - ich finde, man müsse sich dort mehr vorbereiten. Eine große Umstellung gibt's da nicht.

In Linz hatten es Wanda vor dem Queen-Publikum ziemlich schwer, bei euch hat alles perfekt geklappt. Hast du Angst, dass ihr auch einmal eine Show spielen werdet, die nicht auf Begeisterung stößt?
Wir haben so viel Selbstsarkasmus, dass wir drüberstehen können. Den Faden werden wir wohl nie verlieren und schlechte Stimmung kann auch mal passieren. Eine gesunde Angst muss man ohnehin vor jeder Show haben. Vielleicht läuft es deshalb so gut? Und wenn das einmal nicht mehr so geht, dann ist es auch egal, denn das Leben ist eine Achterbahn. Ohne Tiefs gibt's keine Hochs. Das wäre sonst auch fad.

Stichwort neues Album - wann kann man damit rechnen?
Ich schätze im Frühjahr. Wir wollten bewusst nicht gleich nach dem Debüt etwas nachschießen, denn wenn ich den Hype zu stark fördere, gehe ich mir selber am Arsch. Und dann gehe ich auch den Leuten am Arsch und ich bin sicher nicht der Lugner. Dafür haben wir noch "Horvathslos", mein Kabarett und es gibt ein paar Anfragen vom ORF. Auch in die Richtung geht was weiter.

Wie weit seid ihr mit dem Album? Habt ihr schon viel geschrieben?
Schon mehr als beim letzten Mal. Wir haben aber den Luxus, dass wir jetzt aussortieren können. Das ist natürlich schwierig, denn Aussortiertes ist meistens ein Schaß. (lacht)

Wird sich das kommende Album stark von "Ham kummst" unterscheiden oder bleibt ihr Schuster bei euren Leisten?
Ich hoffe schon stark, dass wir etwas anders klingen. Zwischen "Ham kummst" und dem Nachfolger liegen dann zwei Jahre und wenn du dich da nicht weiterentwickelst, dann hast du ein Problem. Natürlich berufen wir uns auf die Wurzeln und machen keine Avantgarde-Musik. Wir wissen schon, wofür Seiler & Speer stehen, aber die Ansprüche sind hoch. Dieses Mal wird das Album mit der Liveband eingespielt, was beim ersten noch nicht so war. Solang wir drüber lachen können und uns selber nicht zu ernst nehmen, wird das passen. Einen Namen für das Album gibt es noch nicht, das ist aber beabsichtigt. Für "Ham kummst" gab es das anfangs auch nicht, wenn ich aber mit einem Namen anfange, dann binde ich mich an ein Konzept. Wir wollen aber eher so arbeiten, als ob es ein Best-Of-Album wäre. Mir war auch der Vergleich mit Wanda und Bilderbuch immer Unrecht. Nicht, weil ich sie nicht mag, sondern weil sie künstlerisch ganz was anderes machen als wir. Gut, wir sind alle aus Österreich. Aber der Fritzl kommt auch aus Österreich und deshalb ficke ich im Keller nicht meine Kinder - aber gut, das ist bei uns wohl einfach so.

Wirst du inhaltlich beim kommenden Album anders vorgehen als beim Debüt?
Der Grundstock wird schon bleiben und es gibt ein paar Ausreißernummern wie "I kenn di von wo", die wir live schon ein paar Mal spielten. Es gibt auch welche, die verträumter und dichterischer sind. Das sind so zwei oder drei Perlen, die ich selbst auch von jedem Act verlange. Vielleicht nicht von einem DJ Ötzi oder Nik P., denn die wissen ja genau, was sie für Erfolg tun müssen - obwohl sie sicher mehr könnten. Ich glaube nicht, dass die Nik P.-Fans schunkeln werden, wenn er "Stairway To Heaven" spielt. (lacht) Wir wollen zeigen, dass wir Spaß haben, aber doch auch mehr können als vielleicht so mancher glaubt.

Werdet ihr das nächste Album auf einem Majorlabel rausbringen?
Nein. Wir haben die Vertriebswege der Großen. Ein Major ist am Wichtigsten für Werbezwecke und Promotion und da sind wir gut aufgestellt. Bei allen Projekten von uns waren wir ohne große Partner erfolgreich und wir sind sicher die letzten, die sich irgendwas vorschreiben lassen. Wenn ich bei einem Interview besoffen bin, dann bin ich halt ein Trottel, aber nicht, weil mir wer anschaffen will, dass ich einen Skandal einbauen soll.

Du hast schon oft betont, dass du auch mit Sendern wie ATV nicht zusammenarbeiten willst. Die Frage ist, ob ihr euch mit dem steigenden Erfolg dagegen verwehren könnt?
Das wird natürlich immer schwerer, weil sich die Anfragen häufen. Strategisch wären da auch gute Sachen dabei, aber gewisse Dinge gehen sich für uns einfach nicht aus. Ich stehe zu meinem Wort. Ich bekam inhaltlich interessante Angebote, aber als ich sah, von wem sie kamen, war es schon wieder uninteressant. Ich will nicht wie die ausrangierten Puls4-Comedians enden. Wenn es nicht mehr geht, dann halt nicht mehr. Wenn ich bis dorthin nicht etwas auf die Seite gelegt habe, habe ich auf jeden Fall etwas falsch gemacht. Und wenn es nicht reicht, dann gehe ich halt wieder arbeiten und mache was anderes. Da werde ich mir sicher nicht zu gut sein.

Integriert ihr bei den ernsteren Nummern dann auch politische oder gesellschaftskritische Themen?
Ich habe in einem Interview einmal einen Satz gesagt: "Parteipolitik gehört nicht in die Musik". Der Satz wurde von einer Journalistin für eine Zeitung missbraucht, indem sie "Politik gehört nicht in die Musik" druckte. Das ist aber ein Blödsinn, denn Politik ist alles, wozu ich eine Meinung habe. Das ganze Leben ist Politik. Selbst wenn ich ein Lied darüber schreibe, wie besoffen ich war, geht es da um Drogenpolitik. Politische Texte wird es gehen, aber keine Parteipolitik. Ich mache keinen Strache-Rap und keinen Häupl-Walzer.

Für den Häupl sind schon Turbobier zuständig, die - wie ihr - gerne in die Proletenrock-Ecke gedrängt werden. Was denkst du darüber?
Das sind meist immer die Leute, die noch größere Proleten sind. Da beschweren sich Leute übers Saufen, während sie mich daran stört, ist die Einvernahme, die Pauschalisierung. Es kommt immer von den Menschen, die Toleranz ausstrahlen und mit Vorurteilen daherkommen. Ich kann aber mit Stolz sagen, dass wir uns nie ein Image gegeben haben - das kriegt man ja von außen. Wir nehmen uns in keinem unserer Musikvideos zu ernst und nehmen immer wen aufs Korn. Bei "I wü net" hätten schon Leute daherkommen und sagen können: "Wäh, das sind ja die voll zugekoksten Schlagersänger" - hat aber niemand gemacht. Bei "Der letzte Schnee" hat uns auch keiner als Weltverbesser beschimpft. Erst bei "Ham kummst" wurden wir plötzlich zu den Dranglern. Das ist der Preis für die Bekanntheit. Bevor ich urteile, muss ich schauen, was eine Band sonst noch macht - und nicht nach einem Lied pauschalisieren.

Wobei man schon sagen muss, dass bei etwa Turbobier der gesamte Hype nur auf proletoides Verhalten wie Wetttrinken etc. fußt.
Natürlich, aber die haben ja ihren Namen darauf aufgebaut. Da kommt man ja gar nicht anders weg. Hinter der Fassade hat das aber schon Qualität und Stil. Wie Marco Pogo den Witz dahinter pflegt und die Band vermarktet, das ist schon sehr geschickt.

Sehr überraschend war für viele die Nachricht, dass bei ein paar Konzerten Hans Söllner dabei ist. Wie kam es dazu?
Den hätte ich nie bei uns gesehen, obwohl ich ihn sehr schätze und mag. Es war lange nicht fix, weil Hans Söllner normal nur Einzelkonzerte spielt. Wir haben ihm aber gefallen und so entstand schließlich die Mischung und das freut mich wirklich.

Ihr seid als Band und auch im Umfeld ein unheimlich geschlossenes Team, das sich bislang nicht auseinanderhebeln ließ. Mit steigendem Erfolg werden sich aber auch die Einflüsterer von außen mehren …
Die gibt es natürlich, aber da muss man selbst abwiegen. Will da jemand was Gutes oder will dich jemand in eine Maschinerie drücken? Aber wir sind da sehr gut aufgestellt, haben unseren eigenen Verlag gegründet und unsere Vertriebswege.

Du hast das Thema übersättigen vorher angesprochen. Wie schaut es bei euch 2017 konzerttechnisch aus? In Österreich wart ihr quasi überall - werdet ihr da leiser treten?
Natürlich werden wir weniger spielen. Es sind derzeit viele Projekte aus dem Fernsehen im Raum, die mich als Schauspieler betreffen und das will ich forcieren. Natürlich werden wir mit einem neuen Album nicht von der Bildfläche verschwinden, das ist logisch, aber wir werden weniger spielen. Kein Nova Rock, keine Donauinsel - das ganz Große hatten wir heuer. Wenn du jedes Jahr am Festival dieselben Acts hast, geht das jedem am Arsch. Vielleicht spielen wir eben größer, aber auf jeden Fall weniger. Ich will einfach mehr Sachen machen wie früher, mehr vor die Kamera. Es gibt auch Radioangebote. Ich würde gerne so ein Betthupferl für Erwachsene machen. Comedy mit ein bisschen tieferem Schmäh. Es wird jedenfalls nicht nur Seiler & Speer geben.

Speer und du machen dennoch das meiste im Tandem. Reicht euch das nicht einmal? Habt ihr da nicht mal die Schnauze voll voneinander?
Die Pausen haben wir eh. Ich glaube jeder hat eine eigene Wohnung und ein eigenes Privatleben. (lacht) Du hat ja auch die Arbeitskollegen neben dir und gehst auf Urlaub, wenn dir einer zu viel wird.

Hat euch der Hype intern nicht aufgerieben?
Es wäre vermessen zu sagen, dass man derselbe wie vorher ist. Das geht gar nicht, das ist unmöglich. Es ist irrsinnig schwer am Boden zu bleiben. Es gibt Phasen, wo du glaubst, du bist der Oberheld und hättest die Welt erfunden und dann gibt es wieder eine Phase, wo du fast in eine Depression rutscht und dir nicht genügst. Die Mischung macht es aus und man muss einen Mittelweg finden. Sich komplett wegschießen ist genauso falsch, wie einen auf Buchhalter machen, der gebückt in sein Büro geht. Der Weg zwischen Kunst und normalem Lebensstil ist wichtig. Heilige sind wir alle keine.

Gab es bei dir auch einen Moment, wo du im Nachhinein gedacht hast "um Gottes Willen, wie habe ich mich da verhalten"?
Ich habe eine Zeit lang wirklich sehr besoffen Interviews geführt. Ich habe mir das im Nachhinein angeschaut und gedacht, was denn da bitte los war. Das kann doch nicht sein. Übern Durst trinken kann jeder, aber irgendwann kann man nicht mehr so viel Durst haben. (lacht) Man muss dann zwei Wochen auf Urlaub und sich erden. Freunde und Familie sind dabei sehr wichtig, dann geht es schon.

Unlängst habt ihr die dritte Staffel von "Horvathslos" abgedreht. Fällt es euch noch leicht, immer neue Witze und Sketches zu finden?
Eine gute Frage. Für den Horvath etwas zu finden ist nicht immer so leicht, aber seit der zweiten Staffel lebt er nicht mehr vom Wortwitz, sondern von seinen Taten. Die Leute wollen heute sehen, wie etwas explodiert oder er wo dagegen fährt. Den Horvath kennt man eh zur Genüge, für ihn brauche ich im Prinzip nichts mehr schreiben. In die Figur schlüpfe ich während der Drehzeit rein und dann passiert es. Wir haben ja mit großen Kapazundern wie Alexander Bisenz, August Schmölzer oder Thomas Stipsits gearbeitet. Für die was zu schreiben ist auch viel lustiger.

Für einen Lugner als Gast ist bei euch kein Platz?
Nein, niemals! Ich weiß nicht, warum man mit dem was machen muss. Ich verstehe die Autoren nicht. (lacht) Er stellt eine Form von Sozialporno ohne Ironie dar und die Distanz zur Figur fehlt auch, denn er ist ja so. (lacht) Das wäre echt nichts für mich.

Bevor es für Seiler und Speer in die wohlverdiente Weihnachtspause geht, stehen noch zwei große Shows am Programm. Am 9. Dezember in der Wiener Stadthalle und am 10. Dezember in der Grazer Stadthalle. Infos und Karten unter www.ticketkrone.at.

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