Reaktion auf Putsch

EU-Parlament für Einfrieren der Türkei-Gespräche

Ausland
24.11.2016 12:52

Angesichts des zunehmenden autoritären Kurses des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan setzt das EU-Parlament ein starkes Zeichen: In einer am Donnerstag in Straßburg verabschiedeten Resolution sprachen sich die Abgeordneten mit einer klaren Mehrheit für das vorläufige Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei aus. Erdogan will dem Votum keinerlei Bedeutung beimessen.

Für die Entschließung stimmten 479 Abgeordnete, dagegen 37, 107 Parlamentarier enthielten sich. Hinter dem Text stehen alle Fraktion des Europaparlaments bis auf die rechtsgerichteten Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" der britischen Anti-EU-Partei UKIP von Nigel Farage und die rechtspopulistische Fraktion "Europa der Nationen und Freiheit", in der die FPÖ Mitglied ist. Letztgenannte fordert den kompletten Abbruch der Gespräche.

Die türkische Regierung habe seit dem Putschversuch im Juli "unverhältnismäßige" Repressionen ergriffen, verurteilten die EU-Parlamentarier die Verhaftungswellen und Massensuspendierungen. Aus diesem Grund fordern sie "ein Ende der Gespräche über offene Verhandlungskapitel und keine neuen zu öffnen". Für eine Wiederaufnahme der Beitrittsgespräche müsste die türkische Regierung den nach dem gescheiterten Staatsstreich verhängten Ausnahmezustand aufheben sowie den Weg zurück zur Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte finden.

"Wille zur Zusammenarbeit muss von beiden Seiten kommen"
Die EU-Parlamentarier betonten auch, dass "die Türkei ein wichtiger Partner der EU" sei. Allerdings hielten sie fest, dass "der politische Wille zur Zusammenarbeit von beiden Seiten kommen muss". Derzeit lege die Türkei diesen Willen "nicht an den Tag", da das Handeln der Regierung das Land weiter "vom europäischen Weg abbringt". In dem Text wird aber "nach wie vor" ein Dialog zwischen Brüssel und Ankara begrüßt.

Außerdem wiesen die EU-Abgeordneten in der Resolution darauf hin, dass die Türkei noch sieben der insgesamt 72 erforderlichen Kriterien für die Visabefreiung erfüllen müsse. Das spielt angesichts des EU-Flüchtlingsdeals mit der Türkei eine besondere Rolle, die Visa-Befreiung ist eine zentrale Bedingung Ankaras für das Abkommen.

Nicht bindend, aber politisches Signal
Die Haltung des EU-Parlaments ist für die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten zwar nicht bindend, aber dennoch ein starkes politisches Signal: Es ist das erste Mal, dass sich eine EU-Institution für einen Stopp der EU-Annäherung der Türkei ausspricht. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte zuletzt, mit einem Aussetzen der Gespräche würden alle Chancen auf eine bessere Zusammenarbeit verloren gehen.

Unter den EU-Staaten fand sich zuletzt keine Mehrheit für das Einfrieren der Gespräche. Die Staaten erklärten, trotz der Festnahme hochrangiger kurdischer Oppositionspolitiker und Journalisten an den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorerst festhalten zu wollen. Österreich pocht hingegen schon seit Längerem auf einen Stopp der Beitrittsverhandlungen. Übereinstimmung herrscht in der Union allerdings über das weitere Vorgehen angesichts der Pläne Erdogans zur Wiedereinführung der Todesstrafe: Wird sie eingeführt, hätte das ein Ende der Gespräche zur Folge.

Völliger Abbruch nur einstimmig möglich
Ein Abbruch der Beitrittsverhandlungen wäre nur mit einstimmigem Beschluss der EU-Staaten möglich. Vom völligen Abbruch der Gespräche ist eine Suspendierung, also ein Aussetzen oder Einfrieren der Beitrittsverhandlungen für einen bestimmten Zeitraum, zu unterscheiden. Diese kann laut dem Verhandlungsmandat mit einer Mehrheit der EU-Staaten entschieden werden. Beide Schritte können ausschließlich auf Vorschlag der EU-Kommission geschehen.

Wenig beeindruckt von der Abstimmung im EU-Parlament hatte sich Erdogan bereits im Vorfeld gezeigt. "Ich rufe allen, die uns vor den Bildschirmen zusehen, und der ganzen Welt zu: Egal wie das Resultat ausfällt, diese Abstimmung hat für uns keinen Wert", sagte der türkische Präsident am Mittwoch in Istanbul. Nach der Abstimmung am Donnerstag tönte der türkische EU-Minister Ömer Celik ganz ähnlich: "Im Grunde genommen halten wir diese Entscheidung für null und nichtig."

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