In Wien brodelt's

So schadet der SPÖ-Streit Van der Bellen und Kern

Österreich
22.11.2016 09:17

Den Bezirksvorsitz in der Leopoldstadt verloren, Grabenkämpfe zwischen linkem und rechtem Flügel, Landesparteitag vorverlegt, Kampfabstimmungen und Köpferollen für das Frühjahr angekündigt: Der Herbst hat innerhalb der Wiener SPÖ einen Scherbenhaufen hinterlassen. Von den internen Streitereien betroffen sind auch SPÖ-Kanzler Christian Kern und Hofburg-Kandidat Alexander Van der Bellen. Beide brauchen für ihre anstehenden Wahlschlachten eines: eine starke und geeinte Wiener SPÖ.

Selbst der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Häupl wirkte nach der internen Krisensitzung am Montag einigermaßen angeschlagen und ratlos, was die zukünftige Ausrichtung seiner Partei betrifft. Zwar fand die angekündigte Revolution (noch) nicht statt, jedoch bleibt die Situation verfahren. Am Parteitag im Frühjahr 2017 (spätestens im April) droht eine neue Stufe der Eskalation.

Die Situation kurz erklärt: Der linke Parteiflügel, der hinter Stadträtin Sonja Wehsely steht, rebelliert gegen den rechten Flügel, der wiederum Stadtrat Michael Ludwig unterstützt. Und umgekehrt. So oder so pochen die großen Flächenbezirke, die hinter Ludwig stehen, auf rasche Reformen. Auch Häupl selbst ist längst nicht mehr unumstritten. "Der Bürgermeister ist nicht bereit, loszulassen und Platz zu machen für inhaltliche und personelle Erneuerungen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit", sagte Ex-Landesparteisekretär Christian Deutsch am Montag nach der Krisensitzung.

Ex-Bundesgeschäftsführer: "Kern braucht starkes Wien"
Nicht nur Häupl ist klar, dass eine angeschlagene und zerstrittene Wiener Basis Kanzler Kern bei einer vorgezogenen Nationalratswahl (eventuell schon im Mai 2017?) nur schaden kann. Politexperten sind sich einig: Wien ist die letzte rote Bastion in Österreich - und wenn diese Bastion fällt und der Richtungsstreit nicht bald aufhört, würde das die gesamte SPÖ mitreißen. Im Klartext: Ohne eine geeinte Wiener SPÖ könnte eine vorgezogene Nationalratswahl für Kern mit einer desaströsen Niederlage enden. Sein politisches Ende wäre damit wohl besiegelt.

Bereits in der Vorwoche hatte Ex-SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid dazu klare Worte gefunden: "Ich mache mir um den Zustand der SPÖ große Sorgen." Schmid sprach von "Reformstau und Stillstand" bei den Wiener Sozialdemokraten. Gerade jetzt brauche der Kanzler aber ein starkes Wien.

Video: Bei SPÖ-Parteitag drohen jetzt Kampfabstimmungen

Umfragewerte Kerns waren schon einmal besser
Kern sollten auch die aktuellen Umfragen zu denken geben. Bei der jüngsten Kanzlerumfrage, die von ATV und dem Wiener Gratisblatt "Heute" durchgeführt wurde, verlor er vier Prozentpunkte und erreichte "nur" noch 28 Prozent - im September waren es noch 32 Prozent gewesen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kam als Zweitplatzierter auf 16 Prozent. "Kerns Reputationskurve erlitt erstmals eine Delle", so Meinungsforscher Peter Hajek. Bundesweit liegt die SPÖ mit 27 Prozent noch immer sechs Prozentpunkte hinter der FPÖ auf Platz zwei.

Ohne geeinte Wiener SPÖ auch schlechte Karten für Van der Bellen
Doch auch dem Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen kommen die aktuellen Streitereien innerhalb der Wiener SPÖ nicht gerade gelegen, obwohl Kanzler und Bürgermeister eine Wahl des Ex-Grünen-Chefs forcieren und für ihn innerhalb der SPÖ werben. Sollte der Richtungsstreit innerhalb der Wiener Genossen anhalten, könnten einige enttäuschte Mitglieder aus Trotz nicht zur Wahl am 4. Dezember gehen und so ein ähnlich gutes Ergebnis Van der Bellens in der Bundeshauptstadt - wo er bei der annullierten Stichwahl 63,3 Prozent erreichte - verhindern.

Eines ist klar: Ohne noch einmal in Wien kräftig abzuräumen, würden die Siegchancen Van der Bellens massiv sinken. Zudem sah man bei der Krisensitzung am Montag, wie stark mittlerweile der rechte Flügel - die sogenannten Reformer - innerhalb der Wiener SPÖ ist. Nicht auszuschließen ist, dass einige von ihnen bei der Hofburg-Wahl überhaupt dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer ihre Stimme geben, um neue Streitigkeiten innerhalb der Basis zu provozieren.

Gewinnt Hofer, steigt Druck auf Häupl und Kern weiter
So gesehen ist der Ausgang der Bundespräsidentenwahl nicht unwesentlich für die Wiener SPÖ. Nur ein Sieg Van der Bellens könnte für etwas Ruhe in den roten Reihen sorgen. Häupl hätte dann etwas Zeit gewonnen, um die Wogen zu glätten und sich in Ruhe auf den Parteitag vorzubereiten. Gewinnt allerdings Hofer die Wahl, wäre das nicht nur eine persönliche Niederlage von Häupl und Kern - die internen Grabenkämpfe könnten sich danach weiter zuspitzen. Gut möglich, dass die Wiener SPÖ dann ihre angekündigten Personalrochaden in der Stadtregierung früher als geplant vorantreibt und nicht mehr bis zum Parteitag im Frühjahr wartet.

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