"Krone" vor Ort

Irak – ein Land zwischen Schönheit und Schrecken

Ausland
08.10.2016 10:09

"Sie müssen das Hotel wechseln", sagt der Vertreter des irakischen Tourismusministeriums. "Zu gefährlich." Der Stadtteil Karada in Bagdad. Heimat des Obersten Islamischen Rats. Und auch meines Hotels. Der vornehmlich von Schiiten bewohnte Bezirk war zuletzt oftmals von schrecklichen Anschlägen betroffen. Alltag in Bagdad, der Hauptstadt des Irak. Ein "Krone"-Lokalaugenschein.

Bagdad: Zerrissen. Geteilt. Hektisch. Kaum hundert Meter ohne Checkpoint. Armee. Polizei. Miliz. Mit einem österreichischen Pass wissen nur die wenigsten etwas anzufangen. Nicht immer ein Nachteil. Die Stadt steht sinnbildlich für den Irak. Schön und schrecklich zugleich. Zerbombte Fassaden und Autos neben neuen Häusern, Hotels und einem reichen Fundus an Weltkultur.

Ctesiphon, Babylon, Ur, Uruk, Nippur, das Minarett und die Goldene Moschee von Samarra. Der Schrein von Kerbala, Kufa und Najaf. Jahrtausende von Weltgeschichte. Aller Religionen. Atemberaubend schön. In einem Land, an das nur noch wenige glauben.

"Das Land hat keine Zukunft"
Das Leben im Irak bedeutet Krieg und Tod. Wie bei Jamal, heute als Sicherheitsexperte tätig. In den 80ern als Soldat im Irak-Iran-Konflikt, den Golfkriegen. Auf Seiten der USA gegen Saddam Hussein, die Milizen von al-Sadr, Al-Kaida, den IS. Onkel, Bruder und Schwager sind gefallen.

Nach Abzug der US-Truppen wurde sein Haus konfisziert. Er als Verräter denunziert. "Das Land hat keine Zukunft", sagt der 56-Jährige. "Wenn wir den IS besiegen, steht uns der Konflikt mit den Kurden bevor."

Der irakische Premierminister Haider al-Abadi warnte die Kurden erst diese Woche, den Sturm auf Mossul zur Gebietsexpansion zu nutzen. "Zwecklos", sagt Jamal. "Den Irak wird es in der Form nicht mehr geben."

Rauchsäulen in der Ferne
Mossul. Die letzte Hochburg der Terrororganisation Islamischer Staat im Irak. 400 Kilometer nördlich von Bagdad. Je weiter die Reise nach Norden geht, desto spürbarer wird der Krieg. Die Einschusslöcher in den Checkpoints häufen sich. Eine Brücke nach Falluja - zerstört. Die Zufahrt versperrt. In Samarra, etwa 70 Kilometer vor Tikrit, ist Endstation. In der Ferne Rauchsäulen, Explosionen, Gewehrfeuer. Nicht immer sind es Kämpfe. Bandenkriege, Plünderer, rivalisierende Clans.

Das Stadtbild von Samarra, das erst vor einigen Wochen aus den Klauen des IS befreit wurde, wird beherrscht von der irakischen Armee und Verbänden der schiitischen al-Hashd-al-Shaabi-Milizen. Arrogant. Unfreundlich. Im Gegensatz zu den Einheimischen. "Der Schiit ist gut, der Sunnit böse", erklärt Jamal das Credo der Milizen, während er überzuckerten Tee einschenkt und Gebäck reicht. "Beim IS war es umgekehrt." Der Fall der Terrororganisation aber sei nur noch eine Frage der Zeit.

Mein Blick wandert hinüber zum Minarett, dann zur Kuppel der goldenen Moschee. Schönheit und Schrecken. Selten so nah beieinander wie im Irak.

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