Entwickler-Interview

“Mafia III”: Wer ist der bessere Pate?

Spiele
09.10.2016 09:00

Seit Freitag können Gamer auf PC, Xbox One und PS4 in "Mafia III" Vergeltung üben und zum gefürchteten Verbrecherboss aufsteigen. krone.at hat aus diesem Anlass mit Matthias Worch, beim kalifornischen Entwicklerstudio Hangar 13 als Design Director für alle Gameplay-Entscheidungen verantwortlich, über die Faszination Mafia, unrühmliche F-Wort-Rekorde und die Frage, wer der bessere Pate ist, geplaudert.

krone.at: Mit "Mafia III" hat sich Hangar 13 an die Fortsetzung eines gefeierten und erfolgreichen Vorgängers gemacht. Was ist dabei der eigene Anspruch als Studio und gegenüber den Fans der Serie gewesen?

Matthias Worch: Ich denke, wenn man als neues Studio ein Spiel oder eine erfolgreiche und beliebte Serie wie "Mafia" übernimmt, dann muss man als Fan an die Sache herangehen. Wir haben mit Hangar 13 ein komplett neues Studio aufgebaut, das sich wirklich um diese Serie gescharrt hat und das Ganze als einen Glücksfall ansieht. Natürlich haben wir uns hingesetzt und darüber geredet, was uns an der Reihe gefällt und was uns daran begeistert hat.

Unser Anspruch war ganz einfach, die Entwicklung der Serie so weiterzuführen, dass es niemand merkt, dass da ein anderes Studio dransitzt. Was uns an "Mafia" gefällt, ist ganz einfach, dass man in eine andere Zeitperiode und Umgebung eintauchen und sich darin komplett verlieren kann, und als Spieler dann ein bisschen eine Perspektive zu dieser Zeit und diesem Ort bekommt, die man vorher wahrscheinlich nicht hatte. Und dann natürlich das Gefühl hat, eine filmreife Story mit einer filmreifen Inszenierung als Spiel umgesetzt zu sehen.

Bei welchen Kernelementen der Vorgänger war von Anfang an klar, dass sie auch in die Fortsetzung kommen müssen bzw. besser dem Rotstift zum Opfer fallen?

Rotstift weiß ich gar nicht so, ehrlich gesagt. Wir haben uns bei "Mafia I" und "Mafia II" keine Sachen angeguckt und dann gesagt: 'Das wollen wir nicht mehr machen.' Als Fans haben wir uns vielmehr überlegt, was uns wichtig ist. Eine Sache, die wir - neben der bereits erwähnten Zeitperiode - versucht haben, herauszuarbeiten, ist die offene Spielwelt.

"Mafia I" und "Mafia II" waren zwar schon Open-World-Spiele, aber da hat man in der offenen Welt nicht so viel gemacht, wie man hätte machen können. Deshalb war uns wichtig, die offene Welt in "Mafia III" wirklich zur Geltung kommen zu lassen. Wir wollten unsere Version von New Orleans, also New Bordeaux, so weit ausarbeiten, dass die Stadt ein Leben hat, auch wenn der Spieler jetzt nicht wäre. Das heißt sie funktioniert und gibt es unabhängig vom Spieler eh, und kommt dementsprechend sehr gut rüber.

Was macht New Orleans im Vergleich mit anderen US-amerikanischen Wirkungsstätten der Mafia wie etwa Miami oder Las Vegas als Schauplatz so besonders reizvoll?

Was uns an New Orleans sehr gereizt hat, ist, dass es eine Stadt ist, die jeder irgendwie kennt, ob aus Filmen oder Serien, aber sich noch nie richtig erschlossen hat. New Orleans ist von den Franzosen gegründet worden, dann hatten die Spanier Einfluss, zudem gibt es sehr viele Einflüsse aus Kuba und Haiti - und das schlägt sich in der Umgebung nieder.

Als Mafia-Stadt ist New Orleans tatsächlich eine der ältesten Wirkungsstätten der Mafia in Amerika. Die Sizilianer sind damals als allererstes in New Orleans angekommen und haben sich von dort ausgebreitet. New Orleans hatte mit Carlos Marcello einen der ältesten und einflussreichsten Mafia-Bosse der amerikanischen Geschichte, und nach seinem Vorbild haben wir dann auch unseren Bösewicht Sal Marcano ausgelegt.

Marcello hat die Stadt für mehrere Jahrzehnte unter seinem Drücker gehabt und soll zum Beispiel für die Ermordung John F. Kennedys verantwortlich gewesen sein. Wenn man das weiß und weiß, dass New Orleans damit etwas zu tun hatte, dann kann man sich sehr schnell vorstellen, wie das Ganze eine sehr reizvolle und neue, interessante "Mafia"-Geschichte bieten kann.

Nachdem die Wahl auf New Orleans gefallen war, wie geht man an die Erschaffung einer virtuellen Stadt heran?

Wir haben natürlich damit angefangen, uns sehr intensiv mit New Orleans auseinanderzusetzen und alle möglichen Referenzen heranzuschaffen. Dann haben wir eine Delegation nach New Orleans geschickt, die sich alles angeguckt, Referenzfotos gemacht und den Charakter der Stadt eingefangen hat. Wir haben uns zudem angeschaut, wie New Orleans in anderen Medien - Filmen, Serien und allem, was wir finden konnten - dargestellt wurde und anschließend versucht, die Essenz der Stadt herauszufinden.

Am Ende gab es eine Liste der verschiedenen Aspekte, die auf jeden Fall in unserer Version der Stadt drin sein mussten. Sofern wir die Sache richtig gemacht haben, was ich auf jeden Fall glaube, haben wir eine kondensierte Version von New Orleans, die all die wirklich guten Aspekte von New Orleans einfängt und ihren Charakter jedes Mal neu offenbart. Was wir allerdings auch noch machen mussten, als P.S. vielleicht, ist sicherzustellen, dass die Stadt tatsächlich fürs Spielgeschehen geeignet ist. Eine Sache, die wir zum Beispiel - hoffentlich sehr unmerklich - gemacht haben, ist, dass wir die engen Gassen des French Quarter so erweitert haben, dass der Spieler immer noch Spaß daran hat, darin zu spielen und etwa bei Verfolgungsjagden mit dem Auto ohne anzuecken schön um die Straßenecken schlittern kann.

"Every Player's Story is Unique" lautet das Motto von Hangar 13. Was bedeutet das konkret für den Handlungsverlauf von "Mafia III"? Gibt es beispielsweise alternative Enden oder unwiderrufbare Entscheidungen?

Diese Idee, dass sich jeder Spieler im Spielgeschehen selbst wiederfindet und dass jede Spielgeschichte anders verläuft, ist tatsächlich unser Motto und gilt in "Mafia III" auf irgendeine Art und Weise auf allen Ebenen des Spiels. In Sachen Gameplay geht es uns darum, dass es immer mehrere Möglichkeiten gibt, sich mit einer Situation auseinanderzusetzen. Beispielsweise kann man ganz diskret vorgehen oder sich einfach eine Waffe schnappen und alle Leute zusammenschießen.

Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, wie sich solche Situationen entwickeln können. Da mag man zum Beispiel einen Informanten gefunden haben, aus dem man Infos herausquetschen will, und entweder zunächst leise all seine Handlanger außer Gefecht setzen, bis er ganz alleine da ist, um ihn in Ruhe zu vernehmen; oder man versucht, die Leute zu erschießen und den Informanten am Bein anzuschießen, dass er nicht wegkriechen kann. Es mag aber auch sein, dass er tatsächlich entkommt und zu seinem Auto läuft. Wenn man schnell genug ist, kann man in das Auto springen, ihn auf den Beifahrersitz schmeißen und anfangen, wie ein Verrückter durch die Stadt zu fahren, bis der Informant auspackt.

"Every Player's Story is Unique" soll sich aber auch auf die ganze Spielgeschichte auswirken, was bedeutet, dass die Entscheidungen, die während des Spiels getroffen wurden, dessen Ende beeinflussen. Das kann man zum Beispiel daran festmachen, dass wir drei Unterbosse haben, die dem Protagonist Lincoln Clay dabei helfen sollen, Sal Marcano auszuschalten, sich im Gegenzug dafür jedoch auch etwas versprechen. Werden sie immer wieder enttäuscht, kann das dazu führen, dass sie irgendwann genug haben und sich schlimmstenfalls sogar gegen Lincoln Clay und den Spieler wenden. Wie genau sich diese unkonventionelle Mafia-Familie entwickelt und ob alle drei Mitglieder glücklich sind, wird sich auf die Geschichte auswirken.

Was macht Ihrer persönlichen Meinung nach die Faszination Mafia aus?

Was für mich sehr interessant an diesen Mafia-Geschichten ist, dass sie nicht Schwarz und Weiß sind, sondern dass es jede Menge Graustufen gibt, und dass die Helden oder Anti-Helden sehr viele Facetten und Beweggründe haben, mit denen man gar nicht übereinstimmen muss, aber die man immer irgendwie verstehen und über die man sich Gedanken machen kann.

Mit der häufigen Verwendun "Mafia III" in dieser Hinsicht einen neuen Maßstab setzen oder übt man sich in vornehmer Zurückhaltung?

Diesen Rekord, ich glaube, es war wirklich ein offizieller Rekord, den mag es geben und er existiert vielleicht immer noch, aber darüber haben wir uns, ehrlich gesagt, nicht unterhalten und keine Gedanken gemacht (lacht). Uns ist einfach wichtig, dass die Leute in dem Spiel authentisch wirken und da haben "Mafia I" und "Mafia II" auch nie davor zurückgeschreckt, die verschiedenen Ethnien und Bevölkerungsgruppen so darzustellen, wie sie damals waren. Wie oft wir das F-Wort jetzt in "Mafia III" haben, weiß ich selbst gar nicht. Keine Ahnung, ob wir den Rekord brechen werden oder nicht.

Das Thema Gewalt in Computerspielen wird nach wie vor kontrovers diskutiert und ist gerade bei einem Spiel wie "Mafia" allgegenwärtig. Setzt man sich als Entwickler in Bezug auf die Darstellung von Gewalt gewisse Grenzen bzw. sollte es diese in Spielen überhaupt geben?

Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Deutschland ist diese Frage gerade sehr brisant, weshalb ich mich dazu nicht äußern möchte. Nicht, weil ich keine Meinung dazu habe oder das Ganze nicht differenziert diskutieren könnte, sondern vielmehr, weil es momentan viele Menschen in den falschen Hals bekommen könnten. Wir machen uns auf jeden Fall darüber Gedanken, was wir in Spielen darstellen und wollen sicherstellen, dass alles in unseren Spielen auf irgendeine Art und Weise immer motiviert ist und nie einfach nur aus Jux und Dollerei geschieht.

Ich behaupte, dass wir uns als Gesellschaft eigentlich die letzten Jahre sehr gut darauf verständigt haben, dass Computerspiele einfach ein Teil unserer Medienlandschaft sind und dass wir jetzt mehrere Generationen haben, die mit Computerspielen aufgewachsen sind und genau wissen, wie sie mit diesen Spielen umzugehen haben. Diese Spiele haben sich, meiner Meinung nach, nichts vorzuwerfen, sie müssen ganz einfach nur von den richtigen Leuten und den richtigen Altersgruppen verantwortungsvoll konsumiert werden.

Welche fünf Mafia-Filme sollte man unbedingt gesehen haben?

Ich könnte jetzt natürlich die Paten-Filme nennen, aber die Filme, die wir uns angesehen und die Einfluss auf die Entwicklung des Spiels genommen haben, waren etwa "Goodfellas", weil das ein Film ist, der uns zeigt, wie sich die Mafia zwischen den 60er- und 70er-Jahren verändert hat und brutaler wurde. "Cocaine Cowboys" ist ein anderer Film bzw. eine Dokumentation, die wir uns gut angesehen haben und die anhand von Miami zeigt, wie Mafia und Drogen eine Stadt komplett verändern können.

Ansonsten finde ich "Scarface" sehr schön. "Payback" ist ebenfalls sehr interessant - zum einen, weil es zwei verschiedene Schnitte davon gibt, zum anderen, weil es ein etwas anderer Mafia-Film ist, wo es tatsächlich genau wie bei Lincoln Clay darum geht, wie man Rache übt und die Mafia unterwandert. Zwischen "The Departed" und "L.A. Confidential" will ich mich jetzt nicht entscheiden, aber ich glaube, zumindest einen Mafia-Film sollte man gesehen haben, in dem es um die Perspektive der Polizei geht und wie Mafia und das Gesetz Hand in Hand oder gegeneinander gearbeitet haben.

Abschließende Frage: Marlon Brando oder Al Pacino - wer ist der bessere "Pate"?

(Lacht) Egal, welche Antwort ich hier gebe, irgendjemand wird mir dafür aufs Dach steigen, aber für mich ist es Al Pacino. Ganz einfach deshalb, weil sich das auch in "Mafia III" wiederfindet: Da gibt es diese Wende, als Vito (Brando) merkt, dass er zur alten Garde zählt, das Geschäft Michael (Pacino) überlassen muss und die Zukunft den Jüngeren gehört, die sich mit der Mafia und den Gegnern der Mafia dann auch so auseinandersetzen können, wie es Vito vielleicht nicht mehr konnte. Das ist genau der Grund, warum Lincoln Clay der italienischen Mafia in unserer Geschichte so sehr zusetzen kann, weil er tatsächlich mit neuen Methoden ankommt, denen Sal Marcano nichts mehr entgegensetzen kann. Ich glaube, das wäre bei Vito alias Marlon Brando genauso gewesen, aber Al Pacino als Michael hätte ihm vielleicht etwas entgegensetzen können.

Vielen Dank für das Gespräch.

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