Meine Geschichte

Spielsucht: “Ich habe über eine Million verspielt”

Leben
28.09.2016 17:00

Spielsucht! Josef Kern verlor sein Geld, sein Haus und ruinierte seine Familie. Das Protokoll eines Spielers, der tief fallen musste, um endlich aufzuwachen.

Wenn der Automat klingelt, vibriert und blinkt, dann ist das wie ein Rausch. Und dieser Glückszustand, auch wenn es nur ein kurzer Moment ist, bestimmt dein ganzes Denken. Es geht nur noch darum, wo und von wem du Geld herbekommst, damit zu dich in Ekstase versetzen kannst.

Der Drang zu spielen, immer wieder zu spielen, hat mein Leben zerstört. Nicht nur mein eigenes. Auch das meiner Ehefrau und teilweise auch das meiner beiden Kinder.

Im Casino den Schmerz betäubt
Zwei sind noch am Leben, unsere Zwillinge sind gestorben. Eines der Mäderln am plötzlichen Kindstod, das andere an Kehlkopfdiphtherie. Es ist in meinen Armen verblutet. Überwunden habe ich das nie. Heutzutage würde man nach so etwas zum Psychologen gehen. In den 1970er-Jahren war das bei uns einfachen Leuten auf dem Land kein Thema. Stattdessen bin ich ins Spielcasino gerannt, um mich abzulenken. Wenn ich wie hypnotisiert vor den Automaten gesessen bin, dann musste ich nicht daran denken, dass zwei meiner Kinder tot sind.

Am Anfang ist es nicht aufgefallen, wie viel Geld ich verprasst habe. Als Außendienstler für Lacke habe ich gut verdient, und meine Frau vertraute in Finanzangelegenheiten ganz auf mich. Zunächst war nur unser Konto überzogen, danach musste ich Dutzende Kredite aufnehmen.

Am Ende wurde ich zum Kriminellen
Dann folgte die Hypothek auf unser Haus in Mariazell. Heimlich habe ich auch den Goldschmuck meiner Frau versetzt und alle Bekannten angepumpt.

Natürlich gewann ich auch ab und zu was. Aber das reichte nicht annähernd aus, um dem immer größer werdenden Schuldenberg Herr zu werden. Innerhalb von 20 Jahren hatte ich über eine Million Schilling verspielt. Am Ende wurde ich sogar zum Kriminellen, weil ich Kunden abkassierte, ohne ihnen die georderte Ware zu liefern. Ich war ein Betrüger geworden. Und ein schlechter Vater. So habe ich meiner Tochter ihren Firmausflug verwehrt, weil ich das Geld lieber ins Casino tragen wollte. Auch die Schulskikurse fielen aus.

Trotzdem hat mich meine Familie nie fallen lassen. Als Erwachsene haben meine Kinder sogar einen Teil der Schulden übernommen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass ich mich für geschäftsunfähig erklären lasse. Das war meine Rettung. Nur so konnte man mich von den Automaten fern halten.

Ich träume noch vom Rauschzustand
Mittlerweile bin ich für alle Spielhallen in Österreich gesperrt. Und ich beteilige mich an einer Sammelklage gegen die Automatenfirma.

Ich träume immer noch vom Rauschzustand beim Spielen. Das ist wie bei einem trockenen Alkoholiker. Geheilt ist man nie. Aber statt ins Casino gehe ich heute in den Wald. Dort blinkt zwar nichts, aber das Rauschen der Bäume im Wind wirkt auf mich wie ein Beruhigungsmittel.

Tipps und Infos:

  • Rund ein Prozent der Österreicher (64.000 Personen) ist spielsüchtig. Am stärksten gefährdet sind junge Männer.
  • Spielsucht wird durch die Unfähigkeit gekennzeichnet, dem Impuls zum Glücksspiel oder Wetten zu widerstehen, auch wenn dies gravierende Folgen nach sich zu ziehen droht.
  • In Österreich können sowohl der Bund als auch die Länder Lizenzen für das "Kleine Glücksspiel" vergeben. In jenen Bundesländern, in denen Spielautomaten verboten sind, vergibt das Land solche Lizenzen nicht mehr. Das sind derzeit Wien, Salzburg, Tirol und Vorarlberg.

Haben Sie auch ein Schicksal gemeistert und können damit anderen Mut machen? Bitte schreiben Sie uns: brigitte.quint@kronenzeitung.at

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(Bild: kmm)



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