Ganzes Land trauert

Israels großer Staatsmann Shimon Peres ist tot

Ausland
28.09.2016 05:57

Der ehemalige israelische Präsident und zweimalige Premier Shimon Peres ist in der Nacht auf Mittwoch im Alter von 93 Jahren gestorben. Der letzte Vertreter der politischen Gründergeneration Israels war vor einer Woche in das Sheba-Krankenhaus in der Nähe von Tel Aviv gebracht worden und hatte dort eine Hirnblutung erlitten. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gab sich Mittwochfrüh bestürzt und erklärte, der Friedensnobelpreisträger Peres sei "vom ganzen Volk geliebt" worden. Zu Österreich hatte der große Staatsmann eine besondere Beziehung.

Wie der israelische Rundfunk berichtete, starb der 93-Jährige im Beisein seiner Familie. Nach einem Schlaganfall Anfang September war Peres an ein Beatmungsgerät angeschlossen und in Narkose versetzt worden. Bereits zu Jahresbeginn hatte der Friedensnobelpreisträger einen Herzinfarkt erlitten, vor einem Monat war ihm ein Herzschrittmacher eingesetzt worden.

"Ein Verlust für das ganze Volk Israel"
Peres' Sohn Chemi sagte in der Früh im Sheba-Krankenhaus: "Er war einer der Gründervater Israels. Sein wichtigstes Anliegen war es immer, dem jüdischen Volk zu dienen." Der Tod seines Vaters sei "ein Verlust für das ganze Volk Israel, der Schmerz ist uns allen gemeinsam". Premier Netanyahu sagte, die Regierung werde sich zu einer Trauersitzung versammeln. Peres' Sarg soll am Donnerstag im Parlament aufgebahrt werden, am Freitag werde mit dem Begräbnis gerechnet, berichtete das israelische Fernsehen.

Obama: "Peres hat den Lauf der Geschichte verändert"
Die Nachricht vom Tod Peres', der auch bei seinen politischen Gegnern als großer Staatsmann anerkannt war, löste weltweit Bestürzung aus. US-Präsident Barack Obama würdigte den Verstorbenen als einen Mann, der seinen Traum vom Frieden niemals aufgegeben habe: "Es gibt wenige Menschen auf der Welt, die den Lauf der menschlichen Geschichte verändern. Mein Freund Shimon war einer dieser Menschen", sagte Obama in Washington.

In Berlin strich der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck neben dem Ringen des Verstorbenen um Frieden zwischen Israel und den Palästinensern vor allem dessen Bereitschaft zur Versöhnung hervor. "Trotz der Gräueltaten, die Deutsche an seiner Familie und seinem Volk während des Holocausts verübten, reichte Shimon Peres uns die Hand. Für diese Haltung sind wir ihm von Herzen dankbar." Peres habe sein Leben in den "Dienst von Frieden und Versöhnung" gestellt.

Als Bub ins britische Mandatsgebiet Palästina gekommen
Szymon Perski wurde am 2. August 1923 im ostpolnischen Wischnewa geboren, das heute zu Weißrussland gehört. Als Elfjähriger kam er ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina. Er nannte sich fortan Shimon Peres und glich seinen Geburtstag dem jüdischen Kalender und dem Datum seiner Alija, der Rückkehr ins Gelobte Land, an.

48 Jahre lang im Parlament, Mitglied von 16 Regierungen
Mit 29 Jahren wurde Peres von seinem politischen Ziehvater, Staatsgründer David Ben Gurion, zum Generaldirektor im Verteidigungsministerium ernannt. Zweimal war der Sohn eines Holzhändlers Regierungschef, je dreimal Verteidigungs- und Außenminister. Peres saß 48 Jahre lang für drei verschiedene Parteien in der Knesset und gehörte 16 Regierungen an. Von 2007 bis 2014 war er schließlich Staatspräsident. So prägte er entscheidend Israels Geschicke mit. Als letzter Vertreter der politischen Gründergeneration wurde er auch für seine nicht versiegende Vitalität bewundert.

Dabei galt Peres, obwohl er 19 Jahre lang die israelische Arbeitspartei führte, als "ewiger Zweiter", der keine Wahlen gewinnen konnte und zumeist im Schatten charismatischerer Politiker agierte. Regierungschef wurde Peres nie als Wahlsieger, sondern einmal mit Übergangsmandat nach der Ermordung von Premier Yitzhak Rabin und einmal im Rahmen einer Rotationsabsprache. Peres trat lange als Falke im linken Lager und ewiger Rivale des Reformers Rabin auf: So gab er 1975 als Verteidigungsminister im Widerspruch zur Haltung seiner Arbeitspartei ultranationalistischen Siedlern, die die ersten drei jüdischen Siedlungen im Herzen des Westjordanlandes errichteten, Rückendeckung.

"Vater" des Atomprogramms und Friedensnobelpreisträger
Peres gilt auch als der "Vater" des israelischen Atomwaffenprogramms, das er Anfang der 1950er-Jahre mit französischer Unterstützung eingefädelt hatte. Auch deshalb wurde 1994 Kritik daran laut, dass der damalige Außenminister Peres den Friedensnobelpreis zugesprochen bekam - gemeinsam mit Rabin und Palästinenserführer Yasser Arafat für das Osloer Friedensabkommen, das allerdings keine langfristige Lösung im Nahostkonflikt brachte.

Peres hatte "gute Freunde in Österreich"
Zu Österreich hatte Peres eine besondere Beziehung. Das zeigte sich unter anderem daran, dass er 2014 einen seiner letzten Staatsbesuche kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt in Österreich absolvierte. In einem Interview mit der "Krone" erklärte Peres diese Entscheidung damals damit, dass er "gute Freunde in Österreich" habe. Dazu zählte er den damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer, aber auch den ehemaligen SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky.

In seiner jahrzehntelangen politischen Tätigkeit hatte Peres alle Höhen und Tiefen der komplizierten Beziehungen zwischen Österreich und Israel hautnah miterlebt und auch maßgeblich beeinflusst. So war er etwa als damaliger Außenminister an der Normalisierung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern nach der jahrelangen Eiszeit wegen der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten beteiligt. Im November 1992 besuchte Peres als erster israelischer Außenminister seit 19 Jahren Österreich. Ein Jahr später legte Bundeskanzler Franz Vranitzky bei einem Israel-Besuch ein historisches Bekenntnis zur österreichischen Mitverantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus ab.

Traum von Frieden in Israel blieb unerfüllt
Was den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern betrifft, hatte sich Peres schließlich der Zweistaatenlösung verschrieben - "verspätet, aber rückhaltlos", wie der Publizist David Landau, der mit Peres zwei Biografien verfasste, einmal erklärte. "Als Verkörperung der Hauptströmung der israelischen Politik personifiziert er den schmerzlichen und widerwilligen Bruch mit der Idee von Groß-Israel." Der Traum des Friedensnobelpreisträgers blieb aber unerfüllt: Gewünscht hatte er sich "einen jüdischen Staat mit dem Namen Israel an der Seite eines arabischen Staats namens Palästina, die einander nicht bekämpfen, sondern Seite an Seite in Freundschaft und Zusammenarbeit leben".

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