Gutachter am Wort

Warum der Todeslenker krank und gefährlich ist

Österreich
26.09.2016 15:04

Die erschütternden Einvernahmen der Opfer sind abgeschlossen, jetzt war der erste Gutachter am Wort. Für Universitätsprofessor Peter Hofmann besteht kein Zweifel, dass Alen R. (27) geisteskrank ist. Seine Diagnose "paranoide Schizophrenie" unterstreicht er mit dem Zusatz: "zu hundert Prozent". Die Amokfahrt sei ein "explosionsartiger Aggressionsausbruch" gewesen. Noch etwas sagt er: Alen R. ist brandgefährlich.

Es ist die Kernfrage im Prozess: Wusste Alen R., was er tat, als er mit seinem Auto durch die Grazer Altstadt raste und drei Menschen tötete und Dutzende teils schwer verletzte? Peter Hofmann ist überzeugt, dass der Amokfahrer an Verfolgungswahn leidet. Die Geisteskrankheit sei bei Alen R. anfangs nicht erkennbar gewesen, doch an jenem 20. Juni "explosionsartig" zum Durchbruch gekommen. Weil er fest glaubte, von Männern bedroht und sogar beschossen zu werden. Hofmann: "Ich habe ihn am Tag danach erstmals gesehen und in einem psychotischen Zustand vorgefunden."

Gutachter: "Unmöglich, diese Art von Störung zu spielen"
Vieles würde auch heute noch im Verhalten des "Betroffenen" auf eine Schizophrenie hindeuten. Zum Beispiel seine schwer verständliche Gefühlskälte, seine fast automatisch klingenden Reaktionen auf erschütternde Opferaussagen. Dann stellt Professor Hofmann auch klar: Seiner Meinung nach sei es unmöglich, über einen so langen Zeitraum hinweg "diese Art von Störung zu spielen". Zumal Alen R. sich in psychiatrischen Einrichtungen befand und von Fachpersonal beobachtet wurde.

Auch sein Verhalten kurz vor und während des Amoklaufes würde nicht gegen die Diagnose sprechen: "Dass er mit dem Auto bei einer roten Ampel stehen geblieben ist, sagt nichts. Das ist eine gelernte Fertigkeit, die durch die Krankheit nicht verloren geht. Die Schizophrenie, also der gespaltene Geist, besteht aus gesunden und kranken Anteilen. Auch dass er während der Fahrt lachte, ist erklärbar. Schizophrene lachen in den ungünstigsten Momenten."

Der Gutachter ist auch überzeugt, dass Alen R. gefährlich ist und vielleicht für immer bleibt. Er sei uneinsichtig, spreche schlecht auf Medikamente an und stelle keinen Zusammenhang zwischen Delikt und Krankheit her. Fast eine Stunde lang wird der Gutachter dann von den Richtern mit Fragen bombardiert. Sie können zum Beispiel nicht glauben, dass sich die Geisteskrankheit nur während der Amokfahrt so deutlich zeigte. Hofmann: "Ja, bei der Polizei fühlte er sich wieder in Sicherheit."

Auch Sachverständiger Manfred Walzl, der Alen R. für zurechnungsfähig hält, schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf. Er soll am Mittwoch sein Gutachten vortragen. Da könnte es auch das Urteil geben.

Droht Amokfahrer lebenslang?
Prozesse um Einweisungen in eine psychiatrische Anstalt sind üblicherweise Formalakte. Aber hier ist alles anders: Die Expertisen sind sehr unterschiedlich, selbst die Richter melden offen ihre Zweifel an. Die Geschworenen haben daher die Qual der Wahl.

In einem ersten Schritt müssen die Laienrichter entscheiden, ob Alen R. wegen dreifachen Mordes und mehr als hundertfachen Mordversuchs schuldig ist. Sagen sie Ja, lautet die nächste Frage: War er zur Tatzeit zurechnungsfähig? Beantworten sie diese mit Nein, dann würde der Todeslenker in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher landen, in einer Psychiatrie in einer Haftanstalt.

Erachten sie ihn aber für zurechnungsfähig, wird es spannend. Denn dann gilt er als schuldfähig, wird vom "Betroffenen" zum "Angeklagten". Und in diesem Fall würde Alen R. sogar lebenslange Haft drohen. Und die Einweisung in eine Anstalt wegen seiner Gefährlichkeit. Denn diese bestreitet kein Gutachter.

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