Grazer Amok-Prozess

Opfer zu Alen R.: “Ich glaube Ihnen kein Wort!”

Österreich
21.09.2016 16:43

Die Gerichtspsychiater werden ihre Gutachten erst in der nächsten Woche präsentieren, doch das Gericht und alle Beobachter beschäftigt schon jetzt die eine, alles entscheidende Frage: Wer ist Alen R. wirklich? Zieht der Mann im weißen Anzug vor Gericht nur eine Show ab? Lassen ihn die schweren Medikamente, die er verabreicht bekommt, so apathisch und abwesend wirken? Oder ist der Grazer Amoklenker einfach schwer krank? Eine klare Antwort ließ sich auch am zweiten Prozesstag nicht finden. Eines der Opfer konfrontierte deshalb Alen R. direkt: "Ich glaube Ihnen kein Wort!"

Auch diesmal kam Alen R. im weißen, zu weit geschnittenen Anzug, der an einen Sommerurlauber denken lässt, aber auch an Anstaltskleidung. Und auch diesmal waren seine Aussagen wenig erhellend. Staatsanwalt Hansjörg Bacher stellte die Fragen, die allen unter den Nägeln brennen. Was ist der Grund für das apathische, geistesabwesende Verhalten von Alen R.? Warum hat er nur die immer gleichen Stehsätze parat? - "Es tut mir leid." "Ich bin ein Opfer." "Ich kann mich nicht erinnern." Bacher: "Ist das jetzt sein Wesen, sind es Nebenwirkungen der Medikamente oder ist es Show?"

"Könnte gewolltes Verhalten sein"
Der Gutachter Manfred Walzl hat Alen R. im Lauf der Monate immer wieder getroffen, ihn dabei gut kennengelernt: "Er hatte verschlossene Phasen, war dann aber wieder sehr offen. Diese Wesensveränderung könnte von den Medikamenten kommen, könnte aber auch gewolltes Verhalten sein."

Fakt ist, dass der Mann, der gekrümmt auf der Anklagebank hockt, der jetzt hoch dosierte Medikamente bekommt, kaum in Einklang zu bringen ist mit jenem Mann, den man auf den Videos von den Einvernahmen direkt nach der Amokfahrt kennt. Dort war er aggressiv, höhnisch, keineswegs scheu, voller Empörung über die Welt, die im übel mitspiele.

Nur Verdacht auf Schizophrenie
Jürgen Müller, der das Obergutachten erstellt hat, das Alen R. für unzurechnungsfähig erklärt hat: "Er hatte früher mehr Antrieb. Ich denke, es sind die Medikamente. Aber vielleicht ist die akute Krankheitphase abgeklungen oder vielleicht spielt er." Bis heute, 15 Monate nach der Tat, gibt es keine definitive Krankheitsdiagnose, nur den Verdacht auf Schizophrenie. Müller: "Solche Diagnosen können sich über Jahre erstrecken."

Nicht ausschlaggebend dürfte der Cannabiskonsum von Alen R. gewesen sein. Er hat zwar höchstwahrscheinlich regelmäßig Cannabis geraucht, ob er aber auch bei der Amokfahrt unter Einfluss von Drogen stand, lässt sich nicht feststellen. Alen R: "Ich habe nur Tee getrunken. Vielleicht hat meine Frau da etwas hineingemischt."

Keine Manipulation an Airbags
Das Gerücht, Alen R. habe die Airbags manipuliert, um ihr Auslösen zu verhindern, wurde zerstreut. Kfz-Sachverständiger Peter Vyskocil: "Ich habe keine Spuren einer Manipulation entdeckt." Gutachter Eduard Leinzinger: "Bei Unfällen mit Fußgängern werden Airbags in der Regel nicht ausgelöst." Dass Alen R., wie er behauptet, keine Kontrolle über das Fahrzeug hatte und deshalb ständig auf dem Trottoir landete, dem widersprach Vyskocil: "Man erkennt auf den Videos, dass er ein guter Fahrer ist."

Bei den folgenden Aussagen der Opfer zeigt sich: Egal ob sie körperliche Verletzungen erlitten haben oder mit dem Schrecken davongekommen sind, traumatisiert sind sie alle. Eine Frau, der mit dem Seitenspiegel des SUV fünf Rippen zertrümmert wurden, sagt etwa: "Diese zynische Art, die Alen R. an den Tag legt, ist neuerlich ein schwerer Schlag für die Opfer."

Opfer: "Ich glaub Ihnen kein Wort"
Eine weitere Zeugin konnte sich selbst zwar retten, sah aber, wie ein Mann vom dahinrasenden Wagen erfasst und weggeschleudert wurde. "Und im Gras saß eine Frau mit weggedrehten Knochen", fügt die Frau hinzu.

Ein Zeuge wandte sich direkt an den Amoklenker: "Für uns Opfer mit all unseren Schmerzen und Ängsten sind Sie schuldig. Sie können jeden belügen, aber nicht Ihr Gewissen. Ein Leben lang." Und dann ging der Mann direkt auf Alen R. zu und sagte: "Ich glaub Ihnen nicht, was Sie sagen, kein Wort!"

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