Debatte um Badeanzug

Frankreich: Auch Sarkozy heizt Burkini-Streit an

Ausland
27.08.2016 16:30

Seit Wochen gibt es in Frankreich in dem aufgeheizten innenpolitischen Klima eigentlich nur eine Frage: Sind die Burkinis eine Gefahr für die öffentliche Ordnung? Auch wenn das oberste Verwaltungsgericht nun einen Riegel vorschiebt - die teils schrille Debatte um die Badeanzüge ist nicht vorüber. Ganz im Gegenteil: Jetzt geht der "Burkini-Krieg" erst richtig los im Zeichen des nahenden Präsidentschaftswahlkampfes. Und einer tut sich dabei besonders hervor: Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy.

Gegner des Verbots bejubelten die "Grundsatzentscheidung" des Staatsrats, also die Aufhebung des Verbots, als Sieg des Rechtsstaats und erwarten, dass damit auch die Verbote an anderen Orten fallen. Allerdings erklärten Vertreter mehrerer Kommunen, sie wollten an ihren lokalen Burkini-Verboten festhalten. Darunter sind Nizza und Fréjus an der Côte d'Azur. Mehrere Konservative und Vertreter der rechtsextremen Front National forderten ein Gesetz, um Burkinis im ganzen Land zu verbieten oder Bürgermeistern lokale Verbote zu ermöglichen.

"Verstoß gegen die guten Sitten"
Kritiker halten das Kleidungsstück im Land des Minirocks für ein politisches Symbol und verurteilen es als Provokation. Es verstoße unter den Bikinis gegen die "guten Sitten". Innenminister Bernard Cazeneuve rief nach der Entscheidung dazu auf, nun Verantwortung zu zeigen und zur Beruhigung beizutragen.

Der Vorsitzende des muslimischen Dachverbands hatte die Verbote als "politische Instrumentalisierung" zu Wahlkampf-Zwecken kritisiert. In Frankreich stehen in acht Monaten Präsidentschaftswahlen an, gerade die Rechte profiliert sich schon jetzt mit scharfen Forderungen zur Sicherheitspolitik und zum Umgang mit dem Islam.

Premier: "Unterdrückung der Frau"
Frankreichs Regierungschef Manuel Valls hatte sich hinter die lokalen Verbote gestellt und die Burkinis als "Unterdrückung der Frau" bezeichnet. Andere Mitglieder der sozialistischen Regierung äußerten sich aber kritischer, so hatte Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem gewarnt, die Verbote ebneten rassistischen Parolen den Weg. Präsident Francois Hollande hatte sich auffällig zurückgehalten, aber gemahnt, es dürfe "weder Provokation noch Stigmatisierung" geben.

Kommentar von Kurt Seinitz: Der Donald Trump von Frankreich
Frankreichs Burkini-Krieg nimmt hysterische Formen an. Und das in einer Nation, die sich so gerne ihrer "kollektiven Intelligenz" rühmt. Bürgermeister weigern sich, das höchstgerichtliche Urteil gegen ein Burkini-Verbot umzusetzen. Steht nun auch Frankreich vor dem allgemeinen Zerbröseln staatlicher Ordnung?

Als lautstarker Aufputscher profiliert sich der konservative Präsidentschaftsbewerber und höchst unrühmliche Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy in seinem Bemühen, Marine LePen auszustechen. Sarkozy will unter dem Hinweis auf Trennung von Staat und Religion gleich alle Kleidungsstücke bannen, die auf Religion hindeuten; natürlich nicht die Priester-Soutane oder das jüdische Keppi, "weil sie zu Frankreich gehören".

Mit dem vor fünf Jahren abgewählten Sarkozy steht Europa die Kopie des Donald Trump ins Haus. Er vertritt das alte französische Konzept der Abtrennung von (Kolonial-)Arabern. Sie wurden über Jahrzehnte vorsätzlich in Ghettos am Rande der Großstädte weggesiedelt. Damit hat sich allerdings Frankreich selbst, wie wir jetzt sehen, einen Bärendienst erwiesen.

Nicolas Sarkozy hatte sich als Innenminister und während seiner Präsidentschaft seines Konzepts gerühmt, rebellische Ghettos mit dem "Kärcher" (Hochleistungsreiniger) zu säubern. Danach kamen die schweren Terroranschläge.

Sarkozy hatte während seiner Amtszeiten nichts, aber auch gar nichts gelöst. Er ist vielmehr ein Musterexemplar für die Sorte von Politkern, die zu komplizierten Problemen die angeblich einfache Antwort kundtun; nein: die alles nur noch schlimmer machen.

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