Kurden im Visier

Das sind die wahren Ziele von Erdogan in Syrien

Ausland
25.08.2016 21:49

Wende im endlosen Bürgerkrieg in Syrien: Die erste türkische Bodenoffensive seit Kriegsbeginn rollt weiter. Erst ging es gegen den IS, jetzt gegen die syrischen Kurden. Ankara will deren Macht zurückdrängen. Nach der Vertreibung der IS-Terrormiliz aus der nordsyrischen Grenzstadt Jarablus will die Türkei ihren Militäreinsatz fortsetzen. "Willkommen im Syrien-Sumpf", ätzen kurdische Aktivisten. Die Türkei war jedoch von Anfang an an diesem Sumpf nicht unbeteiligt. Und deshalb ist gar nicht der IS der Grund des türkischen Einmarsches, wie "Krone"-Redakteur Kurt Seinitz in seinem Kommentar schreibt.

Denn das hätte die Türkei schon viel früher tun können, aber da war Syriens Präsident Bashar al-Assad noch der Hauptfeind von Erdogan gewesen, und der IS hielt die Kurden in Schach. Viel zu lange drückte Sultan Erdogan alle Augen zu. Die Dschihadisten konnten über die Grenze ein- und ausgehen.

Türkei will kein Zusammenwachsen eines kurdisches Territoriums
Ausgelöst haben nun das türkische Eingreifen der Vormarsch der syrischen Kurden (gegen den IS) und damit auch die "Gefahr" des Zusammenwachsens eines kurdischen Territoriums an der türkischen Grenze. Die syrische Kurdenmiliz YPG ist eng mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden, die von der Türkei als Terrororganisationen angesehen wird.

Erdogan hat Europa und die USA in der Hand
Die Sache ist höchst kompliziert: Die USA wurden im Krieg die Schutzmacht der syrischen Kurden. Deren Milizen sind dort praktisch die Bodentruppe des Westens und die einzigen Militärverbände, die wirklich Erfolg gegen den IS haben. Erdogan weiß aber genau, wie abhängig die USA von der geostragischen Position des NATO-Landes Türkei sind. Der Sultan kann die Amerikaner jederzeit aus dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik hinauswerfen, von wo die US-Jets die Angriffe gegen den IS fliegen. Erdogan hat also nicht nur Europa in der Hand, sondern auch die USA - eigentlich unglaublich...

Türkei-USA-Deal: Kurden müssen sich zurückziehen
So war nun US-Vizepräsident Joe Biden bei seinem Canossagang in Ankara zum peinlichen Kompromiss genötigt: Ja zu einem Rückzug der Kurdenmilizen aus den eroberten Gebieten "westlich des Euphrat". In diesem syrischen Grenzgebiet will die Türkei eine "Sicherheitszone" als Protektorat einrichten, in welcher Anti-Assad-Einheiten der zerfallenen syrischen Armee (keine Türken, sondern Araber) einrücken. Die Pufferzone soll syrische Flüchtlinge aufnehmen bzw. von der Grenze abhalten.

"Unsere Abmachung mit den USA lautet, dass sich die Kurden aus Manbidsch und der Region auf die Ostseite des Euphrat zurückziehen müssen", sagte Regierungschef Binali Yildirim. "Das ist die Zusage, die Garantie, die uns die USA gegeben haben." Völlig unklar ist auch, wer die Territorien bekommen wird, die jetzt noch vom IS gehalten werden. Der Kampf um das Fell des Bären könnte neue Runden im Bürgerkrieg auslösen.

Kurden wollen ihre Ansprüche nicht aufgeben
Die Kurden machen zu den Einschränkungen, denen ihnen die USA auf Druck der Türken auferlegen, (noch) gute Miene zum bösen Spiel, aber sie geben ihre Ansprüche nicht auf. Sie werden eines Tages den Preis dafür verlangen, dass sie für die USA und den Westen in Syrien die Kohlen aus dem Feuer geholt haben, denn ansonsten würden sie nicht so motiviert kämpfen. Traumziel ist mehr denn je ein kurdisches Staatsgebilde aus Teilen der Türkei, des Iraks und Syriens. Das wird dann der Krieg nach dem Krieg sein. Die USA allerdings bestehen nachdrücklich auf Wiederherstellung der staatlichen Einheit Syriens und lehnen einen eigenen kurdischen Staat jeder Art ab.

Syrien: Offenbar bombadieren Türken bereits Stellungen der Kurden
Offenbar hat die türkische Armee im Zuge ihrer Offensive in Nordsyrien auch bereits Stellungen der Kurdenmiliz bombardiert. Dies bestätigten türkische Sicherheitskreise am Donnerstag. Laut einem Bericht des Senders "CNN Türk" ereignete sich der Angriff nahe der kürzlich von YPG-Kurdenmiliz eingenommenen, früheren IS-Hochburg Manbij. Demnach hätten die Milizen auf eine Warnung des türkischen Militärs nicht reagiert. Dieses hatte in der Nacht auf Mittwoch mit der Operation "Schutzschild Euphrat" begonnen.

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