Gefängnis droht

Türkischer Box-Champ: “Erdogan ist Hitler 2.0”

Ausland
23.08.2016 12:19

Ein TV-Auftritt des türkischen Boxprofis Ünsal Arik im "Sat.1-Frühstücksfernsehen" Anfang August hat ein unangenehmes Nachspiel. Wie der deutsche Sender bekannt gab, erstattete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Strafanzeige, weil ihn der Sportler als "Hitler 2.0" bezeichnete. Am 25. September stellt sich der Boxer, der in Deutschland lebt, freiwillig einem Verhör in der Türkei. "Nicht hinzufliegen wäre feig. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Also muss ich mich auch meinem Gegner stellen", sagte Arik, dem in der Türkei nun bis zu vier Jahre Haft drohen.

Der Boxer kam in Deutschland zur Welt und wuchs in Bayern auf, doch er nahm nie die deutsche Staatsbürgerschaft an. Anfang August protestierte der aktuelle Weltmeister im Superweltergewicht erstmals öffentlich gegen die Politik Erdogans. Vor einem Kampf trug Arik ein T-Shirt mit der Aufschrift: "Das Land gehört Atatürk und nicht Erdogan".

Zur Erinnerung: Atatürk war der Begründer der Republik Türkei und von 1923 bis 1938 erster Präsident der nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Osmanischen Reich hervorgegangenen modernen Republik.

"Bin stolzer Türke, der sein Land von einem Diktator befreien will"
Wenige Tage danach legte der Boxer bei Sat.1 nach: "Erdogan macht Polit-Diktatur, für mich ist er Hitler 2.0." Gleichzeitig stellte Arik klar, dass er ein stolzer Türke sei, der sein Land nicht schlechtmachen, sondern von einem Diktator befreien wolle. "In einem Land, wo es viel Armut gibt und wo die Bildung sehr weit zurück ist, kann man Menschen sehr leicht manipulieren. Das macht Erdogan sehr gut und er benutzt die größte Waffe, die es gibt: den Glauben."

Diese Aussagen wurden in der Türkei gehört und registriert, Erdogan stellte daraufhin Strafanzeige.

"Himmelfahrtskommando": Rechtsexperte rät Boxer von Reise ab
Nun will Arik am 25. September freiwillig zum Verhör in die Türkei fliegen. "Ein Himmelfahrtskommando", warnte der deutsche Rechtsexperte Paul Degott in der Vorwoche im "Sat.1-Frühstücksfernsehen" den Boxprofi, türkischen Boden zu betreten. "Wenn er seine Aussage macht, wird ihm mit Sicherheit Untersuchungshaft drohen, weil die türkische Staatsanwaltschaft Fluchtgefahr feststellen und ihn nicht mehr ausreisen lassen wird. Dann könnte er in eines der überfüllten Gefängnis gesteckt werden, wo er womöglich monatelang auf einen Prozess warten wird müssen."

Rechtliche Unterstützung vom deutschen Staat hat Arik keine zu erwarten, denn durch die türkische Staatsbürgerschaft untersteht er auch türkischem Recht. Doch Arik will sich nicht einschüchtern lassen: "Wenn ich mich dem Verhör nicht stellen würde, dann wäre ich nicht mehr loyal - weder zu mir noch zu den Menschen, die mich lieben und unterstützen. Ich habe etwas gestartet und das muss ich jetzt auch zu Ende bringen." Auf seiner Facebook-Fanpage schrieb er kämpferisch: "Ich kann mit Stolz sagen, dass ich der einzige türkische Sportler bin, der Erdogan und seinen Anhängern die Meinung sagt."

Türkei: Tausende Erdogan-Gegner seit Putschversuch in Haft
Seit dem Putschversuch Mitte Juli geht die türkische Regierung mit großer Härte gegen vermeintliche Erdogan-Gegner vor. Zehntausende Menschen wurden festgenommen, ihrer Posten enthoben oder versetzt - die meisten von ihnen allein wegen einer angeblichen Nähe zur Gülen-Bewegung. Nach Regierungsangaben wurden bislang 5000 Beamte entlassen und 80.000 weitere vom Dienst suspendiert, 40.000 Staatsbedienstete wurden festgenommen, von denen mehr als die Hälfte weiter hinter Gittern sind.

Die türkische Staatsanwaltschaft will weitere 146 Akademiker wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung verhaften lassen. Die Polizei habe einen Großeinsatz in 17 Provinzen gestartet und bereits 73 Akademiker festgenommen, meldeten die türkischen Nachrichtenagenturen am vergangenen Freitag. Zudem wurden in der Vorwoche laut der Nachrichtenagentur Dogan 18 weitere Haftbefehle gegen Unternehmer in Istanbul erlassen, die die Gülen-Bewegung finanziell unterstützt haben sollen.

Erdogan-Jünger machen in Deutschland Jagd auf Gülen-Anhänger
Die Regierung in Ankara macht den islamischen Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger für den versuchten Militärputsch verantwortlich. Der in den USA im Exil lebende Prediger bestreitet die Vorwürfe. Erdogan wirft der Bewegung seines einstigen Mitstreiters zudem vor, in den vergangenen Jahrzehnten die Justiz, die Armee und den Bildungssektor "unterwandert" zu haben. Auch in Deutschland machen Erdogan-Anhänger Jagd auf Gülen-Anhänger.

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