Ab sofort auch in Ö

HBO liefert mit “The Night Of” fesselnden Thriller

Medien
11.07.2016 14:22

Ein Student wacht auf und findet eine Frau in einer Blutlache vor, getötet durch unzählige Messerstiche. Er weiß, er hat es nicht getan. Doch alles sieht danach aus - und er wird des Mordes angeklagt. Die neue HBO-Produktion "The Night Of" ist der vorläufige Höhepunkt einer Reihe an Krimiserien, die auf mehr als das klassische "Whodunnit" setzen und uns viel über Justiz und Gesellschaft erzählen.

Geplant war die achtteilige Miniserie, die ab sofort auf Sky zu sehen ist, schon lange, bevor die höchst erfolgreiche Podcast-Reihe "Serial" oder die Netflix-Dokuserie "Making a Murderer" von den Schicksalen möglicherweise unschuldig verurteilter Häftlinge berichteten. Sie läuteten damit eine neue, spannende Ära des "True Crime"-Genres ein.

"The Night Of" liegt nämlich die 2008/09 ausgestrahlte BBC-Serie "Criminal Justice" von Peter Moffat zugrunde. Das Remake war ein Herzensprojekt von "Sopranos"-Star James Gandolfini, der jedoch während der Dreharbeiten zur Pilotfolge 2013 verstarb. Erst sollte Robert De Niro übernehmen, nun verkörpert John Turturro ("Fading Gigolo") den etwas schmierigen Strafverteidiger Jack Stone mit Neurodermitis-Problem und Herz am rechten Fleck.

Reihe fataler Entscheidungen
In der Pilotfolge in Spielfilmlänge wird sie detailliert nachgezeichnet, die Nacht des (also: "The Night Of") 24. Oktober 2014. Wir lernen Nasir "Naz" Khan (Riz Ahmed) kennen, einen stillen College-Studenten und Sohn hart arbeitender pakistanischer Einwanderer aus dem New Yorker Stadtteil Queens. Weil er auf eine Party will, die Mitfahrgelegenheit aber verpasst, schleicht er sich ungefragt mit dem Taxi seines Vaters weg. Es ist die erste von mehreren unüberlegten Entscheidungen, die für den 23-Jährigen fatale Folgen haben.

Denn bald setzt sich unvermittelt eine junge Frau auf die Rückbank, sagt, sie will zum Strand. Am Fluss bietet sie ihm Ecstasy an, bei ihr zu Hause geht es mit mehr Drogen, Alkohol, Messerspielen und Sex weiter - bis Naz verwirrt in einem anderen Zimmer aufwacht und sie, als er sich verabschieden will, nur noch tot auffindet. In Schock flüchtet er, steckt am Weg hinaus noch das Messer ein - und gerät wegen hektischen Fahrens schon nach der nächsten Ecke in eine Polizeikontrolle.

Die absonderliche Reihe an Zufällen macht Naz schnell - und durchaus nachvollziehbar - zum Verdächtigen. Für den manipulativen Chefermittler Dennis Box (Bill Camp) ist der Fall klar: Der junge Muslim hat sich dem Mädchen aufgedrängt und es nach dessen Ablehnung aus verletztem Stolz getötet. Er trägt die vermeintliche Mordwaffe bei sich, seine Fingerabdrücke sind überall im Haus, in seinem Blut wird Amphetamin nachgewiesen. Naz beteuert seine Unschuld, will erzählen, was wirklich passiert ist. Aber die Wahrheit, sagt ihm Anwalt Stone, der mit Naz seinen bisher spektakulärsten Fall erwischt, interessiert niemanden. Es geht nur um die gute Story.

USA nach 9/11
Die Story, die "The Night Of" erzählt, klingt nicht neu. Es ist die Art und Weise, wie sie vom oscargekrönten Drehbuchautor Steven Zaillian ("Moneyball", "Schindlers Liste"), der auch bei sieben der acht Folgen Regie führte, gemeinsam mit dem Krimi-Autor Richard Price ("Kind 44") aufgerollt wird. Nach der verhängnisvollen Nacht folgen sie parallel den Bemühungen Stones, die Wahrheit herauszufinden, den (oft korrupten) Taktiken von Polizei und Staat, möglichst rasch zu einer harten Verurteilung zu kommen, den finanziellen und psychischen Konsequenzen für Nazirs Familie und schließlich dem radikalen Wandel, den der so hilflose wie leicht beeinflussbare Naz auf der Gefängnisinsel Rikers Island durchmacht.

Präzise folgt Regisseur Zaillian Blicken und Bewegungen, kündigt in scheinbar beiläufigen Beobachtungen an, was später wichtig wird. Die Kamera fängt das Geschehen in ruhigen, düsteren Bildern aus oft ungewöhnlichen Perspektiven und Winkeln, durch Glasscheiben und über Tische hinweg, ein. Lange dominiert Stille; Musik wird ganz gezielt eingesetzt, ebenso wie das für den Fall so kritische Material diverser Überwachungskameras.

So entstehen stimmige Neo-Noir-Bilder, die nach und nach eine ungemeine Spannung vermitteln und zugleich viel über die tiefsitzende Ungerechtigkeit im Justizsystem und der Gesellschaft allgemein offenbaren; über die Atmosphäre in den USA nach 9/11, in der jeder verdächtig scheint, unvermittelte Blicke als Provokation empfunden werden und Muslime unter Generalverdacht stehen. Getragen wird das von einem schlicht formidablen Cast, allen voran der junge Brite Riz Ahmed, der schon in seiner viel gepriesenen Darstellung in der düsteren Mediensatire "Nightcrawler" unvermittelt in einen Mordfall verwickelt wurde.

Parallel zur US-Ausstrahlung auf Sky
Ab sofort ist je eine neue Folge von "The Night Of" parallel zur US-Ausstrahlung in der Nacht auf Montag in englischer Sprache auf den mobilen Plattformen von Sky zu sehen, ehe alle Episoden ab 29. September wahlweise auch auf Deutsch auf Sky Atlantic HD laufen. US-Kritiker überschlagen sich schon jetzt mit Lob für die "Serie des Sommers", ziehen Vergleiche mit "The Wire" oder "True Detective", an dessen Vorspann, Ästhetik und vielsagende Episodentitel "The Night Of" erinnert. Mehr als 1,5 Millionen Mal wurde die im Vorfeld online gestellte Pilotfolge bereits in den USA gesehen - nur beim "Game of Thrones"-Finale waren auf HBO Go mehr dabei. Hier wie dort muss man Woche für Woche angespannt auf eine neue Folge warten. Denn so viel steht fest: Wer mit "The Night Of" beginnt, wird sich nicht mehr losreißen können.

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