Fischer-Ära zu Ende

“Das letzte Urteil liegt bei der Bevölkerung”

Österreich
08.07.2016 12:01

Bundespräsident Heinz Fischer hat am Freitagvormittag seine Abschiedsrede im historischen Sitzungssaal des Parlaments gehalten. Alles was in der Republik Rang und Namen hat, kam zur Verabschiedung des Staatsoberhauptes, das nach zwölf Jahren aus seinem Amt scheidet. "Ich habe stets versucht, mein Amt objektiv und unparteiisch auszuüben. Das letzte Urteil liegt aber bei der österreichischen Bevölkerung", sagte Fischer.

Der 77-Jährige verteidigte in seiner rund halbstündigen Rede bei der Festsitzung von Nationalrat und Bundesrat die Machtbefugnisse des Staatsoberhaupts: Wenn von diesen kein Gebrauch gemacht wurde, "dann spricht das nicht gegen die Verfassung, sondern für die Reife und Stabilität unseres politischen Systems".

Auch auf die im Wahlkampf seiner potenziellen Nachfolger entflammte Diskussion über die Kompetenzen des Staatsoberhaupts ging Fischer ein. "Ich hatte bei der Wahrnehmung meiner Aufgaben immer das gute Gefühl, dass unsere Verfassung eine solide Grundlage für die Tätigkeit des Bundespräsidenten bietet", meinte er dazu - was auch für den Verfassungsgerichtshof gelte, der eben erst die Stichwahl für seinen Nachfolger aufgehoben hat.

"Wahlaufhebung ist zu respektieren"
Die Aufhebung der Wahl verteidigte Fischer. Es sei "schmerzlich", dass eine Vielzahl von Regelverletzungen festgestellt worden sei, zudem gehöre es zu den Grundregeln des demokratischen Systems, derartige Entscheidungen zu respektieren. Die VfGH-Entscheidung sei letzten Endes ein wesentlicher Beitrag dazu, "jedweden Zweifel an der Korrektheit der Wahl des nächsten Bundespräsidenten auszuschließen".

An seine nun wieder werbenden Nachfolgekandidaten appellierte Fischer, "dass Stil und Inhalt der bevorstehenden Wahlwerbung vernünftigen Ansprüchen in puncto Redlichkeit und Fairness gerecht werden". Davon unabhängig zeigte er sich besorgt, was aufkeimenden Populismus betrifft. "Veränderung ist oft unbequem, schmerzhaft, anstrengend - und kann Unbehagen oder sogar Angst auslösen", meinte er. "Aber auf Veränderung zu verzichten kann noch viel schmerzhafter werden." Seinem Nachfolger als Bundespräsidenten wünschte er "den besten Erfolg bei der Erfüllung dieser wichtigen und schönen Aufgabe".

"EU ist verbesserungswürdig, aber für Europa unersetzlich"
Der scheidende Präsident verabschiedete sich nicht ohne ein Bekenntnis zu Europa. Die in Großbritannien erfolgte "Weichenstellung in Richtung eines Austritts aus der EU" erscheine "sehr bedauerlich und kurzsichtig". Für Österreich müsse die weitere aktive Mitarbeit an den Zielen und Werten einer Europäischen Friedenspolitik und am Projekt der Europäischen Zusammenarbeit ein zentraler Punkt der Politik bleiben. Fischer: "Die Europäische Union ist verbesserungsbedürftig, aber für Europa unersetzlich."

Humanität im Umgang mit Flüchtlingen eingefordert
Außerdem forderte Fischer Humanität im Umgang mit Flüchtlingen ein. Argumenten gegen eine unbegrenzte Aufnahme von Migranten müsse der Satz hinzugefügt werden: "Wir sind aber bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten und nach besten Kräften zu helfen und die Menschenwürde von Flüchtlingen hochzuhalten und ihnen ohne Vorurteilen zu begegnen." Flüchtlingspolitik sollte, so Fischer, sowohl durch Rationalität als auch durch Humanität geprägt sein: "Nur eines der beiden wäre zu wenig."

Bures: "Sie werden uns ein leuchtendes Vorbild bleiben"
Über mangelndes Lob musste sich der scheidende Bundespräsident nicht beklagen. Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) meinte in Richtung ihres Parteifreundes: "Sie werden uns ein leuchtendes Vorbild bleiben." Fischer habe als Bundespräsident der Republik im besten Sinne des Wortes gedient. Er sei ein Präsident nicht nur für die Mehrheit, sondern im besonderen Ausmaß auch für die Minderheit, die Schwachen und Schwächsten der Gesellschaft gewesen.

Fischer habe immer die Nähe der Menschen gesucht und mit seiner Offenheit und Wärme auch die Herzen erreicht: "Als Staatsoberhaupt haben Sie immer die richtige Balance gefunden zwischen der Würde, die ein Bundespräsident auszustrahlen hat, und der Ungezwungenheit, die den Menschen und Menschenfreund Heinz Fischer zum Vorschein gebracht hat."

Lob für Fischer auch von Kern und Mitterlehner
In dieselbe Kerbe schlug Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ): "Danke, Heinz, für zwölf Jahre, in denen du Österreich würdig repräsentiert hast, in denen du dafür gesorgt hast, dass unser internationales Ansehen noch weiter gestiegen ist." Fischer habe nicht nur auf dem internationalen diplomatischen Parkett reüssiert, sondern auch die Herzen der Österreicherinnen und Österreicher gewonnen.

Lob kam auch von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP): "Fischer war im In- und Ausland ein Brückenbauer, der Österreich als Staatsoberhaupt hervorragend vertreten hat. Als Konsenspolitiker und Mediator hat er es selbst bei strittigen Fragen verstanden, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen."

Zahlreiche Ehrengäste
Zur festlichen Sitzung im historischen Sitzungssaal hatten sich Regierung, Abgeordnete und Landeshauptleute ebenso ein wie die Altkanzler sowie die noch lebenden Präsidentschaftsgattinnen eigefunden. Elisabeth Waldheim und Margit Klestil-Löffler waren in der Loge direkt neben dem ehemaligen Regierungschef Werner Faymann (SPÖ) positioniert, der seinen ersten größeren öffentlichen Auftritt nach seinem Rücktritt hatte und Zeit zum Plaudern mit Wolfgang Schüssel (ÖVP) fand. Auch Franz Vranitzky (SPÖ) wohnte dem Festakt bei.

Die beiden Kandidaten, die noch die Chance haben, Fischers Nachfolge anzutreten, konnten sich schon einmal anhören, was am Ende ihrer Amtszeit im besten Fall über sie gesagt werden wird. Alexander Van der Bellen verfolgte die Feier von einer Loge aus. Norbert Hofer als noch aktiver Parlamentarier lauschte den Reden in den Abgeordnetenbänken.

Bis zur Angelobung des neuen Präsidenten übernimmt nun das Präsidium des Nationalrats, bestehend aus Doris Bures (SPÖ), Karlheinz Kopf (ÖVP) und Hofer (FPÖ) die Geschäfte Fischers.

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