Finale nach 4 Tagen

Milde Würze zum Abschluss des Nova Rock

Musik
13.06.2016 04:06

Nach vier langen Tagen mit unterschiedlichsten Witterungsverhältnissen ging die zwölfte Auflage des Nova Rock am Sonntagabend zu Ende. Die Red Hot Chili Peppers sorgten dabei noch für Diskussionsstoff, Twisted Sister und die Deftones hingegen begeisterten ihr Publikum mit hingebungsvoller Bühnenpräsenz.

(Bild: kmm)

Die Kräfte schwinden, die Sonnenbrandflächen werden größer und größer und sonderbare Gerüche ziehen über das Festivalgelände. Vier Tage Nova Rock haben eben ihren Preis und fordern ihren Tribut. Für das traditionelle Frühschoppen am Abschlusstag wurden trotzdem noch einmal alle Reserven mobilisiert, denn Wendi's Böhmische Blasmusik versammelt traditionell die Massen vor der "Red Stage". Ein eindrucksvolleres Zeichen für die Partytauglichkeit der Menschen könnte es nicht geben. Dagegen stanken auch die einheimischen Metalrecken Dragony und Drescher ab, die mit Power- und Volksmusik-Metal viel Stimmung entfachten, aber einfach noch zu früh am Billing standen.

Schwerer Stand für Pop
Dieses Schicksal teilten sie mit den ersten Bands auf der "Blue Stage". Der Neuseeländer Graham Candy markierte vor einer Handvoll Besucher den Auftakt zum Abschlusstag. Noch kein Monat ist es her, als er sich im Vorprogramm von Silbermond dem Wiener Publikum vorstellte - das ist womöglich ein Mitgrund, warum der bekömmlich-sanfte Pop mit der einzigartig-nasalen Stimme am Nova Rock so gar nicht funktionierte. Die Hit-Single "She Moves (Far Away)" bringt den harten Kern zum Tanzen, einen Song widmete er gar seinem unlängst verstorbenen Vater. Leider verlorene Liebesmüh.

Während auf der kleinen Bühne die Metalcore-Bands The Amity Affliction und We Came As Romans für Lärm vor passablem Publikum sorgten, lieferte Gary Clark jr. das erste große Tageshighlight. Der US-amerikanische Gitarren-Wunderwuzzi vermischt geschickt Blues, Soul, Country und Rock-Versatzstücke zu einem großen Ganzen und erinnert manchmal sogar an den seligen Jimi Hendrix. Für die auf Party getrimmten Fans ist das meist mit langen Instrumentals und an die 70er-Jahre angelehnten Gitarrenkaskaden versehene Konzert wohl etwas zu zäh, musikliebhabenden Freunden der Sechssaiter-Kunst ging dabei aber das Herz auf. "Bright Lights" als zehn Minuten langer Opener ist fordernd, aber auch paralysierend und der Rest bohrte sich direkt in die Seele. Clark jr. wäre aber definitiv besser bei einem Lovely Days- oder Burg-Clam-Konzert aufgehoben.

Kult mit Corpsepaint
Kurz darauf verdunkelte sich vor der "Red Stage" der Himmel, als die polnischen Black-Metal-Vorreiter Behemoth zum härtesten Konzert des gesamten Festivals luden. Das diabolische, mit zahlreichen einschlägig-satanischen Symbolen versehene Bühnenbild koalierte perfekt mit der Corpsepaint-Gesichtsbemalung der Musiker und ihrer bedrohlichen, zumeist angriffigen Ausstrahlung. Das Songmaterial wurde von Feuer- und Rauchschwaden begleitet, die meist in Hochgeschwindigkeit vorgetragenen, oft dissonant zelebrierten Songs zogen die Fans völlig in ihren Bann und das Gelände füllte sich zusehends. Die volle Magie hätte das sinistre Treiben freilich bei Dunkelheit entfacht, dass Behemoth aber trotzdem für die ersten Regentropfen des Abends sorgten, ist Kultfaktor genug.

Bis zur großen Headliner-Riege erwartete die Anwesenden noch zahlreiches Hochkarätiges. Die "Red Stage" war fest in der Hand internationaler Metalcore-Größen. Zuerst versuchten die Amerikaner von Killswitch Engage mit dem vor vier Jahren zurückgekehrten Sänger Jesse Leach zu überzeugen und feuerten in fulminanter Art und Weise Top-Hits aus dem Köcher. Die deutschen Heaven Shall Burn gingen kurz darauf noch rabiater und kompromissloser ans Werk und brachten den Wavebreaker zum Kochen. "The Weapon They Fear" oder "Endzeit" haben sich längst in das Alltagsleben ihrer Fans gemischt und wurden fast schon selbstverständlich mitgesungen.

Vielfalt als Trumpf
Auf der Hauptbühne gab es derweil bekömmlichere Kost zu bestaunen. Die kalifornischen Ska-Punk-Legenden NOFX haben zwar schon gefühlte 300 Österreich-Konzerte am Buckel, werden aber mit jedem weiteren Auftritt so gefeiert, als ob es die erste große Vorstellungsrunde wäre. Das war auch bei einsetzendem Regen in Nickelsdorf nicht anders, denn Kult-Frontmann Fat Mike hatte die Menge von der ersten Sekunde an im Griff und pogte sich und seine Band durch mehr als 30 Jahre Bandgeschichte. Der Vielfalt am Nova-Gelände waren an diesem Tag wahrlich keine Grenzen gesetzt, denn gleich danach betraten die deutschen Rap-Durchstarter K.I.Z. die Bühne und bewiesen von der ersten Sekunde an, dass man heute auch schon völlig artfremd für große Stimmung sorgen kann. Das ist sicher auch ganz im Sinne des Veranstalters Ewald Tatar, der die Breite des Festivals künftig noch stärker erweitern möchte.

Für den ersten größeren Auflauf auf der ansonsten eher dürftig besuchten "Blue Stage" sorgten bei Einbruch der Dunkelheit die US-Alternative-Metal-Legenden Deftones, die erst unlängst mit "Gore" ein famoses neues Studioalbum veröffentlichten und dieses live zumindest teilweise präsentieren. Bei einer derart üppigen Vergangenheit fällt das Zusammenstellen einer Setlist natürlich schwer, mit Songs wie dem treibenden "My Own Summer (Shove It)" oder "Diamond Eyes" konnte trotzdem wenig schiefgehen. Der wasserstofferblondete Frontmann Chino Moreno leitete theatralisch agierend durch den Abend, sein kompositorischer Intimfeind, Gitarrist Stephen Carpenter, unterstützte ihn mit harten Riffs. Dass die Technik auch hier wieder nicht immer mitspielte war eine traurige Fortsetzung des gesamten Festivals, die kruden und nicht immer leicht fassbaren Songs verfehlten aber nicht ihre Wirkung und überzeugten zusehends.

Fit wie mit 20
Währenddessen wurde beim Headlinerposten auf der "Red Stage" die große Nostalgiekeule geschwungen, denn die legendären 80er-Jahre-Glam-Metaller von Twisted Sister waren gekommen, um eine ihrer berühmt-berüchtigten Liveshows mit dem Publikum zu teilen. Frontmann Dee Snider befindet sich auch mit 61 Jahren in absoluter Topform, und zelebriert mit Waschbrettbauch und unheimlicher Laufenergie den großen Hampelmann.

Dass die Stimme dabei ebenso verbesserungswürdig wie das Zusammenspiel unter den Musikern ist, ist schlussendlich nebensächlich. "We're Not Gonna Take It" und "I Wanna Rock" bringen noch heute alles zum Einsturz und bei "The Price" wird dem verstorbenen Drummer AJ Pero gehuldigt, der auf dieser Tour von Metal-Tausendsassa Mike Portnoy ersetzt wird. Snider, unlängst negativ in Erscheinung getreten als Performer auf einer Donald-Trump-Gala, wurde dann auch noch politisch, prangerte das Orlando-Massaker an und versuchte mit nicht mehr zählbaren "Fucks" das Publikum zur Selbstständigkeit und Freiheit zu animieren. Ein wuchtiger Abschluss eines großen 80s-Metal-Kapitels, dass es so nie mehr wieder geben wird.

Müde Headlinershow
Das Beste kommt zum Schluss heißt es aus dem Volksmund, zielt aber an der Realität vorbei. Dabei wäre es so schön gewesen - nach vier Tagen musikalischem Vollprogramm mit mehr als 100 verschiedenen Bands oblag es ausgerechnet den Red Hot Chili Peppers am allerletzten Tag als allerletzte Band das größte Festivalhighlight darzustellen. Doch der Liveruf der Funk-Größen ist nicht umsonst ramponiert, so war auch das Österreich-Comeback nach fünfjähriger Abwesenheit mit verzichtbaren Unzulänglichkeiten ausgestattet. So etwa mit einem dürftigen Sound, bei dem Fleas Bass zwar tonangebend war, den Rest der Instrumentierung aber unter sich begrub. Der in Leggins gekleidete Sänger Anthony Kiedis hingegen hatte arge Textschwierigkeiten und sogar -aussetzer und hielt sich mit Notizzettel über Wasser.

Wer allerdings Hits wie "Californication", "By The Way" oder "Give It Away" im Talon hat und mit vier großen Videokreisen samt Lichtspektakel  auffährt, hat schon einen gewissen Vertrauensvorschuss vere Getaway" vom kommenden Freitag erscheinenden neuen Studioalbums, nur an der Umsetzung ebenjener müsste man etwas mehr Zeit und Mühe investieren.

2017-Termin fixiert
So sind die Red Hot Chili Peppers zwar der Vorreiter für das bombastische Abschlussfeuerwerk, hinterlassen aber dennoch einen zartbitteren Nachgeschmack. Die Bilanz mit mehr als 180.000 Zusehern und einem tadellos funktionierenden "Cashless"-Bezahlsystem kann sich trotzdem sehen lassen. Karten für die 2017er-Auflage, die von 8. bis 10. Juni mit dem bereits fixierten Late-Night-Act David Hasselhoff über die Bühne geben wird, sind bereits jetzt erhältlich. Vielleicht auch wieder mit mehr Headlinern, die dieser Bezeichnung würdig sind.

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