Austro-Offensive

Das Nova Rock erstrahlte in Rot-Weiß-Rot

Musik
11.06.2016 02:39

Unter der prallen Sonne von Nickelsdorf tummelten sich am Freitag, dem ersten offiziellen Festivaltag des Nova Rock, nicht nur internationale Top-Kapazunder mit Hitparaden-Charakter, sondern auch zahlreiche erfolgreiche Austropop-Bands. Neben mehr oder weniger guten Shows der Künstler wurde auch bereits der erste Fixstarter für 2017 bekannt gegeben: Ein altbekannter, allseits beliebter Entertainer aus den USA...

(Bild: kmm)

Nach dem bekömmlichen Warm-up mit Nieselregen zeigte sich das Wetter am ersten offiziellen Festivaltag beim Nova Rock von seiner besten Seite. Die Sonne brach sich ihre Bahn durch die Wolken und erhitzte das Gelände rekordverdächtig schnell, wodurch bereits bei den Tagesopenern Bones aus England die ersten krebsroten Körper zu vermerken waren. Das eher noch beschaulich anwesende Publikum ließ sich vom basslosen Trio mit der weiblichen Power-Stimme schnell anstecken - die an Slipknot erinnernden Ganzkörperoveralls passten aber nicht ganz zur erhöhten Temperatur auf und abseits der Bühne.

Horror-Punk live
Perfekt dazu passte dafür das Wiener Horrorbilly-Kollektiv Bloodsucking Zombies From Outer Space, das bereits seit vielen Jahren für stete Hochstimmung im Livesegment sorgt. Die an die legendären Misfits erinnernde Maskerade kombinierte optimal mit den flotten, an Punk angelehnten Songs wie "Der Kopf deiner Mutter" oder "Monster Mutant Boogie". Für zusätzliches Amüsement sorgten Bühnenfiguren wie ein Schlächter mit Schweinekopf oder Horror-Legende Freddy Krueger. Mit einem Cover-Medley bestehend aus "Poison" (Alice Cooper), "Detroit Rock City" (Kiss), "I Wanna Be Somebody" (W.A.S.P.) und Iron Maidens "The Trooper" beendeten sie ihr Set nach einer viel zu kurzen halben Stunde unter lautstarkem Jubel.

Direkt im Anschluss gab es bereits das nächste österreichische Highlight zu bestaunen. Das Tiroler Duo White Miles - als Vorband beim tragischen Eagles-Of-Death Metal-Konzert im Pariser Bataclan zu trauriger Berühmtheit gelangt - bewies bravourös, dass es nicht viel Pomp und Trara braucht, um eine magische Atmosphäre zu kreieren. Die Anwesenden ließen sich anfangs nur schwer zum Mitfiebern hinreißen, im Laufe des Konzerts entfachte sich aber ein Circle-Pit, der viel Staub aufwirbelte und die Stimmung potenzierte. Hier wächst definitiv noch Größeres heran.

Auf der "Red Stage" wurde derweil härteren Klängen gehuldigt. Die mathematischen Prog-Coreler von TesseracT, die Metalcore-Urgesteine Atreyu und die Stilverweigerer Skindred sorgten für amtliche Stimmung unter der sengenden Sommersonne.

Echter Rock'n'Roll
Zur großen Überraschung gerieten schließlich Vintage Trouble aus Los Angeles. Bereits in den Vorprogrammen von The Who oder AC/DC gestählt, entwickelt das Quartett eine einzigartige Bühnenpräsenz, mit der es das anfangs reservierte Publikum sofort für sich gewann. Federführend dabei war Frontmann Ty Taylor, der nicht nur mit adretter Kleidung, sondern auch mit guten Manieren, Charme und Witz durch das bunte Programm führte, das geschickt Blues, Soul und eine sanfte Prise Hardrock vermischte. "Blues Hand Me Down" oder "Run Like A River" sind markante Glanzstücke einer Band, deren Zukunft goldig sein könnte. Vor allem, wenn sich Taylor auch weiterhin so Fan-nah gibt und bereitwillig in die Menge wirft - that's Rock'n'Roll!

Das bayrische Ska-Kollektiv LaBrassBanda sorgte kurz darauf für perfekte Stimmung in der Sommersonne, doch vielen dürstete es nach harten Riffs und wuchtigen Bässen, wodurch die kleinere "Red Stage" fast den ganzen Tag über stärker belagert war. Das Kontrastprogramm lieferte den Fans, was sie wollten und wünschten. Die Finnen von Children Of Bodom eröffneten den Reigen mit melodischem Death Metal, der sich auf der Bühne aber durch zahlreiche technische Probleme plagen musste und zudem zu statisch wirkte. Da halfen auch Klassiker wie "Lake Bodom" nicht aus der Bredouille. Richtig exaltierte Stimmung kam dafür bei den US-Metallern von Trivium rüber. "Built To Fall", "Watch The World Burn" oder "Until The World Goes Cold" sind allesamt wuchtige Songgranaten, die sofort zündeten und den Wavebreaker in ein wilderndes Tollhaus verwandelten. Sänger Matt Heafy hatte die Menge auch mit seiner sympathischen Präsenz stets im Griff, hier entwickelt sich eine Rampensau. Bullet For My Valentine hingegen mussten mit starken Soundproblemen klarkommen, die die Freude am Metalcore-Treiben vehement beschränkten.

Dürftiger Headliner
Als Headliner beschlossen die US-amerikanischen Chartstürmer Disturbed den Tag auf der "Red Stage". David Draiman und Co. gelang mit dem Simon-&-Garfunkel-Cover "The Sound Of Silence" ein unerwartet großer Hit, der sich in Österreich bereits seit drei Wochen auf Platz eins der Single-Charts hält und die Band nach längerer Abwesenheit wieder zurück auf die (Metal-)Landkarte brachte. Bei durchaus respektablem Publikumszuspruch holzte sich die Band durch Songs wie "The Thousand Fists", "The Infection" oder den zuvor genannten Top-Hit, der gemütlich sitzend vorgetragen und von leuchtenden Mobiltelefonen begleitet wurde. Dazwischen coverte sich die Band munter durch die Musikgeschichte - U2, Rage Against The Machine oder The Who wurden verwurstet, einmal durfte sogar der Skindred-Sänger mit auf die Bühne. Der Evergreen "Down With The Sickness" beschloss das Set, das leider von der limitierten Stimme Draimans und einer doch recht hüftsteifen Performance geschwächt wurde.

Auf der "Blue Stage" taten sich die Bands diesen Abend wesentlich schwerer, die Fans auf ihre Seite zu ziehen. Nach den allseits gefeierten LaBrassBanda hatten die Editors einen erwartungsgemäß schweren Stand, mit ihrem mit viel Elektronik versetzten Indie-/Alternative-Sound zu punkten. Sänger Tom Smith legte zwar sein ganzes Charisma und Herzblut in die paralysierenden Soundwände, doch das auf harten Rock gepolte Publikum fing mit träumerischen Songs wie "Formaldehyde", "Forgiveness" oder dem famosen "Papillon" relativ wenig an. Das bemerkte auch der Frontmann, der sich dennoch für den Zuspruch bedankte und fürs nächste Mal wohl insgeheim auf einen Frequency-Slot hofft.

Immer noch fit
Die schottisch-amerikanischen Alternative-Rock-/Grunge-Legenden Garbage waren daraufhin ziemlich exklusiv, denn Shirley Manson und Co. verirren sich nur selten in die Alpenrepublik. Drummer und Produzentenlegende Butch Vig musste aufgrund einer Mittelohrentzündung zwar passen, doch das mit einem rosaroten Backdrop versehene Kollektiv auf der Bühne schnitt seine Show sowieso auf die charismatische Sängerin zu. Die bewies auch mit knapp 50 Jahren, dass sie nichts von ihrer Energie und der revolutionären Ausstrahlung alter Tage eingebüßt hat. Das brandneue Album "Strange Little Birds" wird so manch altgedienten Fan überraschen, die Singleauskoppelung "Empty" taugt aber mit seiner 90er-Rock-Ausrichtung als hervorragender Konzerteinstieg.

Daraufhin folgte eine Hitparade einer Band, die sich zwar meist hinter der ersten Reihe befand, aber stets wegweisend für diverse Nachfolgekünstler war. "I Think I'm Paranoid" oder "The Trick Is To Keep Breathing" wurden von den immer zahlreicher vor der Bühne erscheinenden Menschen mitgesungen, Manson selbst tanzte und tobte lächelnd über die Bühne, begrüßte einen Zuseher im rosa Hasenkostüm und erzählte eine humorige Geschichte, wie sie in Österreich einmal von einem Fan bespuckt wurde und dadurch über Umwege zu ihrer Rolle bei "Terminator" und "einer halben Million Dollar" kam - ein klares Tageshighlight, das die nachfolgenden Offspring deutlich übertraf. Bei den kalifornischen Punkrock-Legenden füllte sich der Raum vor der "Blue Stage" zwar so stark wie nie, doch die im Jahrestakt auf verschiedenen Festivals abgespulten Hits wurden relativ saftlos von der Bühne geschmettert.

Festival-Stammgäste
Sänger Dexter Holland und Gitarrist Noodles merkt man das fortgeschrittene Alter mittlerweile an, zudem leidet die Authentizität der Band an den routiniert abgespulten Shows. Songs wie "Genocide", "All I Want", "Bad Habit" oder "The Kids Aren't Alright" scheiterten mitunter auch am dürftigen Sound und der nicht sonderlich motivierten Performance der Band. Kulthits alen Fans war das freilich egal und die Stimmung kochte wie nur selten zuvor. Vielleicht würde ein neues Studioalbum im alten Stil wieder etwas Feuer in die Sache bringen - ansonsten dürfen wir mit The Offspring sicher bei einem Festival 2017 rechnen.

Die Headliner auf der "Blue Stage" waren im Vorfeld umstritten, doch der Erfolg des heimischen Pop-Phänomens Wanda rechtfertigte die großzügige Position im Billing. Im Gegensatz zum flauen Auftritt beim "Steel City Festival" in Linz vor Queen hatten die Wiener das Zepter am Nova Rock schnell in der Hand. Ohrwürmer wie "Luzia", "Meine beiden Schwestern" oder "Bussi Baby" wurden mit viel Spielfreude und auch der nötigen Portion Respekt vor der Publikumsmenge über das Gelände gespeist. Die Interaktion mit den Interessierten funktionierte mehr als passabel und am Ende wurde gar noch der Beatles-Hits "A Hard Day's Night" gecovert, mit dem sich Wanda würdig von einem durchaus gelungenen Auftritt auf fremdem Terrain verabschiedeten. "Guat is gangen, nix is g'schehn".

Schwere Geburt
Die Nachfolge von David Hasselhoff, Scooter und Otto Waalkes als Late-Night-Act beim Nova Rock trat in diesem Jahr die EAV an. Die österreichische Kult-Popschmiede für einen Auftritt beim größten Festival des Landes zu motivieren war gar nicht so einfach, wie Frontmann Klaus Eberhartinger im Interview zugab: "Um halb zwei gibt es viele Sachen, die ich machen kann, aber ich muss nicht mehr auf eine Bühne gehen, wo den ganzen Tag schon andere spielten. Da sind die Leute müde und vermutlich nicht mehr ganz nüchtern." Positiv zur Meinungswende hat auch die Verwendung der Backstagehalle für Flüchtlinge beigetragen: "Das war schon wichtig. Mir gefällt es, dass jemand etwas nicht nur aus geschäftlichen Gründen macht, sondern auch einen weiteren Sinn dahinter sieht."

Der Auftritt selbst geriet - in bester Nova-Rock-Late-Night-Tradition - zu einem epochalen Triumphzug, denn Songs der EAV kennen Jung und Alt. "Neandertal", "Ba-Ba-Banküberfall" oder "Heiße Nächte (in Palermo)" haben sich über Generationen hinweg in den Alltagssprachgebrauch der Österreicher eingebrannt und werden inbrünstig aus allen Kehlen mitgesungen. Eberhartinger bewies sich ganz als Entertainer und lieferte mit Wortwitz, Sympathie und offenkundiger Freude am Tun Musikkabarett vom Feinsten. Der Grat zwischen Humor und Gesellschaftskritik ist manchmal so schmal wie ein dünner Zwirn, doch die EAV tänzelt gekonnt und subtil auf ebenjenem.

"The Hoff" kommt wieder
Den Kampf mit Wanda um den Abendthron des Austropops haben sie in der Punktewertung gewonnen. Der große Sieger war aber die österreichische Musik im Allgemeinen, die hell erstrahlte und am Samstag mit Seiler und Speer, Krautschädl, Viech oder Black Inhale ihre Fortsetzung findet. Weitere Highlights? Volbeat, Alice Cooper und die US-HipHopper Cypress Hill. Besonderes Schmankerl: Veranstalter Ewald Tatar verriet bereits jetzt den Late-Night-Act für das Jahr 2017. Niemand Geringerer als David "The Hoff" Hasselhoff wird sich wieder die Ehre geben.

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