"Krone"-Interview

Mark Forster: Unrealistisch viel Gutes

Musik
08.06.2016 12:39

Mit "Au Revoir" gelang dem deutschen Künstler Mark Forster vor zwei Jahren nicht nur die inoffizielle Hymne zur Fußball-WM, sondern auch ein Song, der seine Karriere in ungeahnte Höhen katapultierte. Mit seinem neuen und durchaus emotionalen Album "Tape" gilt es jetzt, Erreichtes zu bestätigen und dem Druck standzuhalten. Der sympathische Vollblutmusiker als auch leidenschaftliche Fußballfan nahm sich für uns ausreichend Zeit, um über seine Erfahrungen mit Kassetten, die Chancen Österreichs bei der Fußball-EM und diverse Whatsapp-Missverständnisse zu sprechen.

(Bild: kmm)

"Krone": Mark, dein neues Album nennt sich "Tape", ein Wort, mit dem viele deiner Hörer wohl Wörter wie Nostalgie oder auch Aufbruchsstimmung verbinden. Ist das auch die Botschaft, die du damit aussenden möchtest?
Mark Forster: Nicht wirklich. Ich komme aus dem Dorf Winnweiler nahe Kaiserslautern und empfing in meinem Kinderzimmer nur zwei Radiosender. Auf einem liefen nur Oldies und auf dem anderen alles, was man so im Hitradio hörte. Ich hatte damals eine Kompaktanlage von Saba und konnte das Radioprogramm damals direkt auf ein Kassettendeck aufnehmen. Ich hatte dort viel Zeit, wartete auf meine Lieblingslieder und habe sie schnell aufgenommen. Daraus hat sich nach und nach das stimmige Album für mich entwickelt. Für mich war ganz klar, dass nach "Don't Speak" von No Doubt "Hope Of Deliverance" von Paul McCartney kommt. Ich wollte eine Platte machen, die sehr vielseitig ist und sich auch nach Zuhause, nach meinem Winnweiler-Kinderzimmertape anfühlt.

"Krone": "Tape" ist also dein persönliches Mixtape?
Forster: Genau, ich wollte wirklich das Kinderzimmer-Gefühl auf der Platte haben und vor allem auch einen amerikanischen Sound. Nachdem ich mein letztes Album "Bauch und Kopf" abgab, habe ich eine Urlaubsreise durch die USA gemacht und war dabei ein paar Tage in New Orleans. Dort spielen in den Clubs keine DJs, sondern Bands. Auf der Straße sah ich an einer Ecke eine 30-köpfige Bläsergruppe, die ewig gejammt hat. Ich sah mir das lange an und habe sie mit dem Handy aufgenommen. Schon da dachte ich mir, dass ich mir diesen Sound für mein nächstes Album vorstellen könne. Da war der ganze Wahnsinn rund um "Au Revoir" noch gar nicht losgegangen und ich habe mir meine Zeitinseln zum Schreiben und Produzieren gebaut. Ich nutzte diese Inseln dann auch zum Runterkommen, als eben dieser Wahnsinn losging.

"Krone": Warst du jemand, der Mixtapes machte, um Mädels zu beeindrucken? Der vielleicht auch selbst Kassetten sammelte?
Forster: Angefangen hat es bei mir mit Benjamin Blümchen, Bibi Blocksberg und Alf. (lacht) Dann hatte ich Zugang zur Musik meines Vaters, was hauptsächlich Vinyl war, aber es gab eine kurze Phase, als man Musik auf Tapes kaufte. Mein Vater war damals im richtigen Alter und wir hatten somit mehrere riesige Schulbaden mit Kassetten. Ich durfte mir die einfach rausnehmen und anhören. Um Mädels zu überzeugen habe ich aber eher auf dem Klavier herumgeklimpert, mir schnulzige Texte überlegt und ihnen dann das geschickt.

"Krone": Du hast in Spanien, in London und in New York an dem Album gearbeitet. Reicht es heutzutage nicht mehr, daheim in Deutschland eine Platte einzuspielen?
Forster: In Andalusien ist das Wetter besser und es gab ein schönes Studio samt Pool, außerdem ist man einfach mal weg von Zuhause, wodurch man schwerer zu erreichen ist. Wir haben unsere Lieblingsmusiker nach Spanien geholt und die Basis des Albums aufgenommen. Die ganzen Bläser, Streicher und Gospelchöre - die US-Flanke - haben wir aus dem Computer kommen lassen. Irgendwann habe ich einfach "bester Gospelchor der Welt" gegoogelt und dann kamen die Harlem Gospelsingers aus New York heraus. Wir riefen dort einfach an und konnten tatsächlich hinfahren, waren plötzlich in einem Studio in Manhattan, wo normalerweise Jay-Z probt und haben mit dem besten Gospelchor der Welt aufgenommen Genauso war es bei den Streichern - die besten Pop-Streicher sind die von Adele. Auch dort haben wir gegoogelt und angerufen und Rosie Denvers, eine Frau aus England, die alle Streicher für Adele macht, sagte zu. Wir mussten noch etwas warten, bis sie mit den Proben für Adeles Welttournee fertig war und konnten dann mit ihr aufnehmen. So ergab es sich, dass wir für das Album eine kleine Weltreise machten.

"Krone": Beim nächsten Album geht's dann also schon direkt zu Paul McCartney?
Forster:(lacht) Er könnte dann gerne bei uns Bass spielen.

"Krone": Das Album sollte auch deinen Gemütszustand wiederspiegeln - wie würdest du ihn selbst beschreiben?
Forster: Ein Album ist immer ein Spiegelbild der letzten zwei Jahre. "Bauch und Kopf" war ein Album mit einen Symphonieorchester und viel Melancholie. "Tape" ist auf jeden Fall heller. Du sprichst hier mit einem Typen, dem in den letzten Jahren total viel unrealistisch Gutes widerfahren ist. Das bewirkt natürlich, dass man selbst ein optimistischer Typ wird und so klingt schließlich das Album. Ich hoffe, das geht so weiter.

"Krone": Also ist die Textzeile "Egal was kommt, es wird gut, sowieso" in "Sowieso" echter Optimismus und kein Zweckoptimismus?
Forster: Auf jeden Fall. Ich bin der Überzeugung, wenn man aufrichtig für eine Sache geht und sich den Hintern aufreißt, dann klappen die Dinge auch.

"Krone": Du lebst derzeit in einer Art Erfolgsblase - hast du Angst, dass die vielleicht einmal durchstochen wird und es nicht mehr so geradlinig weiter nach oben geht?
Forster: Das letzte was ich habe sind Sorgen. Ich bin in der unglaublich großartigen Position, dass ich mich den ganzen Tag mit Musik beschäftigen darf. Schreiben, sie produzieren, üben, sie vorspielen oder darüber sprechen - das ist für mich das, was Erfolg ausmacht. Dass ich nichts anderes daneben machen muss.

"Krone": Es wird aber auch von Album zu Album schwieriger, kreativ zu sein. Am Anfang hat man ja ewig Zeit für sein Material, dann wird der Druck aber größer und größer.
Forster: "Tape" ist ja schon mein drittes Album. Beim Debüt war ich noch sehr unbedarft, machte alles das erste Mal und musste erst mal checken, wie alles läuft. Bei "Bauch und Kopf" verstand ich schon alles besser und ging mehr meine Wege zu Ende. Bei "Tape" fühlte ich mich total frei und durch den Erfolg konnten wir alles machen, was wir uns gewünscht haben. Ich war nicht gehemmt. Ich stellte mir die Frage selbst, aber mich hat es eher beflügelt und frei gemacht.

"Krone": Ein wiederkehrendes Thema ist bei dir der Fußball. "Wir sind groß" wurde vom ZDF gar schon zum EM-Song gekürt. Woher kommt denn dein großes Interesse für diese Sportart?
Forster: Das ergab sich etwas zufällig. "Au Revoir" wurde 2014 zum WM-Song, obwohl er nicht viel mit Fußball zu tun hatte. "Wir sind groß" ist auch ein Lied über Freundschaft oder über ein Gang-Gefühl. In den letzten zwei Jahren haben wir als Band in den Sommern wahnsinnig viel erlebt. Die Konzerte wurden größer und über dieses gemeinsame Erlebnis habe ich den Song geschrieben, der natürlich auch zu Fußball passt. In Winnweiler gibt es nicht viel mehr als viel Natur, gute Leute, viel Platz und den 1. FC Kaiserslautern. Ich habe zudem meine halbe Jugend damit verbracht, Fußballmanager zu spielen, was mich natürlich zum Experten macht. (lacht) Ich fing an mit "Hattrick" über "Anstoß" bis hin zu den "EA Sports"-Fußballmanagern.

"Krone": Du lebst seit zehn Jahren in Berlin, bist aber Kaiserslautern-Fan. Gibt es für einen Hardcore-Fan wie dich genug Möglichkeiten, Spiele deines Teams zu besuchen?
Forster: Ich bin sehr viel unterwegs und manchmal spielen wir in der Gegend und wenn sie dann spielen, schaue ich natürlich im Stadion vorbei. Ich kenne auch ein paar Spieler ganz gut und werde dann glücklicherweise immer reingelassen.

"Krone": Ein guter Freund von dir ist auch DFB-Stürmer Lukas Podolski. Wie hat er es denn aus seiner Sicht aus mit der Musik? Wie stark ist sein Interesse oder Wissen?
Forster: Poldi hat 2014 mein Lied "Au Revoir" in die Mannschaftskabine getragen und viel für mich ins Rollen gebracht - sein Musikgeschmack passt also. Vor ein paar Tagen erst hat er meinen Song im Autoradio abfotografiert und mir unkommentiert als Whatsapp geschickt. Ich weiß nicht, ob es ihm gefällt oder nicht, deute es aber mal als gutes Zeichen. (lacht)

"Krone": Haben Fußballer oft wirklich so einen schlechten Musikgeschmack, wie es das Klischee oftmals bezeichnet?
Forster: Die paar Fußballer, die ich kenne, stehen hauptsächlich auf die R&B- oder Hip-Hop-Schiene oder auf Mainstream-Musik. Die Sympathischsten sind natürlich die, die auf meine Songs stehen - das ist ja eh klar. (lacht)

"Krone": Wie weit kommt Deutschland und wie weit Österreich bei der heurigen Fußball-EM?
Forster: Diese EM wird schwer. Die Top-Favoriten Deutschland, Italien oder Spanien sind für mich Wundertüten. Es gibt einen starken Gastgeber und Frankreich hat bislang auch jedes Turnier gewonnen, das sie ausgetragen haben. Die Belgier erinnern mich ein bisschen an die Niederländer der 90er-Jahre - ein kleines Land mit vielen Weltstars. Österreich ist so stark wie schon lange nicht mehr - das ist die gefühlt stärkste Mannschaft seit den 70er-Jahren. Europameisterschaften sind von der Qualität etwas schwieriger als Weltmeisterschaften, aber ich habe ein Grundvertrauen in DFB-Teamchef Jogi Löw. Wenn der mal zwei bis drei Wochen Zeit hat, stellt er die Mannschaft schon richtig ein. In den letzten zehn Jahren waren wir unter ihm nie schlechter als Halbfinale und dazu sollte es auch heuer reichen. Ich bin mir sicher, dass Österreich die Gruppenphase übersteht - dann hängt es von den Gegnern ab. Da kann noch viel gehen. Bis dann halt Deutschland kommt. (lacht)

"Krone": Kannst du als Deutscher den Wahn der Österreicher um Cordoba 1978 verstehen?
Forster:(lacht) Vielleicht ist es jetzt Zeit, mal damit abzuschließen und eine geile EM zu spielen. Die Mannschaft ist echt gut und hat mit Alaba einen richtig coolen Leitwolf. Da kann wirklich viel gehen.

"Krone": Kommen wir noch mal zurück zum Thema Freundschaft - ist es bei dir mit zunehmendem Erfolg und Bekanntheitsgrad schwieriger, die echten Freunde zu halten und neue gute Freunde zu finden?
Forster: Die echten, dicken Freunde hat man ja eh schon lange. Es kommen aber natürlich viele Bekanntschaften dazu. Bedenklich finde ich eher, dass man zu so einem Musiknerd wird. Ich bewege mich fast nur noch in dieser Szene und lerne kaum mehr Leute von woanders kennen. Ich bin froh, dass ich auch mal in der Fußballwelt unterwegs bin, dann lerne ich ein paar von dort kennen. (lacht)

"Krone": Mit "Natalie" hast du einen sehr berührenden Song auf dem Album, den du deiner gleichnamigen Schwester gewidmet hast. Ich interpretiere ihn so, dass du es darin schade findest, dass ihr die Kindheit und ein Stück Unbedarftheit verlassen musstet.
Forster: Ich trauere nicht meiner Kindheit nach, habe mit meiner Schwester aber eine nahe und gute Beziehung. Ich sage ihr jetzt aber nicht ständig, wie lieb ich sie habe, das geht eher über Witze, die wir übereinander machen. Plötzlich rutschte mir aber so eine Liebeserklärung raus und wusste gar nicht warum. Scheinbar hatte ich eine Phase, wo ich darüber sinniert habe und der Song ist eine Liebeserklärung auf meine Art. Ich sage darin, dass ich sie auch gut finden würde, würde ich sie erst heute kennenlernen. Das ist wohl das größte Kompliment, dass man einer Schwester machen kann. Man sucht sie sich ja nicht aus, aber wenn sie trotzdem cool ist, ist das ein großes Glück.

"Krone": Vor deinem ersten Album "Karton" bist du den Jakobsweg gegangen. Aus welcher Intention heraus und wie hat dich dieses Erlebnis verändert?
Forster: Ich ging ihn zu einer Zeit, wo ich ganz normal für eine TV-Produktionsfirma arbeitete und abends nach dem Büro Musik machte. Ich war mit meiner Gesamtsituation unzufrieden und ein Kumpel aus Wien brachte mich auf die Idee, den Jakobsweg zu gehen. Ich bin dann einfach mal zwei Monate spazieren gegangen. Das ist ja das, was er bedeutet - man füllt sich Wasser in den Rucksack, schmiert sich ein Brötchen und geht acht Stunden pro Tag spazieren. Da passiert nicht viel, außer dass man sich Gedanken macht. Steine, die im Bauch liegen wandern in den Kopf und sind dann auf einmal wieder weg. Ich überlegte mir unter anderem, dass ich daheim ernsthaft ein Album schreibe, das fertigmache und es veröffentliche - und genau so habe ich das dann auch durchgezogen. Es hat geklappt und deshalb hat der Jakobsweg mein Leben schon verändert.

"Krone": Neben Sido auf "Au Revoir" hast du auch schon mit Nazar auf "Camouflage" zusammengearbeitet. Woher kommt diese Rap-Affinität?
Forster: Mitte/Ende der 90er-Jahre, als erstmals deutschsprachiger Hip Hop cool war, war ich ca. 12/13 Jahre alt und die Musik hatte mich damals geprägt. Vor allem die "Quadratur des Kreises" von Freundeskreis ist das Album meiner Jugend, das ich bis heute auswendig kann. Davor habe ich eher die Songwriter aus dem Plattenschrank des Vaters gehört - Queen, die Beatles oder Udo Lindenberg. Vielleicht ist meine Musik ja eine Mischung aus Queen und Freundeskreis. (lacht)

"Krone": Wird man dich in Zukunft auch mal frontal rappen hören?
Forster: Ich finde "Tape" ist Hip-Hop-lastiger als die Platte davor und ich habe auch viel mit Produzenten aus dem Bereich gearbeitet. Durch die Features war ich auch ein bisschen öfters in dieser Welt unterwegs und habe eine Menge dabei gelernt.

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