Wilde Hetze

Erdogan fordert Bluttests von deutschen Mandataren

Ausland
06.06.2016 12:18

Nach der vom deutschen Bundestag verabschiedeten Resolution, in der die Tötung von 1,5 Millionen Armeniern vor rund 100 Jahren im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet wird, hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seine Angriffe auf türkischstämmige Abgeordnete im Bundestag noch einmal verschärft. "Manche sagen, das seien Türken", sagte Erdogan am Sonntagabend in Istanbul. "Was denn für Türken bitte?" Erdogan sprach sich dafür aus, den betreffenden Mandataren Blutproben entnehmen zu lassen.

"Ihr Blut muss durch einen Labortest untersucht werden", forderte der türkische Präsident. Den türkischstämmigen deutschen Grünen-Chef Cem Özdemir, der zu den Initiatoren der am Donnerstag im Bundestag verabschiedeten Resolution gehörte und der seither Morddrohungen von türkischen Nationalisten erhält, nannte Erdogan einen "Besserwisser".

Deutschland soll erst "Rechenschaft über Holocaust" ablegen
Außerdem sagte Erdogan, Deutschland sei "das letzte Land", das über einen "sogenannten Völkermord" der Türkei abstimmen solle. Zunächst solle Deutschland einmal "Rechenschaft über den Holocaust" und über die Vernichtung von mehr als 100.000 Herero in Südwestafrika Anfang des 20. Jahrhunderts ablegen.

Deutsche Abgeordnete im Visier: "Ihr Blut ist verdorben"
Bereits am Samstag hatte Erdogan die türkischstämmigen Abgeordneten im deutschen Bundestag angegriffen. "Dort soll es elf Türken geben", sagte er. "Von wegen. Sie haben nichts mit Türkentum gemein. Ihr Blut ist schließlich verdorben." Er warf den Parlamentariern zudem vor, der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als verlängerter Arm in Deutschland zu dienen. "Es ist sowieso bekannt, wessen Sprachrohr sie sind", so Erdogan. "Von der separatistischen Terrororganisation in diesem Land sind sie die Verlängerung in Deutschland."

Empörte Reaktionen in Deutschland
Die türkische Gemeinde in Deutschland wies die Angriffe von Erdogan zurück. "Morddrohungen und Bluttestforderungen finden wir abscheulich", sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Gökay Sofuoglu, am Montag in Stuttgart. "Ich denke, dass Leute nach Blut definiert werden, hat 1945 aufgehört. Das ist absolut deplatziert."

Auch die deutsche Regierung stellte sich vor die Parlamentarier. Die PKK werde in Deutschland ebenfalls als terroristische Organisation eingestuft, so Regierungssprecher Steffen Seibert. "Wenn jetzt durch Äußerungen aus der Türkei einzelne Abgeordnete des Bundestages in die Nähe des Terrorismus gerückt werden, so ist das für uns in keiner Weise nachvollziehbar." Der CDU-Europapolitiker David McAllister forderte die Türkei auf, das Votum des deutschen Parlaments zum Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg zu respektieren. "Das war eine souveräne Entscheidung des Bundestages", so McAllister.

Erdogan von Merkel enttäuscht
Bereits unmittelbar nach der Verabschiedung der Völkermord-Resolution im Bundestag hatte sich Erdogan enttäuscht über die deutsche Kanzlerin Angela Merkel geäußert. Er verstehe nicht, warum die CDU-Vorsitzende es nicht geschafft habe, ihre eigene Partei dazu zu bringen, gegen die Resolution zu stimmen, sagte er. Denn die Kanzlerin habe ihm versprochen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Annahme der Resolution zu verhindern.

"Nun frage ich mich: Wie werden deutsche Spitzenpolitiker, nach einer solchen Entscheidung, mir und unserem Premier persönlich gegenübertreten können?" Erdogan warnte, Deutschland könne einen "wichtigen Freund" verlieren, und verwies ausdrücklich auf die Millionen türkischstämmigen Menschen in Deutschland. Sanktionen gegen die Bundesrepublik wollte er ausdrücklich nicht ausschließen - das Flüchtlingsabkommen mit der EU und die Visa-Frage seien aber Angelegenheit der Europäischen Union.

Armenier-Resolution verabschiedet
Am Donnerstag hatte der Bundestag die Massaker an Armeniern während des Ersten Weltkrieges durch das Osmanische Reich als Völkermord verurteilt. Nach armenischer Darstellung wurden damals bis zu 1,5 Millionen Menschen getötet. Die Türkei spricht von deutlich weniger Toten und lehnt den Begriff Genozid vehement ab.

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