Regen zum Abschluss

Rock In Vienna: Bei Iron Maiden weinte der Himmel

Musik
06.06.2016 01:58

25.000 Fans fanden sich zum Abschluss des zweiten Rock in Vienna-Festivals auf der Wiener Donauinsel ein und mussten sich zeitweise von orkanartigen Regenböen benässen lassen. Einer bombastischen Show von Iron Maiden machte das aber nichts aus und mit insgesamt etwa 90.000 Besuchern übertrafen die Veranstalter ihre Erwartungen. Eine weitere Auflage 2017 wurde bereits für das erste Juni-Wochenende fixiert.

(Bild: kmm)

Am Ende hat es doch noch gekracht. Regen hatten diverse Meteorologen bereits für das ganze Wochenende prophezeit, doch während von Graz über Frankreich bis hin zu Deutschland halb Mittel- und Westeuropa mit Hochwasser zu kämpfen hat, zeigte sich Wien die letzten Tage als witterungsbedingtes Gallien und trotzte der allgemeinen Missstimmung mit strahlendem Sonnenschein. Ausgerechnet am Finaltag, als sich die Leiber der Besucher bräunten und/oder erröteten, kannte der Wettergott kein Pardon und forderte Geduld und gute Laune gleich mit zwei massiven Regengüssen heraus.

Nasses Vergnügen
Der erste setzte in der Endphase der deutschen Thrash-Metal-Heroen Kreator ein und verzögerte den Beginn der finnischen Symphonic-Metal-Institution Nightwish um etwa zehn Minuten, der zweite war dann schon kräftiger und vor allem beständiger. Die deutschen Mittelalter-Rocker In Extremo mussten ihr Set zwangsweise verkürzen, eine temporäre Pause des wilden Treibens war kurzzeitig unvermeidbar. Von einer Absage wie am Tag zuvor das deutsche Urgestein "Rock am Ring" waren die Rock in Vienna-Macher aber glücklicherweise weit entfernt.

Vielmehr erstrahlten am Abschlusstag gleich mehrere Künstler durch Spielfreude, Können und einer Top-Performance. Bei sengender Mittagshitze gab es gegen 13.30 Uhr mit den Isländern The Vintage Caravan schon sehr früh das erste große Highlight. Der bekömmliche Retrorock liegt mit seiner rifflastigen und dennoch progressiven Ausfertigung nicht nur gut in den Ohren - auch optisch wird dem bereits in respektabler Menge anwesenden Publikum einiges geboten. Frontmann Óskar Logi Ágústsson lässt nicht nur seine wallende rote Mähne rotieren, sondern erweist sich zudem als souveräner Stimmungsanheizer. Zu jeder Sekunde merkt man den Nordländern die pure Freude am Spiel an, Songs wie "Babylon" oder "Expand Your Mind" spiegeln die Rock-Essenz der alten Tage wider. Ein Festschmaus für Augen und Ohren.

Metallisierte USA
Das darauffolgende US-Künstlertrio kann sich der Gunst des Publikums ebenso sicher sein, nimmt die Bühne aber nicht ganz so überragend ein wie die Isländer. Mark Tremonti, seines Zeichens weltbekannter Gitarrist von Alter Bridge, gibt sich als Solokünstler zwar keine Blöße, das Songmaterial ist aber trotz allem eine Liga unter seiner Stammband zu verorten und vermag nicht unbedingt als hittauglich in die Annalen einzugehen. Die Rocker von Shinedown hingegen werden nach allen Regeln der Kunst abgefeiert. Hier ein Schuss 3 Doors Down, dort eine Prise Hellyeah, darüber noch eine kleine Glasur Halestorm und das alles mit partiell eingesetzten Electro-Beats verknüpft - schon hat man eine US-Metalband aus der Schablone, die mit markigen Ansagen und viel Einsatzfreude (Sänger Brent Smith mischt sich bereitwillig unter die Fans) für die richtige Festivalstimmung sorgt. Ein Zusatzplus: Mit einem satanischen Kätzchenshirt gewinnt man immer Sympathien!

Diese wird durch Gitarrenheld Zakk Wylde im Anschluss fast vernichtet. Der ehemalige Ozzy Osbourne-Gitarrist und Black Label Society-Chef ist qualitativ über alle Zweifel erhaben und weiß mit seinem an Rob Zombie gemahnenden Outfit und den Podesten auf der Bühne auch optisch zu glänzen, doch anstatt auf stringentes Songmaterial zu setzen, verliert sich der ehemalige Schwerstalkoholiker in ermüdende Solo-Frickeleien und aufdringliches Gepose. Bei einem ohnehin schon kurzen Festivalslot muss das knackiger von der Bühne kommen. Das Posen beherrschen die deutschen Metal-Senkrechtstarter Powerwolf perfekt. "Blessed & Possessed" sind die Horrorgeschichtenliebhaber und machen dabei auf der großen Festivalbühne eine passable Figur. Die Theatralik des Auftritts ist Frontmann Attila Dorn und Co. wichtiger als musikalische Vielseitigkeit. Der recht anspruchslose Power Metal teilt die Fanschwar jedenfalls in die Kategorien "Love" und "Hate" - im Endeffekt also alles richtig gemacht.

Aggro-Level: hoch
Wesentlich brutaler gehen kurz darauf die Franzosen von Gojira ans Werk. Die mittlerweile vor etwa fünf Jahren nach New York emigrierten Groove Metaller haben sich in den letzten Jahren tatsächlich ihre eigene musikalische Nische geschaffen, die gleichermaßen Metallica-, Pantera- und Meshuggah-Zitate verwurstet, sich durch ihre rabiate Vehemenz aber gut von den Vorbildern emanzipieren kann. "Toxic Garbage Island", "The Art Of Dying" oder das brandneue "Stranded" sind vertonte Hassbrocken, die eine für dieses Festival ungewohnte Aggressivität an den Tag legen. Diese Aggressivität potenzieren die eingangs erwähnten Kreator mit schneidenden Thrash-Riffs, Bengalenfeuer und markigen Ansagen noch einmal um ein Vielfaches. Jeder einzelne Song beschwört einen Mosh- oder Circle-Pit herauf und bei Evergreens wie "Violent Revolution", "Terrible Certainty" oder "Pleasure To Kill" verwandelt sich der Wavebreaker in ein einziges Staubgelände.

Es war fast logisch, dass das Programm mit den finnischen Chartstürmern Nightwish nach dem ersten großen Regenschauer etwas gediegener werden musste. Die charismatische und stimmgewaltige Frontfrau Floor Jansen führte gekonnt durch eine klebrig-eingängige Fantasiewelt, die mit einer Videowall und diversen Fantasy-Anspielungen für die Märchenstunde des Wochenendes sorgte. Wenn man sich auf die perfekt arrangierten Songs konzentriert, kann man sich für kurze Zeit in eine ferne Welt katapultieren. In Extremo waren aufgrund der heftigen Unwetter schließlich die Pechvögel des Tages und mussten ihr Set auf sieben Songs herunterkürzen. Für "Küss mich" oder "Feuertaufe" blieb keine Zeit mehr, das "Light-Programm" behagte den Fans naturgemäß wenig, war aber aufgrund der rasanten Witterungsveränderung unvermeidlich.

Pompös und gut gelaunt
Im strömenden Regen betraten die britischen Heavy-Metal-Pioniere Iron Maiden pünktlich die Bühne, um mehr als zwei Stunden lang ein buntes Potpourri aus Material des neuen Albums "The Book Of Souls" und großen Klassikern feilzubieten. Mit einem aufwendigen Bühnensetting, das der Maya-Landschaft nachempfunden ist und mit einer überlebensgroßen Puppe des Bandmaskottchens "Eddie", Feuerfontänen und diversen Rampen ausgestattet ist, klotzte die Band zum Festivalabschluss noch einmal gewaltig. Frontmann Bruce Dickinson zeigte sich dabei so agil wie eh und je, schwank bei "The Trooper" die obligatorische Fahne, streifte sich eine Wrestling-Maske über und scherzte über die miesen Wetterbedingungen und den French-Open-Sieg von Tennis-Superstar Novak Djokovic.

Die Mischung aus dem bombastischen Bühnensetting und einer fehlerlosen Performance trieb die Stimmung in die Höhe. Drummer Nicko McBrain wurde artig zum Geburtstag gratuliert (mit "When I’m 64" von den Beatles) und das Gitarrentrio Murray/Smith/Gers lenkte das Gesamtvergnügen mit malerischer Klangharmonie. Die progressiven neuen Songs wie "If Eternity Should Fail" oder das zehnminütige "The Book Of Souls" passen überraschend gut in das Gesamtprogramm, wenn den aktuellen Nummern auch etwas die Frische von Klassikern wie "Hallowed Be Thy Name" oder "The Number Of The Beast" fehlt.

Gerüchteküche eröffnet
Dass der Evergreen "Run To The Hills" ersatzlos gestrichen wurde war ein ebenso kleiner Wermutstropfen wie die Tatsache, dass Dickinson die ganz hohen Töne nicht mehr exakt erwischt. Dem Gesamtvergnügen tat dies aber keinen Abbruch und Iron Maiden beschlossen mit dem Kopfschüttler "Wasted Years" fulminant die zweite Auflage des Wiener Stadtfestivals, das definitiv nach Fortsetzung schreit. Die großen Band-Spekulationen für 2017 mögen beginnen!

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