Vor Ottakring-Mord

Polizei zu Staatsanwalt: “Handeln Sie endlich!”

Österreich
10.05.2016 17:45

Hat die Justiz im Fall Francis N. versagt? Wie die Strafakte des Kenianers, der vergangene Woche am Brunnenmarkt in Wien-Ottakring die 54-jährige Maria. E. mutmaßlich mit einer Eisenstange erschlug, beweist, hatte die Polizei bereits am 22. März die Staatsanwaltschaft dazu aufgefordert, "endlich zu handeln". Passiert ist jedoch nichts, wenige Wochen später wurde der bereits 18-mal straffällig gewordene Mann zum Mörder. Justizminister Wolfgang Brandstätter kündigte am Dienstag an, in dem Fall eine Sonderkommission einzurichten.

Schon vier Strafverfahren gegen Francis N. seien laut Strafakte - die dem "Falter" vorliegt - im Gange. Demnach war der Kenianer schon 26-mal dazu aufgefordert worden, bei der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Doch der Mann tauchte dort niemals auf.

Dennoch erließ die Staatsanwaltschaft nie einen Haftbefehl gegen den Kenianer - und das, obwohl der Mann sogar im Juni 2015 einen Passanten auf offener Straße mit einer Eisenstange attackiert hatte. Ganz im Gegenteil: Es wurde weder eine Festnahme-Anordnung erlassen, noch ein Amtsarzt konsultiert.

Psychiatrie nahm Kenianer nicht auf
Außerdem erklärte ein Polizist gegenüber der Wiener Wochenzeitung, dass die Exekutive den unter Psychosen leidenden Mann zumindest einmal in eine psychiatrische Anstalt gebracht habe: "Aber er wurde nie aufgenommen." Die betroffenen Spitäler - die Rudolfsstiftung und das Otto-Wagner-Spital - stellten klar, Francis N. sei nie registriert worden.

Laut "Falter" gebe es innerhalb der Staatsanwaltschaft enorme Meinungsverschiedenheiten. So habe ein Staatsanwalt gesagt: "Ich bin schockiert. Wir hätten handeln müssen". Eine Behördensprecherin hingegen meine nach wie vor, man habe alles richtig gemacht.

Kenianische Botschaft reagierte nie auf Abschiebegesuch
Ungereimtheiten sind auch im Fremdenrechtsakt des Kenianers zu finden. So hatte das Innenministerium bereits im Sommer 2015 einen Antrag auf ein Heimreisezertifikat gestellt, um Francis N. abschieben zu können. Die kenianische Botschaft antwortete jedoch bis heute nicht.

Sonderkommission soll "prüfen und aufdecken"
Justizminister Wolfgang Brandstetter will mit der Sonderkommission die "Vorwürfe umgehend überprüfen". Die aktuellen Berichte rund um den brisanten Polizeiakt ließen sich derzeit "aus den uns vorliegenden Akten nicht nachvollziehen". Allerdings: "Uns liegen teilweise widersprüchliche Informationen vor", ergänzte Brandstetter. Die Ermittlungen wegen Mordes führe selbstverständlich weiter die Staatsanwaltschaft Wien.

"Soziale und psychiatrische Umstände erheben"
Aufgabe der Sonderkommission sei es, "die sozialen und psychiatrischen Umstände sowie den jeweiligen Kenntnisstand der betroffenen Behörden zu erheben, um allfällige Missstände aufzudecken und entsprechende notwendige Maßnahmen daraus abzuleiten". Mögliche Versäumnisse in der Zusammenarbeit der zuständigen Behörden, müssten "restlos aufgeklärt werden". Zum Leiter der Sonderkommission wurde Helfried Haas, Vizepräsident des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, bestimmt.

Staatsanwaltschaft weist Vorwürfe zurück
Die Staatsanwaltschaft Wien weist die Vorwürfe entschieden zurück, man habe auf den verwahrlosten, obdachlosen 21-Jährigen nicht eher reagiert. Das Mail eines Polizisten, der einen "Arbeitsauftrag" erbeten hatte, sei "umgehend bearbeitet worden", versicherte Behördensprecherin Nina Bussek. "Es wurde aber keine Festnahmeanordnung erlassen, weil das nach Ansicht der Staatsanwaltschaft unverhältnismäßig gewesen wäre."

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