Entdeckungsreise

Paradise

Spiele
14.08.2006 21:33
Nach einem Flugzeugabsturz in einem Harem aufzuwachen, ohne den eigenen Namen zu kennen, ist sicher keine schöne Erfahrung. Doch die schöne Unbekannte, Titelheldin des Point-and-Click-Adventures "Paradise", lässt sich davon nicht unterkriegen. Ein Buch in ihrem Inventar lässt erahnen, dass sie Ann Smith heißt, Forscherin und zu diesem Zweck in das kleine afrikanische Land Mauranien gekommen ist.

Schon auf der Verpackung von "Paradise" wird auf Benoit Sokal, eine Adventure-Legende, hingewiesen. Sokal hat etwa mit "Syberia" und "Amerzone" hintergründige Games abgeliefert.

Mit diesen wirklich gelungenen Vorlagen kann "Paradise" leider nicht mithalten, die Geschichte will einfach nicht recht in Schwung kommen. Erst ab der zweiten Hälfte des Games steigt die Spannung und die Rätsel wandeln sich von reinem Herumrennen in interessantere Herausforderungen.

Traumhafte Welten
Doch zuerst zu den erfreulichen Details des Spiels: "Paradise" trumpft mit teils traumhafter Hintergrundkulisse auf, bunt und liebevoll per Hand gemalt werden fast alle Schauplätze glaubhaft zum Leben erweckt. Dass die mehr schlecht als recht gebastelten, pixeligen Figuren nicht in dieses Ambiente passen wollen, enttäuscht. Nichts desto trotz wirkt die Welt lebendig, manchmal flattern schwirrende Schwärme leuchtender Insekten herum, Fische hüpfen im Wasserbecken, der Leopard, der Ann auf ihrer Reise begleitet, mault mit einem Grunzen seine Unzufriedenheit in die Welt.

Hoch über dem Dschungel
Schon die erste Station der Reise, der Harem, begeistert mit wunderschönen Details - Mosaike an der Wand, der Garten voller Leben, ein Dampfbad, das seinen Namen wirklich verdient. Auch einige spätere Stationen auf Anns Weg sind durchdacht und vermitteln sofort ein heimeliges Gefühl - so etwa beim Besuch eines afrikanischen Stammes, dessen Mitglieder auf Urwaldriesen hoch über dem Dschungel thronen. Die Einbringung diverser Klischees - nur der Medizinmann versteht Anns Sprache, die Ureinwohner spießen getötete Feinde auf Pfählen auf und so weiter - hätten die Entwickler jedoch überdenken sollen.

Spannende Geschichte verläuft im Sand
Im Verlauf der Geschichte wird klar: Ann wollte vor ihrem Flugzeugabsturz in Wahrheit ihren Vater suchen, einen Despoten, der das kleine Land Mauranien mit harter Hand regiert. Rebellen sind auf dem Weg zu seinem Schiff, auf diese trifft schließlich auch Ann. Leider werden die meisten guten Ansätze, die das Spiel in Bezug auf die Geschichte durchaus bieten würde, nicht weitergeführt.

So soll Ann Todestrommeln ausfindig machen und zerstören, denn die Rebellen fürchten sie. Die Aufgabe klingt spannend, ist in ihrer Ausführung aber ohne Herausforderung und bleibt außerdem ohne Effekt, wenn sie ausgeführt wurde. Keine Rebellen stürmen besagtes Schiff, niemand scheint sich dafür zu interessieren, dass die Todestrommeln schweigen...

Rätsel begeistern Adventure-Fans
Interessant wird "Paradise" hingegen, wenn logische Aufgaben erledigt werden sollen - Ann muss etwa den Weg in die Baumwipfel zu den afrikanischen Ureinwohnern finden - Tiere verscheuchen, klettern, Gegenstände kombinieren: ein Heidenspaß! Fast alle Rätsel sind gut gelungen - Überlegen und Querdenken ist angesagt, sie stellen eine Herausforderung dar, die der Spieler gerne annimmt. Belohnt wird das Lösten vieler Rätsel mit gerenderten Zwischensequenzen, die das Spiel grafisch weit übertreffen.

Zu einer Rezension gehören üblicherweise Stärken und Schwächen eines Spiels, doch was tun, wenn die Schwächen trotz guter Ansätze überwiegen, es aber ohnehin - nach Meinung der Redakteurin - zu wenig Adventures auf dem Markt gibt? Es folgt ein Kompromiss - die negativen Seiten von "Paradise" im Überblick:

  • Der Einstieg ist schlicht unspannend, Ann läuft kreuz und quer durch den Harem, doch das Finden von Aufgaben fällt schwer.
  • Die Gespräche machen weder Spaß noch Sinn, es müssen immer alle Fragen gestellt werden und eine Auswahl - etwa verschiedener Antwortmöglichkeiten - gibt es nicht.
  • Die Auswahlfelder der Fragen sind kryptisch kurz gehalten, außerdem nehmen sie oft Tatsachen oder Namen vorweg.
  • Die oft schier endlos langen Dialoge ermüden, sie erhellen meist weder Motive noch Hintergründe der Figuren - wenigstens können sie per Knopfdruck übersprungen werden. Sämtliche Personen, die Ann begegnen, kratzen lediglich an der Charakteroberfläche. Der Spieler hat nie das Gefühl, eine spannende Figur kennen gelernt zu haben.
  • In die Kategorie "Knapp daneben ist auch vorbei" fallen die seltenen Ausflüge mit dem Jaguar. Der lässt sich nämlich beim besten Willen nicht erfolgreich steuern und hängt zu allem Übel andauernd in Büschen, der Wiese oder sonstwo fest. Charakteristisch für "Paradise" ist, dass die ungemein spannende Idee, in der Nacht als Tier herumzustreifen, nicht weiter verfolgt wurde. Welch aufregende Aufgaben hätten auf leisen Pfoten im Mondscheinlicht warten können...
  • Die schier ewigen Laufwege - inklusive Ladezeiten - sind wahre Spaßkiller. Warum immer wieder Wege zu absolvieren sind, auf denen nie eine Aufgabe zu erfüllen ist, bleibt unklar. Die meisten großen Gebiete zeichnen sich außerdem durch eine besonders verworrene Wegführung aus, was dazu führt, dass der Spieler einen Gutteil seiner Zeit damit beschäftigt ist, zum erwünschten Ziel zu finden.
  • Die Grafik ist nicht zeitgemäß. Besser getan hätte dem Spiel wahrscheinlich eine Entscheidung hin zu 2D - die Hintergründe vertragen sich optisch meist so gar nicht mit den Figuren, deren Animationen mehr schlecht als recht geraten sind.
  • Die letzte halbe Stunde des Spiels ist enttäuschend. Endlich sind alle Hintergründe von Anns Reise geklärt, Freund und Feind können unterschieden werden, und trotzdem - mehr Erinnerungen, mehr Rückblick, mehr Geschichte wäre nötig gewesen. So bleibt vor allem das Gefühl, zwar das Spiel beendet zu haben, aber immer noch genauso schlau wie am Anfang zu sein.

Fazit: "Paradise" ist für Adventure-hungrige Gamer zu empfehlen, die sich weder an Ladezeiten zwischen kurzen Strecken noch schier endlosen Dialogen stören. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, erhält ein Adventure, das spannende Ansätze liefert und auf jeden Fall einige Stunden Spielspaß bietet. Gamer, für die interessante und herausfordernde Rätsel an erster Stelle stehen, können bei "Paradise" bedenkenlos zugreifen.

Plattform: PC
Publisher: dtp
Krone.at-Wertung: 65 %

Von Bernadette Geißler

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

(Bild: KMM)
(Bild: krone.at)
(Bild: krone.at)
Kreuzworträtsel (Bild: krone.at)
(Bild: krone.at)



Kostenlose Spiele