Völkermord-Prozess

Srebrenica-Massaker: 40 Jahre Haft für Karadzic

Ausland
24.03.2016 15:45

21 Jahre nach dem Völkermord in Srebrenica hat das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag am Donnerstag das Urteil gegen Radovan Karadzic gefällt. Der frühere bosnische Serbenführer wurde wegen des Massakers schuldig gesprochen und mit 40 Jahren Haft bestraft. Karadzic, der gegen das Urteil berufen wird, war in insgesamt elf Punkten angeklagt. In zehn - darunter Verbrechen gegen die Menschlichkeit - wurde er schuldig gesprochen, in einem Völkermord-Anklagepunkt erhielt der 70-Jährige aus Mangel an Beweisen einen Freispruch.

Für die sieben ostbosnischen Gemeinden Kljuc, Sanski Most, Prijedor, Vlasenica, Foca, Zvornik und Bratunac gebe es keine Beweise, dass dort ein Völkermord stattgefunden habe, sagte Senatsvorsitzender O-Gon Kwon - für Srebrenica sei Karadzic hingegen "strafrechlich verantwortlich". Der Anwalt des 70-Jährigen kündigte umgehend Berufung gegen das Urteil an.

Karadzic wurden neben dem Srebrenica-Massaker die jahrelange Belagerung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo und eine Kampagne zur Vertreibung bosnischer Muslime und Kroaten aus den Städten des Landes zur Last gelegt. "Er verfolgte gemeinsam mit anderen den Plan, alle Nicht-Serben dauerhaft von bosnischem Gebiet zu vertreiben", erklärte der südkoreanische Richter.

2008 als "Seelenheiler" in Belgrad festgenommen
Karadzic war im Jahr 1996 untergetaucht. Erst zwölf Jahre später wurde er in Belgrad, wo er unter dem Namen Dragan Dabic als "Seelenheiler" gearbeitet hatte, verhaftet. Der Festnahme war jahrelanger internationaler Druck auf die serbischen Behörden vorausgegangen. Der Prozess begann im Jahr 2009, die Anklage hatte lebenslange Haft gefordert.

Srebrenica: Schlimmstes Kriegsverbrechen seit 1945
In Srebrenica hatten serbische Einheiten 1995 unter Karadzics Oberbefehl sowie unter General Ratko Mladic die bosnische UN-Schutzzone überrannt und etwa 8000 muslimische Männer und Buben ermordet. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Wegen Srebrenica hatte das UNO-Tribunal bereits mehrere lebenslängliche Urteile gesprochen. Bis heute gelten 7000 Personen als vermisst. Im Bosnienkrieg waren insgesamt rund 100.000 Menschen ums Leben gekommen, über 2,2 Millionen Menschen wurden in die Flucht getrieben.

Karadzic versuchte noch kurz vor der Urteilsverkündung, das Massaker in Srebrenica herunterzuspielen und auf seine Weise zu interpretieren: Die Vorwürfe seien übertrieben, es seien nur einige Hundert Personen erschossen worden. "Keine Übertreibung kann uns helfen, Verständnis und Frieden unter uns zu errichten", sagte er. Zuvor hatte er behauptet, dass auch jene Einwohner Srebrenicas zu den Opfern des Massakers gezählt worden seien, die in den Kämpfen mit bosnisch-serbischen Truppen ums Leben gekommen sind.

16.000 Tote in Sarajevo für Karadzic "Kollateralopfer"
Eine eigene Version hatte Karadzic auch zur 44-monatigen Belagerung von Sarajevo durch bosnisch-serbische Truppen. Die etwa 16.000 Todesopfer in Sarajevo seien demnach "Kollateralopfer" der Kriegshandlungen gewesen. Eine Erklärung hatte er auch für die zu Kriegsbeginn errichteten Konzentrationslager für Nicht-Serben bei Prijedor: Die Lager seien ein Versuch gewesen, diese Personen in "Schutz" zu nehmen.

Ban Ki Moon: "Historischer Tag für internationale Justiz"
Nach dem Urteil gegen Karadzic sprach UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon von einem "historischen Tag für die internationale Justiz". Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, wertete die Verurteilung als "kräftige Manifestation des unerbittlichen Bekenntnisses der internationalen Gemeinschaft, Täter zur Verantwortung zu ziehen".

Busek: Prozess trug nicht viel zu Versöhnung bei
Der ehemalige EU-Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa, Erhard Busek, bezweifelt auch nach dem nunmehrigen Urteil eine Versöhnung von Serben und Bosniern. Der Prozess habe nicht viel zum Versöhnungsprozess zwischen den Menschen beigetragen. Der serbische Nationalismus sei ungebrochen. "Der heutigen Generation sind die Geschehnisse von damals nicht mehr präsent", sagte der ehemalige Vizekanzler, der im Rahmen des Stabilitätspakts in den 1990er-Jahren zwischen beiden Gruppen vermittelte.

Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen in Bosnien-Herzegowina
In Bosnien-Herzegowina wurden unterdessen die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Laut Gojko Vasic, dem Polizeidirektor in der Republika Srpska, wird sich die Aufmerksamkeit der Polizei besonders auf die Siedlungen der nach dem Kriegsende im Jahr 1995 zurückgekehrten bosniakischen und kroatischen Bevölkerung richten.

Erhöhte Schutzmaßnahmen gibt es auch um die Gedenkstätte für Srebrenica-Opfer in Potocari. In der Hauptstadt Sarajevo wird besonders die serbische Botschaft geschützt. Serbiens Premier Aleksandar Vucic war im vergangenen Juli bei der alljährlichen Gedenkfeier zum Jahrestag des Massakers von einer Teilnehmergruppe mit Flaschen und Steinen beworfen worden.

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