Doskozil im Libanon

Überfüllte Flüchtlingslager: Jeder will weg!

Ausland
03.03.2016 15:38

Wer wissen will, warum jeder, der kann, sofort weg will, muss nur eines der 3000 (!) über das Land verstreuten Flüchtlingslager im Libanon anschauen. Dazu fuhr Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil am Donnerstag von Libanons Hauptstadt Beirut ins Bekaa-Tal, wo zwischen den massenhaften Elendsquartieren für Hungerlöhne (drei Euro pro Arbeitstag) Obst und Gemüse für die Region angebaut wird.

Zuvor hatte Doskozil politische Termine in Beirut. Da konnte der Verteidigungsminister erfahren, wie im Libanon seit Jahrzehnten am Rand des Abgrunds regiert wird: mit ständigen, komplexen Kompromissen zwischen Religionsgruppen und finanziellen Interessen. Jüngstes Beispiel ist die, nun auch im 36. Wahlgang gescheiterte, Wahl des Staatspräsidenten durch das Parlament.

Weder Zeit noch Geld für die Flüchtlinge
Dass überhaupt etwas funktioniert, liegt daran, dass "die Libanesen ein gutes Gefühl dafür haben, wann es eine Minute vor zwölf ist", erklärte ein Diplomat den permanenten Balanceakt. Übrig bleiben dabei allerdings die Flüchtlinge. Für die gibt es weder Zeit noch Geld. Ein trotz des Chaos noch immer gut funktionierender Sicherheitsapparat soll größere terroristische Anschläge zuletzt immer wieder verhindert haben. Allerdings gilt Verheimlichung als eine der Spezialitäten in der Region. Ebenso wie Fehlinformationen. Verlässlich ist hier noch am ehesten die Haschisch-Produktion ("Roter Libanese"). Dazu kommt noch der rüde Umgang mit Flüchtlingen, die nicht nur nichts vom Staat bekommen, sie werden auch oft einfach massenhaft zurück an die Grenze nach Syrien gebracht.

In Syrien selbst soll sich die Lage zuletzt deutlich verändert haben, wie Spähposten im Libanon berichten. Die sunnitische Terrormiliz IS sei teilweise zurückgedrängt worden. Dadurch könnte es auch für die Vertriebenen innerhalb Syriens einfacher werden, zu flüchten. Nördlich der syrischen Hauptstadt Damaskus sitzen nach Schätzungen von Nachrichtendiensten rund 2,5 Millionen Menschen fest, die aus ihren Heimatorten flüchten mussten. Diese Flüchtlinge eint eines: Sie haben alles verloren, haben keine Perspektiven, und sie wollen vor allem nach Europa.

Jetzt Vorbereitungen für Rückführungen
Während sich also schon der nächste Schwung an Flüchtlingen für den Sprung nach Europa bereit macht, trifft Österreich die Vorbereitungen für die Rückbringung von Migranten in ihre Heimatregionen. Vorerst einmal sollen Marokkaner zurückgebracht werden. Die Rede ist von 1000 oder mehr Menschen, die zuletzt vor allem in Linz zunehmend für Sicherheitsprobleme verantwortlich gemacht wurden. Für die geplanten Abschiebeflüge werden demnächst die drei "Hercules"-Bundesheermaschinen adaptiert.

Mit einem dieser Flugzeuge ist Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil am Mittwoch nach Beirut geflogen bzw. reist damit am Freitag wieder nach Wien zurück - gewissermaßen als Test für die "Flüchtlingstauglichkeit". Allerdings mit dem Unterschied, dass die abzuschiebenden Marokkaner nicht freiwillig damit reisen werden.

Müllmassen und Strom größte Probleme
Im Libanon selbst zählen die Stromversorgung und die Müllmassen zu den größten Problemen in den Flüchtlingslagern, berichtete Doskozil nach einem Treffen mit seinem libanesischen Amtskollegen Samir Moqbel. Eine Schwierigkeit sei auch die Grenzsicherung, für die den Libanesen vor allem einmal Hubschrauber fehlen. Entgegen zahlreicher Annahmen sagt Doskozil, dass unter den syrischen Flüchtlingen eine große Bereitschaft bestehe, nach einer teilweisen Befriedung wieder in die Heimat zurückzukehren.

Daher mache es auch Sinn, die Flüchtlinge in der Region unterzubringen. Weitere größere Flüchtlingslager lehnt der Libanon allerdings ab. Doskozil versuchte, seinen libanesischen Kollegen von den Vorteilen solcher Quartiere zu überzeugen - unter anderem, weil damit eine Rückkehr der Menschen nach einem teilweisen Friedensschluss in Syrien einfacher wäre. Im Libanon erkennt man derzeit jedoch keine Signale, dass sich die syrische Lage in absehbarer Zeit verbessern könnte.

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