Konrad Lorenz

Eine Frage der Ehre

Salzburg
06.01.2016 10:06

Er war Nobelpreisträger und Hainburg-Ikone: 26 Jahre nach seinem Tod erkannte ihm ein Senat der Uni Salzburg den Ehrendoktortitel wieder ab. Für viele nicht fassbar. Eine Analyse.

Die beiden Protagonisten hätten unterschiedlicher nicht sein können: Auf der einen Seite des Tisches im Martinsschloss in Klosterneuburg die 82-jährige Kultfigur des Widerstands. Konrad Lorenz. Eine Erscheinung. Er trägt eine Sprechapparatur. Es ist unruhig, Heerscharen von Reportern warten auf eine Entscheidung. Auf dem anderen Platz der Kanzler, der in diesen Wochen vor Weihnachten 1984 durch die politische Hölle gegangen sein muss. Fred Sinowatz, der wohl so gerne Landeshauptmann im Burgenland geworden wäre und jetzt den heiklen Ballhausplatz dirigieren muss. Man kam überein, sich auf dem halben Weg zu treffen: Konrad Lorenz hat sein Institut in Altenberg angesiedelt. Und vom Martinsschloss, wo der Baron von Trapp im Swimmingpool die ersten Versuche mit neuen Torpedos unternahm, hatte man einen herrlichen Blick auf die unversehrten Donau-Auen. Heute zerschneidet eine Schnellstraße die Idylle. Wie immer bei einer dieser Kampagnen, wie sie von unseren Gegnern abschätzig genannt werden, hatte sich "Krone"-Herausgeber Hans Dichand alles angesehen. In einer Zille über die Seitenarme der Donauauen bei Hainburg. Gespräche mit renommierten Wissenschaftern: Prof. Lötsch, Prof. Festitics und Lorenz natürlich. Dieser entschied sich, seinen Namen für eines der erfolgreichen Volksbegehren der Republik herzugeben. Das Konrad-Lorenz-Volksbegehren zur Rettung der unermesslichen Schätze in der Au östlich von Wien, wo eine unheilige Allianz aus Bauwirtschaft und Politik einen riesigen Staudamm errichten wollte. Es war für ihn nicht nur eine Frage der Ehre, sondern des Engagements.

"Die Torheit"
Es wurde zum Volksaufstand. Tausende kamen in die Au von Hainburg, Mütter mit Kindern, Pensionisten, Studenten, Grün-Aktivisten. Lagerfeuer. Zelte. Da entschied der Innenminister die sofortige Räumung der Au. Schlagstöcke, Anti-Terroreinsatz-Kommandos, Hunderte blutige Köpfe. Die "Krone" erschien auf Seite 1 nur mit einem Aufmacher und einem Schwarz-Weiß-Bild: "Die Schande von Hainburg". Darunter sah man die brutalen Prügelszenen. Und am nächsten Tag der wohl legendärste Cato-Kommentar dieser Zeit: "Botschaft aus der Kälte". Darin wurden die Demonstranten gebeten, auszuharren, es sei ein Opfer. Am nächsten Tag ein Anruf: Der Innenminister ließ ausrichten, der Kommentar sei eine Art Volksaufwiegelung, und der Herausgeber müsste unter Umständen mit der Verhaftung rechnen. Daraufhin setzte Cato noch eins nach und zitierte den Ausspruch "Die Torheit der Regierenden" der US-Autorin Barbara Tuchmann. Der Innenminister, der in heiklen Situationen mit seinen Wimpern nervös in die Kameras blinzelte, wurde immer unsicherer. Der Kanzler entschied sich nach dem Gespräch mit Lorenz im Martinsschloss für die Vernunft: Weihnachtsruhe in der Au. Und dann entschlummerten die Staudämme sanft. Immerhin stand ja ein Nobelpreisträger an der Spitze. 1973 hatte Lorenz diese Ehrung erhalten. Zu seinem 80. Geburtstag. Ein jüdischer Wissenschafter verteidigte ihn gegen plötzliche Angriffe: In der Hitler-Zeit habe er den Antrag auf Aufnahme in die NSDAP gestellt, dem Regime auch positive Seiten abgewinnen können. Lorenz entschuldigte sich schon nach dem Krieg: "Ich bedauere das zutiefst. Ich war so blöd!"

Vorwürfe bekannt
Insgesamt 38 Ehrendoktorate wurden ihm verliehen, auch die Universität Salzburg wollte nicht nachstehen. 1983 fuhr er in Begleitung von Freunden extra an die Salzach. Spätestens seit der Diskussion um die Verleihung des Medizin-Nobelpreises in Stockholm waren die Vorwürfe bekannt. Lorenz hatte sich - wie leider viele in dieser Zeit - einfach angepasst, um seine Studien fortsetzen zu können. 2015, zur Zeit der Feiertage, dann die Entscheidung eines sogenannten Senats der Uni Salzburg, der wie im alten Rom mit Daumen nach oben oder unten entschied. Viele waren dagegen, nicht die Mehrheit. Unfassbare Worte vom Vorsitzenden Stefan Griller, sogar "ZiB"-Moderator Roman Rafreider verschlug es den Atem: Erschlichen habe sich der Nobelpreisträger den Dr. h.c. der kleinen Uni in Salzburg. Vor einem Jahr habe man beschlossen, alle Ehrentitel sozusagen zu "entnazifizieren", und da sei eben auch Lorenz daruntergefallen. Lorenz ist am 24. Februar 1989 in Wien gestorben, er wurde 86 Jahre alt. Prof. Griller wird heuer 60 Jahre alt. Unwahrscheinlich, dass er vom Kampf in der Hainburger Au und vom Konrad-Lorenz-Volksbegehren nichts mitbekam, denn er unterrichtete damals an der Wiener Wirtschafts-Uni.

Im Gerede...
In Zeiten des allwissenden Wikipedia kommt nun auch der Gründer der Universität Salzburg, Prof. René Marcic, ins Gerede. Er arbeitete in der Nazi-Zeit in der Wiener Botschaft des diplomatischen Dienstes des faschistischen Ustascha-Staates, der Juden und Sinti in Vernichtungslager verschleppte. Marcic starb in den 70er Jahren bei einem Terroranschlag im belgischen Luftraum auf dem Flug zurück nach Salzburg. Vier Jahre nach Kriegsende, 1949, hatte Marcic im Osterkommentar in einer Salzburger Zeitung unfassbare Sätze geschrieben, er warb um Verständnis für die Vernichtungslager, in denen Millionen Juden umkamen. Alles wurde untersucht, denn Marcic ist auch der Namensgeber eines renommierten journalistischen Preises in Salzburg. Weder Historiker und noch ein Senat fanden einen Grund zum Eingreifen, Marcic habe sich ja ausdrücklich entschuldigt. Bei Nobelpreisträger Prof. Dr. Konrad Lorenz war man nicht so großzügig.

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