Der echte Vernaderer

“Unsafe at any Speed” veränderte die Autowelt

Motor
07.12.2015 17:03
Der Verbraucherschützer Ralph Nader hat vor 50 Jahren mit einem Buch die US-Autoindustrie geschockt. Die Ende 1965 erschienene Anklageschrift "Unsafe At Any Speed - unsicher bei jeder Geschwindigkeit" deckte Konstruktionsschwächen und Sicherheitslücken damaliger Autos schonungslos auf. Und brachte die moderne Fahrzeugsicherheit auf den Weg.
(Bild: kmm)

Verbraucheranwalt, Lebensretter oder Kreuzzügler? Nader war und ist umstritten. Vielleicht hat er auch den Begriff "vernadern" verursacht. Die einen schreiben ihm die Rettung Abertausender Autofahrerleben zu, die anderen sehen ihn als Populisten, der nicht zuletzt das Cabrio auf dem Gewissen hat. Das nämlich urteilte er in seinem Buch als lebensgefährlich ab, vor allem bei Überschlägen. In der Folge starb die offene Fahrzeugklasse auf dem US-Markt zwischenzeitlich nahezu aus.

Auch Heckantriebsmodelle wie den Porsche 911 oder den VW Käfer ("es gibt kaum ein gefährlicheres Modell") hatte Nader wegen ihres schwierigen Fahrverhaltens im Visier. Prominentestes Opfer ist aber der Chevrolet Corvair, eine nicht zuletzt gegen den Käfer positionierte Limousine mit Heckmotor und Pendelachse. Eine Bauweise, die zwar sportliches Fahren ermöglichte, denjenigen, der es damit übertreibt, aber überraschend plötzlich ins Schleudern bringt. Nader kritisierte dieses unvermittelte Übersteuern als gefährlichen Konstruktionsfehler, woraufhin die Verkäufe des Corvair einbrachen und das Modell 1969 nach nur vier Jahren Bauzeit eingestellt wurde.

Plötzlich wurden die Autos sicherer
Ob der Corvair nun wirklich gefährlicher war als andere Autos - das Buch trat in den USA eine Debatte los und schuf erstmals breite Sensibilität für das Thema. Und es führte zu zahlreichen neuen Regulierungen zur Fahrzeugsicherheit und Produkthaftung. Der Staat schaute bei der Zulassung neuer Modelle genauer hin, führte neue Umwelt- und Sicherheitsbehörden ein und bringt seitdem immer wieder neue Technologien wie Airbags, ABS; ESP oder Rückfahrkameras auf den Weg. Und die Zahl der Todesopfer im US-Straßenverkehr sinkt: Kamen 1965 noch fünf Menschen je 100 Millionen gefahrenen Meilen ums Leben, ist es heute nur einer.

Der zweite große Effekt des Nader-Buches war eine Klagewelle. Allein Chevrolet wurde mit mehreren hundert Produkthaftungsklagen überzogen. Zwar gewann die Marke jedes Mal, doch der Verbraucher und Umweltschutz sowie seine juristische Durchsetzung waren plötzlich in den USA etabliert. Ein Geist, den nun wohl auch Volkswagen zu spüren bekommt. Ohne Naders Buch, ohne die 1970 gegründete Umweltbehörde EPA und ohne die seit Nader etablierten Produkthaftungsregeln hätten die Wolfsburger vielleicht weniger Gegenwind im Diesel-Skandal zu fürchten.

Aus dem Video-Archiv: Dieses angeblich besonders unsichere Auto mobilisierte die Massen:

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(Bild: kmm)



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