"5 nach 12"

Klimagipfel der letzten Chance startet am Montag

Ausland
28.11.2015 08:06
Am Montag kommen in Paris die Führer der Welt zusammen, um "5 nach 12" die Existenzgrundlage der Menschheit doch noch zu retten. Zwei Szenen als persönlicher Augenöffner:

Szene Nummer 1, Sommer 2009 im afrikanischen Staat Tschad, Fahrt mit einem Offizier der österreichischen Blauhelmtruppe durch die Steppe: ausgedörrte Bäume, viele davon zu Baumstümpfen abgeschlagen. Der Bundesheeroffizier: "Kriege hier haben wenig mit der hohen Politik zu tun, wie es sich in den internationalen Schlagzeilen liest. Es sind vielmehr Kämpfe zwischen Dörfern und Stammesverbänden um das letzte Brennholz zum Kochen angesichts der Ausbreitung der Wüstenzonen. Es sind Klimakriege ums Überleben. Und das ist erst der Anfang hier."

"Menschheit verhält sich wie Selbstmörder"
Szene Nummer 2, Oktober 2009: Der Monster-Hurrikan "Sandy" mit Sturmflut und Wolkenbrüchen bricht über New York herein (das auf der nördlichen Breite von Neapel liegt). Die Südspitze von Manhattan bietet einen schaurigen Hauch von Weltuntergang, als die Wellen landeinwärts schlagen und das Wasser des Hudson River steigt und steigt, bis erstmals seit 100 Jahren auch U-Bahn-Tunnels überflutet sind. Dann das Feuerwerk explodierender Transformatorenstationen - und die halbe Stadt versinkt in dunkler Nacht. Brände brechen aus, Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge hupen sich den Weg frei.

Zwei Szenen, eine Erkenntnis: Der Mensch, ein Zwerg auf dem Planeten, hat die Naturgewalten herausgefordert und darf sich nicht wundern, wenn sie ihm jetzt die Rechnung präsentieren. Die Ärmsten der Armen, die am wenigsten daran schuld sind, müssen den höchsten Preis zahlen: Elend und Kriegsnot, Flucht, Tod im Mittelmeer. Wir alle zerstören auf selbstmörderische Weise unsere Lebensgrundlage. Es ist schon längst "5 nach 12".

Klimaerwärmung stoppen
Nach dem Scheitern aller bisherigen Umweltgipfeltreffen tritt ab Montag in Paris der "Rettungsgipfel der letzten Chance" zusammen: Barack Obama, Wladimir Putin, Xi Jinping und die anderen Weltführer werden zu Beginn ihre Versprechen und Selbstverpflichtungen abgeben. Danach soll das Vertragswerk ausgehandelt werden. Die immer raschere Klimaerwärmung seit Beginn des Industriezeitalters, die für die Wetterextreme verantwortlich ist, kann ohnehin nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es wäre schon ein Erfolg, wenn es gelänge, sie zu stoppen.

Was ist bei diesem Gipfel anders als früher? China!
Weshalb waren alle früheren Klimagipfel für die Katz'? Weil sich China in keine internationalen Verpflichtungen einbinden lassen wollte. Argumente: Die alten Industriestaaten seien seit Langem die ärgsten Klimasünder und sollten daher mit Maßnahmen vorangehen. Außerdem wollten die Imperialisten und Kolonialisten nur Chinas Aufstieg behindern. Peking spielt beidbeinig: Großmacht und, wenn es hilft, Entwicklungsland, um sich mit der Dritten Welt gegen die Großen zu verbünden.

Inzwischen hat die Klimakatastrophe in China, die die politische Stabilität gefährdet, in Peking den Anstoß zum Umdenken gegeben. China ist der größte Kohleverbrenner der Welt, hat aber auch die größten Windparks der Welt. Der Energiehunger kennt keine Grenzen. (Der Giftmüll aus China wird auf der anderen Seite des Pazifiks in Kalifornien angespült.) Diese komplizierte Entwicklung hat in China ein Umdenken zu internationalen Verpflichtungen eingeleitet.

Nun ist aber Indien als der zweitbevölkerungsreichste Staat noch nicht so weit. Leider muss es erst seine noch schlimmeren Erfahrungen machen. Die Klimarettung der Welt verlangt eine radikale Änderung der Lebensgewohnheiten. Die Bereitschaft dazu wird es erst geben, wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass wir alle auf der Welt in einem Boot in stürmischer See sitzen.

Kommentar von Kurt Seinitz: Zwei Grad mehr ...
... liest sich harmlos, ist aber lebensgefährlich, wenn die Erderwärmung seit dem Beginn des Industriezeitalters zwei Grad mehr erreichen wird. Derzeit stehen wir bei plus 0,85 Grad - und es ist uns schon zu heiß. Es wird noch rascher noch heißer werden - mit allen Folgen.

Ein Überblick:

  • Kohlendioxid (CO2) trägt zu 76 Prozent zum Treibhauseffekt bei. Heute ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um 40 Prozent höher als zu Beginn des Industriezeitalters 1750.
  • Der Meeresspiegel ist seit dem Jahr 1901 um 19 Zentimeter gestiegen. Industrieländer können zwar Schutzdämme bauen, Inseln nicht.
  • Die Gletscher schmelzen pro Jahr um 0,5 bis einen Meter ab, heute dreimal rascher als vor 20 Jahren.
  • Hitzewellen: Seit dem Jahr 2000 erlebte die Erde die fünf heißesten Sommer seit 1500. Besondere Hitzewellen gab es 2003 mit 70.000 Toten, Waldbränden und empfindlichen Ernterückgängen. Trinkwasser wird knapp.
  • Feuchte Regionen bekommen noch mehr Niederschläge (mit Überschwemmungen), trockene Regionen noch weniger. Extremwetter wird "normal".
  • Die Meere erwärmten sich von 1971 bis 2010 in bis zu 75 Metern Tiefe um mehr als 0,1 Grad pro Jahrzehnt. Zudem nehmen sie sehr viel mehr von menschengemachten Treibhausgasen auf, was unter anderem zur Versauerung führt. Fischbestände schwinden.
  • Um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, müssten die Emissionen bis 2050 um 55 Prozent sinken.

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