Intersexualität

In Österreich fehlt das neutrale Geschlecht

Wissenschaft
05.11.2015 19:05
Menschen, die genetisch, anatomisch oder hormonell nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, haben es in Österreich nicht leicht. Denn hierzulande muss man sich - so sieht es jedenfalls das Personenstandsgesetz vor - noch immer für "männlich" oder "weiblich" entscheiden. In der Alpenrepublik intersexuell zu sein, ist schwierig und fast unmöglich.

Dabei erblicken in Österreich jährlich etwa 20 Kinder das Licht der Welt, die nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, aber von Amts wegen zu Mann oder Frau gemacht werden - mittels "normierender oder angleichender Interventionen", wie es im Behördendeutsch heißt. Will heißen: diese werden meist schon im Säuglingsalter operiert oder medikamentös behandelt, um sie einem bestimmten Geschlecht zuordnen zu können.

Europarat kritisiert Zwangsoperationen
Die Eltern dieser Kinder seien nicht nur dem Druck der Ärzte sondern auch dem der Behörden, die auf ein rasche geschlechtliche Zuordnung bestehen würden, kritisierte etwa im Mai dieses Jahres der Menschenrechtsbeauftragte des Europarates, Nils Muiznieks. Er fordert, den Betroffenen müsse das Recht eingeräumt werden, selbst über ihre Geschlechtszugehörigkeit zu entscheiden. "Es ist höchste Zeit, den unnötigen medizinischen und chirurgischen Eingriffen ohne Einwilligung der Intersexuellen ein Ende zu setzen", sagt Muiznieks.

So sieht das auch die Mitbegründerin der österreichischen Plattform Intersex, Eva Matt. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit für Kinder und Jugendliche sei das oberste Ziel der Arbeit ihres Vereins, sagte die Juristin im Gespräch mit ORF.at und erinnerte daran, dass Intersexualität immer noch als Krankheit klassifiziert ist. "Normierende und angleichende Interventionen an Kindern und Jugendlichen müssen verboten werden", fordert Matt. Intersexuelle Menschen sollten das Recht haben, selbst eine Entscheidung zu treffen. Sie verweist auf Malta, wo man fremdbestimmte medizinische Eingriffe an intersexuell geborenen Kindern komplett verboten habe.

Rund 1,7 Prozent aller Kinder intersexuell
Dass jemand intersexuell geboren werde, erkenne man zudem nicht immer schon bei der Geburt. "Oft entdeckt man das erst in der Pubertät", erläutert Matt. Laut Schätzungen der US-Forscherin Anne Fausto-Sterling werden rund 1,7 Prozent aller Kinder weltweit mit "intersexuellen Merkmalen" geboren. Sie haben beispielsweise sowohl Eierstöcke als auch Hoden oder einen Hormonhaushalt, der es nicht erlaubt, sie eindeutig einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen.

In einigen Ländern hat man diesem Umstand bereits Rechnung getragen: So können Nepalesen in ihren Reisepässen künftig statt "männlich" oder "weiblich" ein drittes Geschlecht angeben. In dem Dokument steht dann "O" (für "other", also anderes). Ähnliche Regeln gibt es auch schon in Australien und Neuseeland, wo ein "X" (für "intersexuell") eingetragen werden kann. Auch in Deutschland kann seit 2013 die Angabe zum Geschlecht bei der Geburt offengelassen werden. Die Gesetzgebung in Österreich hinkt diesbezüglich noch nach...

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