Vom Ätna bis Palermo

Audienz beim “Großen Vater”: Urlaub in Sizilien

Reisen & Urlaub
19.09.2015 17:00
Sizilien kann uns das Staunen lehren. Durch seine Menschen, die Improvisationskünstler und Genießer sind, durch seine historischen Bauten und Weltwunder und natürlich durch den Ätna, den "Grande Padre" der Insel.

"Numeri sono freddi." – "Die Ziffern sind kalt", sagt Fremdenführer Dario, wenn er darauf hinweisen will, dass keine Jahreszahl und keine Statistik etwas Wesentliches über ein Land erzählen kann. Dario ist typischer Sizilianer. Er bringt die Insel mit einer Mischung aus Ironie und Liebe näher, und mit einem natürlich gewachsenen Verständnis für deren Schattenseiten, die man als Auswärtiger vielleicht nie verstehen kann. Aber, scusi, von welchen "kalten Nummern" sprechen wir jetzt? Von 1669. Das Jahr, in dem einer der größten Vulkane der Welt förmlich explodierte.

Ätna: Naturgewalt und Touristenmagnet
Der Ätna begrub ein Dutzend Dörfer unter den Lavamassen, Zehntausende Menschen waren auf der Flucht, fünf Wochen später hatte sich das heiße Gestein bis nach Catania vorgeschoben, drückte gegen die massive Stadtmauer. Die Hölle auf Erden, die der Vulkan im Frühling 1669 auf Sizilien entfesselte, ist mit einer simplen Schilderung der Ereignisse und Daten nicht zu begreifen. Da hat Dario schon Recht. "Agata, hilf!", flehten die Bewohner von Catania ihre Patronin um Hilfe: Angeblich, so will es die Legende, hat ihr schützender Mantel den Lavastrom zum Stillstand gebracht. Ein Teil der Stadt wurde dennoch verwüstet. Den Rest zerstörte ein gigantisches Erdbeben 1693.

Die Naturgewalt, die der Ätna darstellt, ist heute zur Touristenattraktion degradiert. Nun spricht man vom "Glück" für Besucher, wenn sie einen aktiven Vulkan erleben dürfen. Der rotglühende Wurm aus Lava, den man dann noch aus Dutzend Kilometern Entfernung in der Nacht beobachten kann, zählt zum Beeindruckendsten, was man auf Sizilien zu sehen bekommt. Längst sagen die Messstationen mögliche Aktivitäten präzise voraus, der gefahrlose Besuch des Bergs wurde so zum Must für jeden Sizilien-Urlauber. Vor allem, wenn man mit dem Wetter Glück hat und Wolken und Nebel sich vom Gipfel verziehen. Dann taucht die Sonne die Kraterlandschaft in bizarre Farben, und man fühlt sich wie auf einem fremden Planeten, wenn man die (recht kostspielige) Fahrt mit Seilbahn und weiter mit dem Unimog bis in die Gipfelregion unternimmt.

Reiche Ernten dank fruchtbarer Vulkanböden
Der Ätna ist nicht nur eine zerstörerische Kraft, er ist auch der Ernährer der Region – "padre padrone", Vater und Herrscher. Die fruchtbaren Vulkanböden an seinen Hängen lassen feinherbe Weine gedeihen, "Grande Padre" nennen die Alten ihren Berg, liebevoll und voller Ehrfurcht. Bei einem der letzten Ausbrüche mussten die Bewohner wieder einmal aus den Dörfern fliehen. Eine Familie deckte vor der Abfahrt noch eine Festtafel, für den Berg, den "Ehrengast".

Dass die Sizilianer zu tafeln verstehen, bekommt der Gast früher oder später sowieso schnell mit. Die italienische Küche hat hier einen Zug ins besonders Rustikale. Die herausgebackenen Reiskuchen, die Arancini, muss jeder probieren. Auch die diversen Pastagerichte mit Pistazien. Eher abenteuerlich ist die hiesige Eigenart, Eis im Briochebrötchen zu essen. Wagemutigere können sich auch an den für Palermo typischen Milzbrötchen laben oder an frittierten Knorpeln. Die Straßenküche der sizilianischen Hauptstadt zählt zu den bedeutendsten der Welt, ihre Märkte sind zu Recht auch für Touristen Anziehungspunkte.

Palermo: Mafia ist keine Gefahr, der Verkehr schon
Die Metropole im Norden ist eines der attraktivsten Reiseziele der Insel. Nur mit dem eigenen Auto oder dem Mietwagen wird Palermo zum Abenteuertrip. Auf den Straßen ist Millimeterarbeit, Geduld und Improvisationskunst absolut notwendig. Die meisten Fahrzeuge tragen sichtbar Narben vom täglichen Gedrängel. Für ihren Verkehr, die permanent verstopften Straßen, ist die Stadt fast noch bekannter als für die Mafia.

Die ganz und gar nicht ehrenwerte Gesellschaft hat in den letzten Jahren jedoch an Bedeutung eingebüßt. Seit Mafiajäger wie Richter Fiovanni Falcone und Paolo Borselino vor einem Vierteljahrhundert ihren heroischen Kampf aufgenommen haben, sind die Zeiten vorbei, als man sich abends in Palermo und Catania fast nicht auf die Straße trauen konnte.

Lange wurde die Mafia von der Bevölkerung als typisch regionale Tradition, quasi als Folklore stillschweigend akzeptiert. "Cosa nostra" heißt ja nichts anderes als "unsere Sache". Mittlerweile ist die Mafia unten durch, ihr Ruf irreparabel beschädigt, Falcone ein Volksheld. Auch in Palermo widersetzen sich immer mehr Geschäfte und Restaurants dem Prinzip der Schutzgeldzahlungen: Achten Sie auf die orangen "Addiopizzo"-Aufkleber, die das anzeigen!

Architektonischer Schmelztiegel Palermo
Dass Palermo ein Schmelztiegel der Kulturen war, wo Normannen wie Araber ihre Spuren hinterließen, macht die Stadt architektonisch so grandios. Allein für den Besuch der allerbedeutendsten Sehenswürdigkeiten wie der Kathedrale, den Normannenpalast, der Fontana Pretoria usw. braucht man mehr als einen Tag. Überstrahlt wird der Glanz von Palermos Kultur noch vom Dom in Monreale, sieben Kilometer außerhalb der Stadt. Angesichts der Pracht der Goldmosaiken, die den Sakralbau aus dem 12. Jahrhundert schmücken, ist man sich nicht sicher, ob man bei den Sieben Weltwundern vergessen hat, eines mitzuzählen.

Kulturfreunde finden in Sizilien ohnehin viel vor: Barockstädte wie Catania oder das (in der Nebensaison) verschlafene Noto, das wie eine Filmkulisse unter der Sonne döst. Das wunderschöne Syracusa mit seinen engen Gässchen, die arabische Handschrift tragen. Und es gibt viel Antikes. Griechische Tempel, römische Ruinen. Am eindrucksvollsten sind die Überreste einer römischen Villa im Herzen der Insel. Die "Villa Romana del Casale" bei Piazza Armerina prunkt mit Hunderten großen Mosaiken, die – die abgegriffene Formulierung ist hier passend – die römische Zeit lebendig machen. Ob Jagd- oder Bade-Szenen, ob mythologische Darstellungen oder Bildnisse von spielenden Kindern, die Vielfalt der Mosaike ist atemberaubend. Geniale Künstler waren hier am Werk, um einen Kosmos menschlichen Lebens einzufangen. Noch ein Weltwunder. Dann wären wir schon bei Nummer 9.

Aber, wie gesagt, "I numeri sono freddi" – die Mosaiken der Villa Romana muss man schon mit eigenen Augen gesehen haben.

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